Nichts zu verlieren: Rossi kündigt volles Risiko an

Alle Vorzeichen stehen in Valencia gegen Valentino Rossi: Lorenzo steht auf Pole, er selbst vor einer Aufholjagd - Kann er das Unmögliche möglich machen?

(Motorsport-Total.com) - Es ist am Ende der berühmte "worst case" geworden: Valentino Rossi muss von ganz hinten in den Großen Preis von Valencia 2015 starten, während sich Jorge Lorenzo die Pole-Position auf dem Circuit Ricardo Tormo erkämpft hat. Zu allem Übel gesellte sich auch noch ein Sturz im Qualifying, was seinen ersten selbstverschuldeten Unfall des Jahres darstellt. Alle Chancen stehen gegen ihn, doch der "Doktor" will bis zum Ende kämpfen: Im Rennen will er noch mehr riskieren als sonst.

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi

Valentino Rossi sieht sich seiner schwersten Aufgabe gegenüber Zoom

"Der Tag hat gut begonnen, denn heute Morgen lief es recht anständig im Training", sagt der Yamaha-Pilot. "Ich bin ziemlich schnell und konkurrenzfähig gewesen, auch das Setup hat gepasst." Nach Platz zwei im 3. Freien Training lief es dann bei der Rennvorbereitung weniger gut. "Ich habe bei höheren Temperaturen Probleme mit den Reifen bekommen und Grip verloren", erläutert Rossi seinen vierten Platz im 4. Freien Training.

"Im Qualifying habe ich daher viele Modifikationen ausprobiert, um weitere Zeit zu gewinnen", berichtet der 36-Jährige weiter. "Aber leider hat es nicht funktioniert, denn ich habe die Änderungen nicht gemocht." Somit baute das Yamaha-Werksteam die Maschine wieder auf den alten Stand zurück und schickte Rossi noch einmal mit einem frischen Hinterreifen raus. (Zur Startaufstellung)

Mit diesem sollte er dann aber nicht weit kommen. "Ich bin hinter Pedrosa gefahren, was kein großes Problem war", holt er für die Erklärung seines Sturzes aus. "Es war eine gute Runde, denn bis zum Ende des zweiten Sektors war ich wirklich schnell. Danach habe ich einen Fehler gemacht und bin gestürzt." Das Missgeschick ändere jedoch für das Rennen nichts, versichert Rossi.

Volles Risiko und Glaube an Honda

Nicht erst seit Lorenzos Pole-Position ist Rossi derjenige, der nichts zu verlieren hat. "Da ich von ganz hinten starten muss, werde ich ein wesentlich höheres Risiko im Rennen gehen", kündigt er an. Bereits in den Trainings hatte er immer wieder geübt, Kurven auf der Innenbahn anzubremsen, um Gegner zu überholen. Einmal fiel er dabei in Kurve eins beinahe hin, konnte aber durch die asphaltierte Auslaufzone entkommen. Andrea Iannone unterstützte ihn in den Trainings und ließ Rossi das Überholen trainieren.

"Es liegt leider nicht alleine an uns", sagt Rossi im Hinblick auf das Rennen, in dem sich ausgerechnet Erzfeind Marc Marquez als sein größter Helfer erweisen kann, sollte er vor Lorenzo ins Ziel kommen. Ersten Berechnungen zufolge kann es Rossi aus eigener Kraft auf den vierten bis fünften Rang schaffen - je nachdem, wie stark die Ducatis sein werden. Rossi bräuchte dann auch die Hilfe von Dani Pedrosa, um den Titel zu holen. (So würde Rossi Weltmeister werden)

Andrea Iannone, Valentino Rossi

Andrea Iannone ließ Valentino Rossi das Überholen trainieren Zoom

"Es ist schwer zu sagen, was vorne passieren wird", winkt der Italiener ab. "Natürlich hatten wir darauf gehofft, dass er nicht unbedingt die Pole holen würde." Da er aber auf das Rennen an der Spitze ohnehin keinen Einfluss nehmen kann, will sich Rossi ganz auf seine eigene Aufholjagd konzentrieren - mit dem Mut der Verzweiflung.

Was macht das Wetter?

"Das ist schon eine vertrackte Situation, aber ich habe nichts zu verlieren", sagt der neunmalige Motorrad-Weltmeister. "Es wird sehr schwierig. Ich versuche einfach, das Maximum zu geben und ein gutes Rennen von Anfang bis Ende zu fahren. Dann werden wir sehen." Er will sich gar nicht erst auf Lorenzo konzentrieren, sondern sein eigenes Ding durchziehen - beginnend mit weiteren Setup-Experimenten im Warmup. Es wäre nicht das erst Mal, dass er am Sonntagmorgen noch große Fortschritte erzielt.

Was Rossi entgegenkommen könnte, ist die Entwicklung des Wetters. "Es heißt, dass es morgen etwas kühler werden soll, deshalb müssen wir am Sonntagmorgen alles geben und Veränderungen testen, um die Pace fürs Rennen zu verbessern", erläutert er seine Hoffnung. Die Temperatur soll am Sonntag nur noch knapp über 20 Grad steigen, dazu ist leichte Bewölkung möglich, womit die Asphalttemperaturen deutlich sinken würden.

"Das ist schon eine vertrackte Situation, aber ich habe nichts zu verlieren." Valentino Rossi

Ansonsten könnte ihm ein ungemütlicher Kompromiss ins Haus stehen: Sollte es bei den spätsommerlichen Temperaturen bleiben, müsste Rossi gleichzeitig durchs Feld pflügen und den Reifen am Leben halten. Kühlere Temperaturen sind auch die letzte Hoffnung für die Honda-Piloten, Lorenzo im Rennen unter Druck zu setzen. "Fünf Grad weniger würden eine Menge verändern", bemerkt Rossi, der in der Nacht deutlich besser schlafen dürfte als sein WM-Konkurrent, der alles zu verlieren hat.