MotoGP-Technikdirektor: "Manchmal machen wir jemanden wütend"

Corrado Cecchinelli spricht über den undankbaren Job des MotoGP-Technikdirektors und ein mögliches Verbot des hinteren Ride-Height-Devices

(Motorsport-Total.com) - In der MotoGP gab es in den vergangenen Jahren einige Entwicklungen, die für Diskussionen sorgten. Ducati präsentierte Flügel an den Verkleidungen, Spoiler unter den Schwingen, Startvorrichtungen und Ride-Height-Devices. Diese Innovationen wurden früher oder später von den anderen Herstellern kopiert.

Titel-Bild zur News: Luigi Dall'Igna

Luigi Dall'Igna mit den Ducati-Werksmaschinen der MotoGP-Saison 2022 Zoom

Einige davon, wie das vordere Ride-Height-Device, sind mittlerweile verboten. Für MotoGP-Technikdirektor Corrado Cecchinelli und sein Team ist es oft schwierig, faire Kompromisse zu erreichen, ohne die Innovationstreiber zu bestrafen und um ihre Arbeit zu bringen.

Die große Herausforderung für die Regelverantwortlichen ist es, die Schlupflöcher im Reglement so zu stopfen, dass die innovativen Hersteller nicht bestraft und um ihre Entwicklungsarbeit gebracht werden

Corrado Cecchinelli weiß, dass es unmöglich ist, alle Schlupflöcher zu stopfen. "Das ist immer ein Problem. Die Hersteller sind schlauer als wir. Sie haben viel mehr Mitarbeiter. Es ist unmöglich, ein technisches Reglement zu formulieren, das jeden Bereich für immer perfekt umfasst", erklärt er gegenüber 'crash.net'.

Warum ein zu 100 Prozent wasserdichtes Reglement nicht möglich ist

"Es wird immer neue Entdeckungen geben, an die man zum jeweiligen Zeitpunkt nicht gedacht hat. Die Welt bewegt sich ständig weiter und verändert sich", weiß der MotoGP-Technikdirektor, der sich zuletzt nicht nur Freunde machte. Vor allem das Lager von Ducati reagierte verärgert über das Verbot des vorderen Ride-Height-Devices.

"Es ist immer eine Frage der Fairness gegenüber denjenigen, die etwas erfinden, was man nicht erwartet hat, und ihnen eine angemessene Belohnung dafür geben, dass sie besser waren als die anderen. Aber man muss das mit der Tatsache in Einklang bringen, dass man nicht wirklich wollte, dass das, was sie tun, getan wird", so Cecchinelli.

Francesco Bagnaia

Die Verantwortlichen der Hersteller suchen ständig nach Schlupflöchern Zoom

Der MotoGP-Technikdirektor will die cleveren Hersteller nicht bestrafen

"Wir versuchen, einen Kompromiss zu finden, aber manchmal machen wir jemanden wütend, wenn wir unseren Job machen. So ist das im Rennsport", bemerkt der MotoGP-Technikdirektor.

"Wir haben den klaren Grundsatz, fair zu sein gegenüber denen, die etwas finden, was erlaubt ist. Aber auf der anderen Seite ist es nur erlaubt, weil man beim Schreiben der Regeln nicht daran gedacht hat, oder weil etwas Neues zu der Zeit noch nicht existierte und dann herauskommt, nicht weil man es wollte", schildert Cecchinelli.

Im Fall des ab 2023 verbotenen vorderen Ride-Height-Device argumentierten Yamaha, Honda, Aprilia, KTM und Suzuki, dass die Relevanz für die Serienmodelle fehlt. In der Serie würde man auf elektronische Lösungen zurückgreifen, die im Rennsport verboten sind und deshalb durch eine aufwendige mechanische Konstruktionen umgangen werden.

Luigi Dall'Igna

Luigi Dall'Igna und sein Team sind für viele Innovationen verantwortlich Zoom

In der MotoGP gibt es aber andere Entwicklungen, die ebenfalls nicht in der Serie landeten, wie das seit 2011 verwendete Seamless-Getriebe oder die seit vielen Jahrzehnten verwendeten Carbonbremsen. Die Befürworter dieser Entwicklungen argumentieren, dass die Verwendung dieser Innovationen dabei hilft, Erkenntnisse zu gewinnen, die durchaus auf die Serie übertragbar sind.

Johann Zarco

Johann Zarco verwendete das vordere Ride-Height-Device am längsten Zoom

Ride-Height-Devices: Die MotoGP-Hersteller sind sich nicht einig

Das Verbot des vorderen Ride-Height-Device war im Vorjahr ein großes Gesprächsthema. "Wir schlugen vor, nur das vordere Device zu verbieten, weil zum Zeitpunkt unseres Vorschlags noch niemand ein solches System bei Rennen verwendet hatte", erinnert sich Corrado Cecchinelli.

"Wir glaubten also, dass es ein guter Zeitpunkt für eine Präventivmaßnahme war, die die Dinge im Grunde genommen so belassen würde, wie sie waren", blickt der MotoGP-Technikdirektor zurück. Nachdem sich das hintere Device durchsetzte, entwickelte Ducati aber bereits eine Lösung für die Front.

Jack Miller

Ducati Desmosedici mit aktiviertem Ride-Height-Device Zoom

Für die MotoGP-Saison 2022 hatte Ducati ein System entwickelt. Nicht alle Ducati-Piloten verwendeten das vordere Device, das im Laufe der Saison 2022 erlaubt war, obwohl bereits vor dem Saisonstart das Verbot ab 2023 beschlossen wurde.

Folgt das Verbot der hinteren Höhenverstellung?

Das Pramac-Ducati-Duo Jorge Martin und Johann Zarco entwickelte das System an den Renn-Wochenenden. Es stellte sich heraus, dass der Effekt deutlich geringer war im Vergleich zum hinteren Device. Nur noch Zarco verwendete das vordere System im finalen Teil der Saison.

Corrado Cecchinelli hält die Entscheidung für richtig, das vordere Device zu verbieten, auch wenn er bedauert, dass es keine einheitliche Entscheidung war. In der Herstellervereinigung MSMA stimmten fünf Hersteller für das Verbot. Nur Ducati war für die Verwendung dieser Entwicklung.

Francesco Bagnaia

Weltmeister Francesco Bagnaia war kein Fan des vorderen Device Zoom

War das Verbot der vorderen Höheneinstellung nur der Anfang? "Es ist unsere Absicht, die Hersteller aufzufordern, ein Verbot des hinteren Devices in Betracht zu ziehen", lässt der MotoGP-Technikdirektor durchblicken.

Bis zur MotoGP-Saison 2027 soll es jedoch keine großen Regeländerungen geben, sofern nicht alle fünf verbliebenen Hersteller dafür stimmen. Die nächste bevorstehende Änderung betrifft den Kraftstoff. Ab der Saison 2024 ist ein 40-prozentiger E-Fuel-Anteil vorgeschrieben. Ab 2027 soll die MotoGP mit 100-prozentigem E-Fuel fahren.

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