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Kolumne: Marc Marquez bei Ducati eine Zerreißprobe für das MotoGP-Projekt?
Noch kann man die Folgen des Sensations-Transfers nur erahnen: Fakt ist, dass in der MotoGP-Saison 2025 mit Marc Marquez eine neue Ducati-Zeitrechnung beginnt
Liebe Freunde des Rennsports auf zwei Rädern,

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Ducati entschied sich für Marc Marquez und erteilte Jorge Martin eine Absage Zoom
wir alle wussten, dass Ducati bei der Entscheidung für die MotoGP-Saison 2025 einige Herzen und Egos brechen wird. Die Dramatik, die sich im Rahmen des MotoGP-Wochenendes in Mugello entwickelte, und heute in der Bekanntgabe von Marc Marquez ihr Finale fand (zur Meldung mit ersten Reaktionen), übertraf dann aber zumindest meine Erwartungen.
Noch am Donnerstag war sich beinahe das komplette MotoGP-Paddock sicher, dass Jorge Martin derjenige sein wird, der von Ducati ins Werksteam befördert wird. Doch die Story der ansonsten sehr gut informierten La Gazzetta dello Sport entpuppte sich vier Tage später als Ente.
Jorge Martin sagte Aprilia am Sonntag nach dem Grand Prix zu und unterschrieb am Montag den Vertrag (wie der Aprilia-Deal zustande kam). Von Ducati erhielt der WM-Führende keine klare Zusage und Mugello war das Wochenende, an dem Martin seine Zukunft geklärt haben wollte.
Blitzschnelle Reaktion von Aprilia ermöglichte den Deal
Das sorgte beim 26-jährigen Spanier für großen Frust. Ich kann mir gut vorstellen, wie ihm der Wechsel zu Aprilia von Kumpel Aleix Espargaro schmackhaft gemacht wurde. Und Aprilia kann man nur gratulieren. Es bot sich eine Chance und die Italiener nutzten sie dank schneller Reaktionen! Chapeau!
Es ausgerechnet noch in Mugello zu verkünden, obwohl man genau genommen keine Eile hatte, kann man als ausgestreckten Mittelfinger in Richtung Ducati deuten. Es ist kein Geheimnis, dass Aprilia-Rennleiter Massimo Rivola die Konkurrenz aus Bologna nicht ausstehen kann. Die Verpflichtung von Jorge Martin sorgt für eine große Genugtuung.

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Aleix Espargaro und Jorge Martin verbindet eine enge Freundschaft Zoom
Fakt ist aber auch, dass Jorge Martin für den angestrebten Status des MotoGP-Werksfahrers aus technischer Sicht einen Schritt zurück machen wird. Es ist ein mutiger Wechsel, doch Aprilia fehlt nicht viel zu Ducati. Vielleicht ist Martin das Puzzlestück, das Aprilia bisher nicht hatte. Das wäre durchaus wünschenswert, um mehr Abwechslung an der Spitze zu haben.
Aktuell besteht die realistische Chance, dass Jorge Martin als amtierender Weltmeister zu Aprilia wechselt und die begehrte Startnummer 1 nach Noale mitnimmt. Für Ducati wäre das aus Marketing-Sicht eine große Schlappe.
Markenwechsel ein fruchtbarer Nährboden für Verschwörungen
Das führt zur Frage, ob Martin und Pramac nach der Bekanntgabe noch so gut unterstützt werden, wie es bisher der Fall war. Im Vorjahr präsentierte sich Ducati sehr sportlich und gab die jüngsten Updates zuerst an die beiden WM-Kandidaten Francesco Bagnaia und Jorge Martin weiter, obwohl ein klares Interesse bestand, mit dem Werksteam die Meisterschaft zu gewinnen.

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Erhalten die beiden WM-Anwärter nach wie vor identisches Material? Zoom
Mein Eindruck ist, dass Ducati auch in diesem Jahr alles daran setzen wird, die WM-Kandidaten bis zum Saisonfinale in Valencia bestmöglich zu unterstützen. Doch was passiert, wenn es ausgerechnet am Motorrad von Jorge Martin ein technisches Problem gibt?
Defekte sind in der modernen MotoGP rar geworden, aber 100-prozentige Zuverlässigkeit ist unmöglich. Ich muss sicher nicht betonen, dass ich mir einen fairen Kampf um die MotoGP-Krone wünsche. Auf etwaige Verschwörungen im Falle eines WM-entscheidenden Motorschadens kann ich sehr gut verzichten.
Entwickelte sich bei Ducati hinter den Kulissen ein Machtkampf?
Das wochenlange Hin und Her sowie die überraschende Wendung der Ducati-Entscheidung lassen vermuten, dass sich im Lager der Roten nicht alle einig waren, welcher Fahrer den Zuschlag erhalten soll.
Betrachtet man die reinen Fakten, dann hatte Jorge Martin einige Vorzüge. Er führt aktuell die Meisterschaft an und ist fünf Jahre jünger als Marc Marquez. Doch die Strahlkraft der Nummer 93 hat er nicht.

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Ducati-CEO Claudio Domenicali wollte Marc Marquez ins Werksteam holen Zoom
Es ist kein Geheimnis, dass Ducati-CEO Claudio Domenicali stark daran interessiert war, Marc Marquez ins Werksteam zu befördern. Sollte Marquez mit Ducati erneut Weltmeister werden, dann ist das ein absolutes Motorsport-Märchen, das sich in der Geschichte der MotoGP unauslöschlich einbrennen wird. Zudem wäre es eine Story, die über die Grenzen der MotoGP-Bubble hinaus von Interesse ist. Die Menschen lieben diese Art von Geschichten.

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Kann Marc Marquez noch einmal einen MotoGP-Titel einfahren? Zoom
Ich frage mich aber, ob alle Entscheidungsträger bei Ducati so überzeugt waren, dass Marc Marquez der richtige Kandidat ist. Es gibt Stimmen, die behaupten, dass sich Claudio Domenicali und Luigi Dall'Igna nicht einig waren und dass Dall'Igna zurückstecken musste. Die genauen Hintergründe werden wir voraussichtlich nie erfahren. Es sei denn, Dall'Igna wechselt die Marke und plaudert aus dem Nähkästchen.
Wie wird sich die Stimmung im Ducati-Werksteam verändern?
Mit der Ankunft von Marc Marquez beginnt im Ducati-Werksteam eine neue Zeitrechnung. Marquez verfügt nicht nur über erstklassige Fähigkeiten auf dem Motorrad. Wie jeder große Champion meistert er auch die psychische Ebene besser als die meisten Spitzenfahrer und versteht es, seinen Rivalen und Teamkollegen kleine Piekser zu verpassen, ohne dabei offensichtlich unhöflich zu sein.

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Marc Marquez ist ein Schlitzohr und beherrscht die psychische Kriegsführung Zoom
Derartigen Psychospielen war Weltmeister Pecco Bagnaia nie ausgesetzt. Die beiden ersten Jahre in Rot waren dank Jack Miller äußerst locker und auch mit Enea Bastianini entwickelte sich mit der Zeit eine entspannte Atmosphäre. Das wird mit Marquez definitiv anders werden. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die beiden Alphatiere vor laufenden Kameras miteinander albern oder sich gegenseitig bei der Arbeit helfen.

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Francesco Bagnaia und Marc Marquez sind bereits aneinander geraten Zoom
Viel eher erwarte ich eine Situation wie bei Valentino Rossi und Jorge Lorenzo im Yamaha-Werksteam. Oder an das Formel-1-Teamduell bei McLaren Ende der 1980er, als Alain Prost und Ayrton Senna zu regelrechten Erzfeinden wurden. Das Ducati-Teamduell im kommenden Jahr könnte für ähnlich brisante Szenen sorgen.

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Lockere Stimmung bei Ducati: Enea Bastianini und Francesco Bagnaia harmonieren gut Zoom
Formel-1-Mastermind Ross Brawn besuchte die MotoGP in Mugello und wurde vor der Bekanntgabe auf die Situation bei Ducati angesprochen. Sein Ratschlag an die Ducati-Verantwortlichen lautete mehr oder weniger, mit Enea Bastianini weiterzumachen und mit Bagnaia eine klare Nummer 1 zu etablieren. Die Kräfte zu bündeln wäre mit Blick in die Zukunft vielleicht keine schlechte Idee gewesen. Zumindest wäre dann der teaminterne Frieden sicher.
Francesco Bagnaia hat Sepang 2015 nicht vergessen
Ein friedliches Miteinander würde mich aber überraschen. Auch die Vergangenheit der zukünftigen Ducati-Teamkollegen lässt erahnen, dass die Stimmung im besten Fall angespannt sein wird. VR46-Schützling Bagnaia weiß, was Marquez seinem Mentor angetan hat. Sepang 2015 lässt sich bei keinem der VR46-Piloten auslöschen.

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Marc Marquez und Valentino Rossi werden in diesem Leben keine Freunde mehr Zoom
Auch Bagnaias Äußerungen in Richtung Alex Marquez am Freitag lassen tief blicken. Es ist offensichtlich, was der amtierende Champion vom spanischen Brüderpaar hält. Nach der Szene im Training bezeichnete er den jüngeren Bruder seines neuen Teamkollegen abfällig als "Showman".
Wird Ducatis MotoGP-Programm geschwächt?
Mit Jorge Martin und Enea Bastianini verliert Ducati im kommenden Jahr zwei Spitzenfahrer. Zudem ist offen, ob das wichtigste der drei Satelliten-Team zur Konkurrenz wechselt. Auch wenn Yamaha aus sportlicher Sicht ein Rückschritt ist, scheint Pramac vor allem auf Grund der finanziellen Vorzüge und der mittelfristigen Perspektive durchaus Interesse zu haben.
Und so verrückt ist der Wechsel schlussendlich gar nicht, wenn man sich an die damals sehr riskante Entscheidung von Tech 3 erinnert, die siegfähige Yamahas gegen nicht konkurrenzfähige KTMs eintauschten. Mittlerweile hinterfragt niemand mehr Herve Poncharals Entscheidung von 2018/2019.

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Die Top 3 in Mugello: Zwei der drei Fahrer verlassen Ducat am Jahresende Zoom
Mein Gefühl sagt mir, dass es für Ducati in der Zukunft nicht mehr so einfach sein wird, die kompletten Top 3 oder Top 5 zu belegen. Dafür fehlt der starke Unterbau, der am Ende der Saison 2024 teilweise zusammenbricht. Und wer weiß, ob die internen Meinungsverschiedenheiten drastischere Folgen haben und weitere Ingenieure zur Konkurrenz treiben.
Wie ist Ihre Meinung bezüglich der jüngsten MotoGP-Transfermeldungen? Teilen Sie mir Ihre Sichtweise auf Facebook unter "Sebastian Fränzschky - Motorsport-Journalist" mit. Dort gibt es meine Texte, Insiderinfos, Meinungen und Einschätzungen zu aktuellen Themen. Und natürlich die Möglichkeit, diese Kolumne zu diskutieren!
Sportliche Grüße,


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