"Ich bin so glücklich - ausgerechnet hier!": Zarco lässt Frankreich jubeln

Nach 71 Jahren gewinnt wieder ein Franzose sein Heimrennen - Mit dem richtigen Reifenpoker und einer fehlerfreien Fahrt schreibt Johann Zarco Geschichte

(Motorsport-Total.com) - Johann Zarco hat mit der richtigen Reifenstrategie den Grand Prix von Frankreich gewonnen. Sein LCR-Honda-Team lag komplett richtig und wählte für den Start Regenreifen. Zarco blieb der Strategie treu und folgte am Ende der Besichtigungsrunde nicht den anderen Fahrern in die Box, um auf das zweite Motorrad mit Slicks zu wechseln.

Titel-Bild zur News: Johann Zarco

Johann Zarco hat sich in den Geschichtsbüchern verewigt Zoom

"Wir sind in Le Mans - da kann man davon ausgehen, dass es regnet", lacht Zarco. "Und wir wussten seit ein paar Tagen, dass diese Regenwolke kommt. Es wurde angekündigt, und als wir gesehen haben, dass sie näher kam, war klar: Okay, sie wird da sein."

"Aber während ich fuhr, konnte ich die Wolken beobachten - sie waren noch nicht da. Ich schätze, während des Rennens hat es nicht so stark geregnet, wie man es hätte erwarten können, aber genug, um mit Regenreifen zu fahren. Und das war die richtige Entscheidung."

Großes Glück hatte Zarco direkt nach dem Start in der Dunlop-Schikane. Enea Bastianini (KTM) krachte in die Seite von Francesco Bagnaia (Ducati). Joan Mir richtete in dieser Kettenreaktion seine Honda auf und es kam zum seitlichen Zusammenprall mit Zarcos Maschine.

Der Franzose berichtet: "Ich habe am Start viel Zeit verloren, weil ich keine Holeshot-Systeme verwenden wollte. Ich wusste nicht genau, wie ich in die erste Kurve bremsen sollte - also bin ich auf Nummer sicher gegangen."

"Ich habe außen in die Schikane eingelenkt, und dann ist in der Mitte etwas passiert. Mir hat das Motorrad aufgerichtet und ich bin heftig mit ihm zusammengestoßen. Meine linke Hand wurde dabei vom Lenker geschlagen und ich bin geradewegs ins Kiesbett gefahren."

"Danach war aber alles in Ordnung. Mein Lenker war im Bereich der elektronischen Bedienelemente etwas beschädigt, aber es reichte noch zum Fahren. Und da habe ich mir gesagt: Du hast viel verloren - jetzt einfach abwarten. Das war quasi die Situation in der ersten Runde."

Mir ist bei dieser Kollision gestürzt und musste ins Krankenhaus. Dort wurde ein Bruch in seiner rechten Hand diagnostiziert. Außerdem klagte er über Nackenschmerzen, wie Honda in einer ersten Information mitteilte.

Sorge vor einer Attacke von Marc Marquez

Nach der ersten Runde war Zarco nur an der 17. Position. In den ersten Runden waren Slicks schneller. Deswegen beobachtete Zarco vor allem einen Fahrer, der ebenfalls mit Regenreifen gestartet war: Jack Miller.

"Ich habe versucht, die Regenreifen zu schonen, denn die Strecke war zu Beginn noch recht trocken. Aber mit Regentropfen und Fahrern mit Slicks wusste ich: Da wird was passieren. Ich wusste, dass Jack bei solchen Bedingungen stark sein würde."

"Und als Jack gestürzt ist, begann ich zu glauben, dass ich dieses Rennen gewinnen kann." Fahrer wie Fabio Quartararo (Yamaha) und Brad Binder (KTM) rutschten auf der nasser werdenden Strecke mit Slicks aus.

Immer mehr Fahrer entschieden sich für den Wechsel zurück auf das andere Motorrad mit Regenreifen. Das spülte Zarco in der achten Runde an die Spitze des Feldes. Sein Vorsprung auf Marc Marquez (Ducati) betrug knappe zehn Sekunden.

"Ich hatte Angst, als Marc auf Regenreifen gewechselt hat", gibt Zarco zu, "denn er war am Anfang schneller als ich. Aber ich glaube, er kam auch an die Grenze der Regenreifen und konnte nicht mehr viel zulegen."

"Mein Vorsprung war groß genug, um die Situation zu kontrollieren. Das ist einfach fantastisch. Manchmal musst du dir den Sieg regelrecht holen - heute musste ich einfach nur Runde für Runde abwarten, bis er da war. Und das macht es sehr besonders."

Ein Sieg für die Geschichtsbücher

120.000 französische Fans jubelten über den Heimsieg. Zum ersten Mal seit dem Jahr 1954, als Pierre Monneret in Reims gewonnen hat, siegte wieder ein Franzose bei seinem Heimrennen in der Königsklasse. Für Zarco war es der zweite MotoGP-Triumph.

"Für mich ist dieser Sieg einfach fantastisch. Ich bin so glücklich, meinen zweiten MotoGP-Sieg eingefahren zu haben - und dass es ausgerechnet hier war, macht es noch spezieller. Wenn man die Ehrenrunde dreht und all diese Zuschauer sieht."

"Sie haben meinen Namen schon seit Mittwoch gerufen - Donnerstag, Freitag ... sie haben mehrfach die Marseillaise gesungen, manchmal zu oft. Man bekommt fast Angst, dass man sie zu früh singt und es dann nicht mehr klappt."

"Was mich auch sehr freut, ist, dass mein Name nun in den Geschichtsbüchern steht - als französischer Fahrer, der den Heim-GP gewonnen hat. Ich bin sehr stolz, weil ich die Geschichte des Motorradsports liebe. Ich kenne die großen Namen und habe viele alte Rennen gesehen."

"Und dann noch Honda - Alex Rins kam zu mir und meinte: 'Du hast mir geklaut, der bisher letzte Honda-Sieger zu sein.' Und ich sagte: 'Das stimmt.' Und als er das sagte, war ich sogar ein bisschen stolz, weil ich es bis zu diesem Moment gar nicht realisiert hatte."

Zarco will ins Honda-Werksteam wechseln

Im Laufe des Le-Mans-Wochenendes wurde auch bekannt, dass Honda erste Gespräche mit Zarco und Luca Marini für eine Vertragsverlängerung für 2026 begonnen hat. Zarco hegt den Wunsch, von LCR ins Werksteam zu wechseln.

Wie sieht er seine Chancen nach diesem Sieg? "Die Gespräche mit Honda verlaufen sehr gut - bereits vor dem Sieg. Denn die Arbeit, die ich mache, und das Gefühl, das ich mit dem Team habe - wir sind alle sehr zufrieden. Ich weiß, dass ich bei Honda bleiben werde."

"Jetzt müssen wir nur noch entscheiden, wie es genau weitergeht. Ich warte darauf, wie sich Honda die Zukunft konkret vorstellt. Auch mit Lucio [Cecchinello] sprechen wir sehr offen. Wir haben die volle Unterstützung von Honda - auch bei LCR."

"Aber klar: Ein Sieg kann dem Ganzen noch einen zusätzlichen Schub geben. Mal sehen. Die Gespräche sind jedenfalls sehr positiv - es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit." Honda muss entscheiden, in welchem Team man Zarco künftig platzieren will.

Für ihn war der Sonntag noch aus einem anderen Grund etwas ganz Besonderes, denn seine Eltern waren vor Ort. Das ist nämlich sehr selten der Fall, vor allem seine Mutter war schon sehr, sehr lange nicht mehr bei einem Grand Prix.

"Ja, zum ersten Mal in 17 Jahren Rennsport habe ich sie gebeten zu kommen. Ich habe gesagt: Du musst die französischen Fans sehen, wie sie mich unterstützen. Also kam sie mit meinem Vater. Jetzt, da sie es einmal gesehen haben, können sie die nächsten Rennen wieder von zu Hause aus genießen."