Diskussion über Druck im Vorderreifen: "Es gibt Regeln, aber keine Strafen"
Die MotoGP-Fahrer beschreiben das komplexe Thema Druck im Vorderreifen und die Variablen - Regeln wären wichtig, aber Strafen fänden sie nicht unbedingt angebracht
(Motorsport-Total.com) - Seit dem Grand Prix von Spanien in Jerez ist das Thema Druck im Vorderreifen ein Thema in der Öffentlichkeit. Tricksen einige Teams und fahren mit zu wenig Druck, um einen Vorteil zu erhalten? Da es im Reglement keine explizite Strafe gibt, wurde von Disqualifikationen bisher abgesehen.

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Jerez: Bagnaia gewann mit zu niedrigem Vorderreifendruck vor Quartararo Zoom
Das wird auch für die restliche Saison 2022 gelten. Im Hintergrund wird an einem neuen Protokoll für das nächste Jahr gearbeitet. Man hat sich mit der FIM bereits darauf verständigt, dass alle die gleichen Sensoren und Messgeräte verwenden müssen, damit es vergleichbare Daten gibt.
Aber wie sehen die Fahrer das Thema Druck im Vorderreifen? "Es gibt Regeln, aber keine Strafen", sagt Routinier Andrea Dovizioso (RNF-Yamaha) und kommt zu dem Schluss: "Deshalb kann man derzeit praktisch machen was man will."
Ein schwieriger Spagat für die Teams
Die Teams müssen vor dem Rennstart einen schwierigen Spagat überlegen. Wenn ein Fahrer das Feld anführt, dann gibt es genug Kühlung und der Druck im Vorderreifen bleibt niedrig. Steckt man im Verkehr, steigt der Druck und die Temperatur des Vorderreifens.
Deshalb stehen die Ingenieure vor einem Dilemma. Setzt man den Druck im Vorderreifen vor dem Start nicht zu niedrig an und dann steckt ein Fahrer nach einem vielleicht schlechten Start im Verkehr, wird der Druck im Vorderreifen zu hoch und der Fahrer bekommt Handlingprobleme.
"Es ist für den Crewchief schwierig vorherzusagen", sagt Francesco Bagnaia (Ducati) und spricht seinen Start-Ziel-Sieg in Jerez an: "Ich habe gelesen, dass ich in einer illegalen Situation war. Aber seit dem Saisonbeginn wären 18 Fahrer illegal gefahren. Niemand hat eine Strafe bekommen."
Fabio Quartararo der gleichen Meinung wie Bagnaia
Um Erfahrungswerte zu sammeln, herrscht Transparenz. Michelin teilt mit den Teams und der FIM nach einem Rennen die Reifendrücke aller Fahrer. In Jerez fuhr Fabio Quartararo (Yamaha) das ganze Rennen hinter Bagnaia.

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Quartararo gibt zu: In Portimao hat er mit zu niedrigem Vorderreifendruck gewonnen Zoom
Der Weltmeister beschuldigt Ducati nicht, den Mindestdruck unterschritten zu haben: "Mir ist das in Portugal passiert. Ich war dort das ganze Rennen mit einem zu niedrigen Druck unterwegs. Aber wenn man dahinter ist, dreht sich das um und der Reifendruck steigt stark."
Marc Marquez: Aerodynamik spielt eine Rolle
Die Fahrer sind sich einig, dass der Druck im Vorderreifen wichtig ist, aber nicht das entscheidende Kriterium. "Ein niedriger Druck im Vorderreifen bedeutet nicht eine bessere Performance", hält Marc Marquez (Honda) fest. "Manchmal ist es sogar schlechter."

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Der Druck im Vorderreifen hängt auch stark von der Rennsituation ab Zoom
"Mit der Aerodynamik und der Philosophie, in die sich die MotoGP entwickelt, werden Überholmanöver immer schwieriger", nennt Marquez einen Grund. "Es wird auch schwieriger, hinter jemandem zu fahren. Das macht es auch für den Druck im Vorderreifen kritischer."
"Fährt man alleine, nutzt man seine Aerodynamik für das Turning und man übt nicht so viel Druck auf den Vorderreifen aus. Fährt man hinter einem anderen Motorrad, dann fehlt der Abtrieb. Man bringt mehr Druck auf das Vorderrad und der Druck im Vorderreifen steigt."
Da es ein sensibles Thema ist, arbeiten die Parteien im Hintergrund zusammen, um für 2023 eine praktikable und faire Lösung zu finden. Auf einheitliche Sensoren hat man sich geeinigt. Im nächsten Schritt geht es um mögliche Strafen, wenn der Mindestdruck unterschritten wird.
Andrea Dovizioso: "Man kann aktuell tun was man will"
"Daran wird gearbeitet", sagt Dovizioso. "Ich denke, wir hätten bereits für dieses Jahr eine Regel gehabt, aber ich weiß nicht, was dann passiert ist. Aber so ist die Situation. Seit dem ersten Rennen heißt es, dass es keine Strafe gibt."

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Laut Andrea Dovizioso kann man mit dem Reifendruck machen was man will Zoom
"Also brauchen wir darüber eigentlich gar nicht sprechen. Die Regeln sagen, dass man nicht 50 Prozent unter dem Mindestdruck fahren darf. Aber wenn man es macht, dann macht es keinen Unterschied", bringt es der Routinier auf den Punkt. "Es gibt keine Regeln. Das ist nicht gut."
"Man kann tun was man will. Es hängt mehr vom Hersteller ab, wie viel man riskieren kann. Mich überrascht es nicht, wenn wir nach den Rennen die Reifendrücke sehen. Es betrifft nicht immer die gleichen Fahrer. Das ändert sich in jedem Rennen und ist schwierig zu managen."
"Jeder spielt mit dem Reifendruck", ist sich Dovizioso sicher. "Wenn man sich die Daten von allen Rennen ansieht, dann befanden sich viele Fahrer außerhalb der Regeln. Meiner Meinung nach wäre es besser für die Meisterschaft, wenn es klare Regeln gäbe."
Jack Miller: "Geht nicht um Performance-Vorteil"
In der Moto2-Klasse sind die Regeln strenger. Quartararo gewann im Jahr 2018 in Motegi (Japan). Allerdings wurde er damals disqualifiziert, weil der Druck im Hinterreifen um 0,02 Bar unter dem vorgeschriebenen Wert gelegen hat.

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Für die Moto2 findet Jack Miller Strafen bei Vergehen des Reifendrucks angebracht Zoom
"In der Moto2", meint Ducati-Fahrer Jack Miller, "finde ich die Regel notwendig, denn es ist praktisch eine Einheitsklasse. Deshalb versucht man jeden noch so kleinen Vorteil zu nutzen." Anders bewertet das der Australier für die Königsklasse.
Wäre es ein Problem, wenn es Strafen gäbe, wenn sich der Reifendruck außerhalb definierter Werte befände? "Das wäre natürlich wieder ein Querschuss für unsere Arbeit, den wir nicht unbedingt brauchen", findet Miller.
"Bei uns geht es nicht um einen Vorteil, sondern wir versuchen den Reifen im korrekten Fenster zu fahren. Es hängt vom Rennverlauf ab, ob man in dieses Fenster kommt oder nicht. Wir machen das nicht, um einen Performance-Vorteil zu erhalten, sondern um keinen Nachteil zu haben."


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