• 25.12.2017 09:15

  • von Toni Börner

MotoGP-Rückblick 2017: Aprilia - Wenig Licht, viel Schatten

Aleix Espargaro sammelte für Aprilia kräftig WM-Punkte und trieb die Entwicklung voran - Rookie Sam Lowes wurde bereits fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel

(Motorsport-Total.com) - Das Aprilia Racing Team Gresini beendete die Saison 2017 mit Aleix Espargaro und Sam Lowes auf den Rängen 15 und 25 der MotoGP-Fahrer-Weltmeisterschaft. Gerade einmal 64 Punkte sammelten Aprilia-Fahrer für die Hersteller-Wertung, was den sechsten - und letzten - Platz in der WM der Konstrukteure ergab. Rund 40 Zähler weniger, als im Vorjahr. Entscheidend für das schlechte Abschneiden - sogar in der Team-Wertung wurde man Zwölfter und damit Letzter - sind vor allem auch politisch stümperhafte Verhaltens- und Auftretensweisen des Teams gegenüber der Fahrer. Aber auch das ist bei Aprilia in der MotoGP nichts Neues.

Titel-Bild zur News: Aleix Espargaro

Aleix Espargaro musste für Aprilia die Kohlen aus dem Feuer holen Zoom

Aprilia Saison 2017 - Fast Facts
Hersteller-Wertung: 6.
Punkte: 64 (-293)
Team-Wertung: 12.
Punkte: 67 (-441)

Kurz-Fazit: Ohrfeige von den Neueinsteigern von KTM, die gleich in ihrer ersten Saison vor Aprilia landeten. Die Italiener fuhren 2017 eine eher merkwürdige Strategie - zumindest, was die Behandlung und Bekenntnis zu den Fahrern betraf. Während das erfahrene Entwicklungs-Tier Aleix Espargaro richtig etwas aus der RS-GP herausquetschte, verlor man mit Rookie Sam Lowes schon im Saisonverlauf die Geduld und das Vertrauen. Damit waren beim Briten logischerweise keine großen Beiträge zum Großen-Ganzen des Aprilia-Erfolges mehr zu erwarten.

Fahrer: Aleix Espargaro
WM-Rang: 15
Punkte: 62 (-236)
Bestes Qualifying: 4. (1x, Motegi)
Bestes Rennen: 6. (2x, Katar, Aragon)

Kurz-Fazit: Willst du ein Motorrad schnell entwickeln, musst du den Espargaro raus schicken. Aleix Espargaro machte seinem Ruf als exzellenter Entwickler auch 2017 auf Aprilia wieder alle Ehre. Der Spanier sammelte 62 Punkte, sah aber auch in 9 von 18 Rennen - also der Hälfte - das Ziel nicht. Damit auch er prinzipiell aber ein Rückschlag für Aprilia, denn im Vorjahr konnten sowohl Alvaro Bautista (82) und Stefan Bradl (63) mehr WM-Punkte einfahren. Espargaro setzte allerdings Einzel-Highlights wie die beiden sechsten Plätze in Katar und Aragon.

Aleix Espargaro

Zu Saisonbeginn hatte Aleix Espargaro einige technische Ausfälle Zoom

Fahrer: Sam Lowes
WM-Rang: 25
Punkte: 5 (-293)
Bestes Qualifying: 10. (Assen)
Bestes Rennen: 13. (1x, Motegi)

Kurz-Fazit: Auf dem Papier nicht nur eine kleine Ohrfeige, sondern ein herber Schlag ins Gesicht. Für Aprilia, für Sam Lowes. Schlechtester Permanent-Fahrer der MotoGP, selbst zwei Test-Piloten - Michele Pirro und Mika Kallio - landeten mit ihren wenigen Wildcard-Einsätzen vor dem Briten. Logischerweise damit Lowes auch der Schlechteste der vier Rookies: Auf Johann Zarco, der diese Wertung gewann, fehlten ganze 169 Punkte: Zarco 174, Folger 84, Rins 59 - und Lowes 5. So weit zur ernüchternden Theorie. Allerdings muss sich hier auch Aprilia an die eigene Nase fassen, denn einem Fahrer stärkt es nicht gerade das Selbstvertrauen, wenn seine Mannschaft schon innerhalb der Saison anfängt, sich öffentlich gegen ihn zu stellen.

Sam Lowes

Mit 31 Stürzen führte Sam Lowes diese unrühmliche Statistik an Zoom

Aprilia bleibt klein - und Letzter

2016 bleibt die bislang erfolgreichste Saison Aprilias in der neuen MotoGP-Geschichte. 2017 mussten die Italiener herbe Rückschläge hinnehmen. Weder Aleix Espargaro, noch Sam Lowes konnten an die Erfolge von Alvaro Bautista und Stefan Bradl anknüpfen. Trotzdem fällt das Fazit in Noale positiv aus - zumindest auf einer Seite der Box. "Das war definitiv eine positive Saison, wenn wir das aus der Sicht der Entwicklung sehen. Wir haben ein Level erreicht, welches wir, ehrlich gesagt, nicht erwartet hatten", sagt Romano Albesiano, der Aprilia Racing Manager.

"Ok, eine Seite der Box war sehr stark, die andere war es nicht", kann er sich zum Saisonabschluss einen weiteren Seitenhieb gegen Rookie Sam Lowes nicht verwehren. "Wir hatten dieses Jahr fantastische Leistungen von Aleix und wir haben leider nicht das gleiche von Sam bekommen."

Romano Albesiano

Romano Albesiano ließ Sam Lowes schon früh fallen und holte für 2018 Scott Redding Zoom

Aprilia hatte sich bereits im Saisonverlauf öffentlich gegen den Briten gestellt. Dass dies dem Selbstvertrauen eines Rookies - oder besser: jedes Fahrers - nicht förderlich ist, ist grundlegend bekannt und logisch.

Albesiano aber spricht mehr von der Technischen Seite, auch ihm dürfte bewusst sein, welche Fahrer-Kaliber man hat ziehen lassen. "Was die Entwicklung des Motorrades angeht, da sind wir sehr zufrieden", lenkt er ab. "Wir haben, denke ich, klar gezeigt, dass dieses Motorrad mit den Top-Maschinen kämpfen kann. Auch haben wir dieses Jahr viel gelernt."

"Wir waren Anfang der Saison in der zweiten Rennhälfte stark und wir hatten im ersten Rennteil Probleme. Da haben wir gelernt, wie wir das auch am Anfang besser machen können. Wir glauben, dass wir aus technischer Sicht ziemlich bereit sind. Wir müssen aber konstanter werden, müssen weniger Fehler machen, auf unserer Seite. Aber auch die Fahrer müssen konstanter sein."

"Was die Entwicklung des Motorrades angeht, da sind wir sehr zufrieden." Romano Albesiano

Der Italiener weiß aber auch, dass die Saison beim reinen Blick in die Ergebnis-Listen alles andere als Grund zum Jubeln bietet. "Wenn wir uns die Punkte anschauen, die wir geholt haben, sollten wir enttäuscht sein", sagt er. "Aber wenn wir uns die andere Seite anschauen, dann müssen wir sehr glücklich sein. Wir sind daher sehr happy und gehen die nächste Saison positiv an."

Umgekehrter Trend: Die RS-GP wird schwerer

Vor Saisonbeginn gehörte die Aprilia RS-GP zu den leichtesten Bikes im Feld. Doch mit fortschreitender Entwicklung, entwickelte sich auch das agile Bike mehr in Richtung MotoGP-Traktor und wurde immer schwerer. "Wir hatten einfach viele Ideen, um das Motorrad zu entwickeln", erklärt Albesiano diesen Schritt. "Jede Idee hat zwar Fortschritte bei der Leistung gebracht, dabei aber auch das Motorrad schwerer gemacht manchmal."

Trotzdem unterstreicht der Italiener die schiere Power, die aus dem Aprilia-Aggregat herausgeholt werden kann. "Darum sind wir derzeit, wie schon zuvor, eines der schnellsten Motorräder, aber wir sind leicht über dem Gewichts-Limit", sagt er. "Für nächstes Jahr ist es das Ziel, das Motorrad ähnlich zu lassen, etwas hinzuzufügen und es dann wieder leichter zu machen."

Aleix Espargaro

Die Aprilia wurde im Laufe der Saison zwar schneller, aber auch schwerer Zoom

Fazit: Aprilia kann versuchen, die Saison 2017 noch so schönzureden: Für einen Werks-Einsatz war das einfach zu wenig. Dabei wurden Team-Intern politische Fehler gemacht. Zunächst setzte man auf Erfahrung (Aleix Espargaro) und Jugend (Sam Lowes), doch den Rookie richtig aufzubauen, verpasste man. Stattdessen stellte man Lowes schon innerhalb der Saison öffentlich bloß und entzog ihm auch in der Öffentlichkeit das Vertrauen. Dass es im Endeffekt die Fahrer sind, die auf der Piste die Leistung bringen und Ergebnisse holen müssen, scheint in dieser Mannschaft einmal mehr noch nicht angekommen zu sein.

Bereits im Vorjahr hatte man nach einem Team-Fahrer-Kommunikations-Fehler beim Rennen am Red Bull Ring als Hersteller und Team öffentlich gegen die Fahrer geschossen. Vertrauen sieht anders aus. Auch machte Aprilia 2017 als Team zu viele Fehler. Sicher ist es das kleinste Werk, welches sich in der MotoGP engagiert, doch das entbindet nicht von einer gewissen Sorgfalt, die man in der Königsklasse des Motorrad-Rennsportes einfach an den Tag lagen sollte.