Seamless: Ist Ducatis Getriebe noch zeitgemäß?

Über die Getriebe von Honda und Yamaha wurde viel diskutiert: Ducatis Seamless-Getriebe ist seit 2014 unverändert und soll auch in Zukunft nicht verbessert werden

(Motorsport-Total.com) - Seit der Saison 2011 kommen in der MotoGP Seamless-Getriebe zum Einsatz. Honda überraschte die Konkurrenz in der finalen Saison der 800er mit einem innovativen Getriebe, das die Gänge nahtlos wechselte. Dadurch war die RC212V für die HRC-Piloten fahrbarer als das 2010er-Modell. Die Gänge konnten fortan an Stellen der Rennstrecke gewechselt werden, an denen ohne Seamless-Getriebe Probleme entstanden. Zudem wurden die Reifen weniger stark beansprucht, was auf eine Renndistanz einen erheblichen Vorteil ausmachte. Casey Stoner holte mit der RC212V doch noch einen Titel für Honda, bevor die 800er-Ära zu Ende ging.

Titel-Bild zur News: Andrea Dovizioso

Das Getriebe der GP15 entspricht dem Stand der vergangenen Saison Zoom

Ducati zog als erster Hersteller nach. Die Italiener ließen bei Xtrac in England ein Seamless-Getriebe entwickeln. Yamaha stellte den Werkspiloten erst im finalen Drittel der Saison 2013 ein Seamless-Getriebe bereit. Im Gegensatz zum Honda-Getriebe funktionierte die erste Version des Yamaha-Seamless-Getriebes aber nur beim Hochschalten. Zudem waren nicht alle Gangwechsel nahtlos. Erst für die Saison 2015 schob Yamaha ein komplett nahtlos arbeitendes Getriebe nach, das auch beim Herunterschalten funktioniert. Dadurch waren Valentino Rossi und Jorge Lorenzo vor allem beim Anbremsen deutlich konkurrenzfähiger als zuvor.

Während die Evolution des Yamaha-Getriebes oft thematisiert wurde, geriet das Ducati-Seamless-Getriebe etwas in Vergessenheit. 'Motorsport-Total.com' erkundigte sich im Rahmen des Deutschland-Grand-Prix bei den Ducati-Verantwortlichen, was die Schalteinheit der Desmosedici GP15 kann und was sie nicht kann. Dabei wurde deutlich, dass es zwischen 2014 und 2015 keine Weiterentwicklung gab.

Keine durchgehende Seamless-Funktion

"Seit dem vergangenen Jahr funktioniert unser Seamless-Getriebe vom ersten bis zum fünften Gang. Vom fünften in den sechsten Gang haben wir keine Seamless-Funktion", erklärt Teamchef Paolo Ciabatti. Dass das Ducati-Getriebe nicht vom fünften in den sechsten Gang nahtlos die Fahrstufe wechselt ist laut Ciabatti kein großer Nachteil. Deswegen gibt es keinen dringenden Handlungsbedarf.

Andrea Dovizioso

Dovizioso: "Das Honda-Getriebe arbeitet ganz anders als das von Yamaha" Zoom

"Es ist nicht besonders wichtig, weil man am meisten von einem Seamless-Getriebe profitiert, wenn man sich in Schräglage befindet. Normalerweise schaltet man nicht in Schräglage vom fünften in den sechsten Gang", analysiert der Italiener. Werkspilot Andrea Dovizioso ergänzt: "Das Ducati-Seamless-Getriebe funktioniert seit einigen Jahren auch beim Herunterschalten."

"Über Seamless-Getriebe gibt es viele Diskussionen. Alle denken immer, es gibt nur eine Art und Weise, wie ein Seamless-Getriebe arbeitet. Doch das entspricht nicht der Realität", stellt "Dovi" klar. Als ehemaliger Honda-Werkspilot kennt der MotoGP-Routinier die erste Evolutionsstufe des HRC-Getriebes, das für die anderen Hersteller seit der Premiere die Benchmark darstellt.

Ducati plant keine Weiterentwicklung

Updates sind offensichtlich nicht geplant: "Ich kenne die Pläne nicht, weil ich kein Ingenieur bin. Ich kann keine Auskunft geben. Wenn man sich mit den Ingenieuren unterhält, dann erfährt man, dass sich die Seamless-Getriebe stark unterscheiden. Das Honda-Getriebe arbeitet ganz anders als das von Yamaha. Sicher wurden alle Getriebe in den vergangenen Jahren besser. Die Gangwechsel konnten deutlich verbessert werden", bemerkt Dovizioso.

Paolo Ciabatti

Teamchef Paolo Ciabatti: "Das Ducati-Getriebe ist schon sehr fortschrittlich" Zoom

Bei Ducati verwenden nicht alle Piloten die gleiche Evolutionsstufe. "Man erkennt bei den Werksmaschinen, dass die Fahrer den Hebel nach unten drücken, um den ersten Gang einzulegen. Die Pramac- und Avintia-Piloten müssen den Hebel nach oben ziehen, um den ersten Gang einzulegen", erklärt Ciabatti, der stolz darauf ist, dass selbst mit der Dorna-Einheitssoftware ein Seamless-Getriebe eingesetzt werden kann: "Alle Ducati-MotoGP-Maschinen haben Seamless-Getriebe."

Laut Ex-Forward-Pilot Stefan Bradl war die Anpassung des Getriebes auf die Elektronik durch die Erfahrungen mit Magneti Marelli zurückzuführen: "Ducati ist in der Lage, das Seamless-Getriebe auch bei den Open-Bikes zu verwenden, weil sie ohnehin Magneti Marelli verwenden", bemerkt der ehemalige Open-Pilot, der bei seiner Yamaha nur einen herkömmlichen Schaltautomat verwenden konnte.

Fakt ist, dass Ducati momentan keine Anstrengungen investiert, um das Getriebe auf das Level der Konkurrenz zu bringen. Teamchef Ciabatti wiederholt, dass er in einer Weiterentwicklung keinen Sinn sieht: "Es ist kein Update geplant, weil wir überzeugt sind, dass wir keine Zeit gutmachen würden. Unser Getriebe ist schon sehr fortschrittlich", so der Italiener.

Folgen Sie uns!