Cal Crutchlow: Vom Radwäscher zum MotoGP-Sieger
Cal Crutchlow blickt in einer Kolumne auf seinen sensationellen Sieg in Brünn zurück - Mit Silverstone wartet nun das besondere Heimrennen für alle britischen Fans
(Motorsport-Total.com) - Es war eine surreale Woche, seit ich mein erstes MotoGP-Rennen in Brünn gewonnen habe. Ich hatte schon mehrmals erwartet, dass es passieren würde, bevor es dann tatsächlich geklappt hat. Aber im Endeffekt ist es mir egal, wann der Sieg gekommen ist - jetzt war es der Fall. Wir waren definitiv schon früher nahe dran. Ich hatte das Gefühl, dass der Sachsenring 2013 eine verpasste Gelegenheit war, weil ich Valentino Rossi nicht früh genug für Platz zwei überholt habe und Marc Marquez jagen konnte. Als ich es tat, holte ich stark auf Marquez auf, aber dann gingen mir die Runden aus und mir fehlten zwei Sekunden.

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In Brünn schlug die große Sternstunde von Cal Crutchlow Zoom
In diesem Jahr habe ich am Sachsenring einen Fehler beim Motorrad-Wechsel gemacht, als die Strecke abtrocknete, aber das ist auch vielen anderen Fahrern passiert und ich bin immer noch Zweiter geworden. Ich bin glücklich, dass es jetzt endlich geklappt hat und freue mich besonders für meinen Teamchef Lucio Cecchinello. Lucio hat in den vergangenen Jahren sehr hart dafür gearbeitet, seit 2006 ist er in der MotoGP. Es ist großartig, ihm den ersten Sieg beschert zu haben.
In Brünn trafen wir die perfekte Entscheidung. Ich bin bei diesen Bedingungen nur gecruist. Aber trotzdem hatte ich erst das Siegergefühl, als ich in der letzten Runde bergauf Richtung Kurve 13 fuhr. Wenn du von der trockenen Linie auf die nassen Stellen gekommen bist, war es schon schwierig. Vier Runden vor Rennende bin ich beinahe in Kurve 10 gestürzt. Ich bremste zu tief in die Kurve und stand auf der Hinterradbremse, damit ich nicht auf meinem Kopf lande. Erst als ich zum letzten Mal den Hügel hinauffuhr, dachte ich mir, dass ich selbst bei einem Fehler durch die Boxengasse fahren und es trotzdem schaffen werde!
Aber das war nicht notwendig. Es war ein sensationeller Moment, als ich über die Ziellinie gefahren bin. Es war das beste Gefühl meiner Karriere. Meine Frau Lucy hat mir erzählt, dass unsere Tochter Willow daheim das komplette Rennen verschlafen hat. Nach dem Rennen habe ich viele tolle Nachrichten erhalten. Es war unglaublich, dass die lange Wartezeit für die britischen Fahrer zu Ende gegangen ist. Und dass ich jetzt im gleichen Satz mit Barry Sheene erwähnt werde, ist eine große Ehre für mich.
Radwäscher für Colin Edwards!
Außerdem war das Timing vor dem Britischen Grand Prix in Silverstone am kommenden Wochenende perfekt. Das ist immer ein ganz besonderer Grand Prix. Wir Fahrer sagen immer, dass es keinen Unterschied macht, aber das muss man tun, weil es dein Heimrennen ist. Man hat viel mehr zu tun als normalerweise, man trifft viel mehr Leute. Aber gibt man deswegen mehr? Ich glaube nicht. Wenn man in einem Zweikampf ist und die Chance hat, einen Platz gutzumachen und man in der letzten Runde ist, dann gibt man vielleicht etwas mehr. Aber generell attackiert man so hart wie immer.

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Großer Erfolg: 2010 gewinnt Crutchlow in Silverstone beide Superbike-Rennen Zoom
Obwohl auch mein Vater Rennen gefahren ist, habe ich erst relativ spät angefangen. Meine lokale Rennstrecke war der Mallory Park. Donington und Silverstone waren innerhalb einer Stunde erreichbar. Auch Oulton Park war nur eine Stunde und 15 Minuten entfernt. Ich habe es genossen, in Mittelengland aufzuwachsen. Ich hatte dort eine gute Kindheit und als ich mit dem Rennsport begonnen habe, war es perfekt.
Mein erster Besuch in Silverstone war vermutlich ein Rennen der Superbike-WM. Das war lustig, denn dabei waren Tom Sykes, Craig Jones und ich. Wie hatten damals diese Akademie, die ACU Akademie für junge britische Fahrer. Tom und ich haben für Colin Edwards die Räder gesäubert. Das war unser Job für das Wochenende und es regnete die ganze Zeit. Deswegen haben wir ständig die Räder geputzt. Ich war damals 15 oder 16 und bin erst etwas später auf dieser Strecke gefahren.
Heim-Grand-Prix: Stürze und Enttäuschungen
Seit damals habe ich fantastische Erfolge in Silverstone gefeiert. Ich gewann 2006 die Britische Supersport-WM und 2010 habe ich beide Rennen der Superbike-WM gewonnen. An jenem Wochenende fühlte ich mich sehr gut. Eigentlich ist es witzig, denn die Rundenzeiten sind nicht so anders als wir jetzt mit der MotoGP fahren. Es war damals ein großes Wochenende.

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2011: Wegen Verletzung verpasst Crutchlow sein Heimrennen Zoom
In der Britischen Superbike-Meisterschaft habe ich nicht gewonnen. Ich glaube, ich habe geführt, aber Leon Camier hat gewonnen. Ich bin dennoch einige gute Rennen gefahren und hatte eine gute Zeit. Nur in der MotoGP ist es noch nicht für mich gelaufen, es ist eine gemischte Bilanz. Meinen ersten Heim-Grand-Prix habe ich 2011 verletzungsbedingt verpasst. 2012 stürzte ich und brach mir den Knöchel. Wenn ich etwas schneller gestartet wäre, dann hätte ich es auf das Podium schaffen können, obwohl ich von ganz hinten losfuhr. Ich kam zu spät auf Tempo und wurde Sechster.
2013 qualifizierte ich mich in der ersten Startreihe, aber ich hatte an jenem Wochenende zu viele Stürze und wurde am Ende Siebter. Es war ein enttäuschendes Rennen. Ich war damals so oft im Krankenhaus, dass es im Rennen einfach nicht geklappt hat. Mit der Ducati bin ich gecruist und konnte nichts tun. Ich hatte einige Probleme an jenem Wochenende und es hat nicht funktioniert.
Silverstone nicht die beste Motorrad-Strecke
Und im Vorjahr denke ich, dass ich gewinnen hätte können, aber es hat nicht geklappt. Ich war im Nassen und im Trockenen konkurrenzfähig. Im Regen machte ich einige gute Manöver und kam von Platz neun auf vier nach vor. Ich fühlte mich gut, bis es zwischen Jack Miller und mir zu einer Berührung kam. Aber so ist das Leben. Diese Dinge passieren und man muss sie abhaken und am nächsten Wochenende wieder 100 Prozent geben.

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Home of British Motorracing: Silverstone ist vor allem eine Formel-1-Strecke Zoom
Als Rennstrecke mag ich Silverstone nicht besonders, aber ich weiß nicht warum. Die letzten Kurven sind am besten und das neue Layout ermöglicht mehr Überholstellen. Ich bin aber nicht der einzige Fahrer, der sagt, dass es keine sehr gute Strecke ist. Vor allem wenn man von Brünn kommt. Für uns ist die Strecke nicht besonders gut - für die Formel 1 ist sie fantastisch. Ich mag die Formel 1, aber für ein Motorrad ist die Strecke nicht besonders geeignet. Sie machen es aber sehr gut und sorgen das gesamt Wochenende für Spektakel.
Man muss das Motorrad für die schnellen Kurven abstimmen. Es gibt Kurven im ersten Gang mit 40 km/h, aber auch einige im fünften Gang. Man ist besser dran, wenn man das Setup für die schnellen Kurven und die Richtungswechsel optimiert. So arbeite ich mit der Honda. Die Yamaha war auf dieser Strecke spektakulär. Generell geht es beim Setup um diese schnellen Richtungsänderungen und dass man gut auf die Geraden beschleunigen kann. Auf der Gegengeraden kann man am Ausgang der Schikane eine Zehntelsekunde gewinnen, aber wenn man es richtig macht, kann man auf der Geraden drei Zehntel finden.
Mit unserem Bike ist es ein schwieriges Jahr. Marc, Dani Pedrosa und ich fahren besser als im Vorjahr, aber wir sind nicht annähernd so konkurrenzfähig. Im vergangenen Jahr war unser Motorrad in Silverstone konkurrenzfähig, etwas besser als auf Strecken wie Brünn, weil wir in den schnelleren Abschnitten konkurrenzfähiger sind. Durch viele Kurven rollt man durch, also fallen unsere Schwierigkeiten bei der Beschleunigung nicht so stark ins Gewicht. In Silverstone gibt es auch nicht viele Stellen, wo Wheelies auftreten.
Es sind noch sieben Rennen zu fahren und es gibt nicht mehr viel, das wir verbessern können. Ich glaube, dass einige Wochenenden schwierig sein werden. Trotzdem geben wir 100 Prozent, denn wir wissen, dass wir schnell und konkurrenzfähig sind. Andere Leute haben momentan ein besseres Paket als wir.
Wenn ihr an diesem Wochenende nach Silverstone kommt, dann würde ich sagen, ihr müsst euch die letzten beiden Kurven ansehen, Luffield und Woodcote der MotoGP-Strecke. Dort ist es etwas Besonderes, denn es ist die beste Überholmöglichkeit und die Atmosphäre ist auch großartig. Ich bin natürlich voreingenommen, denn bei meinem Superbike-Sieg wurde ich toll empfangen. Ich konnte in der letzten Runde die Fans hören. Ich lüge nicht, wenn ich das sage. Oft werde ich gefragt, ob man das Publikum hören kann - aber das kann man nie. In der letzten Runde beim Grand Prix 2012 war es auch der Fall, als ich meinen Knöchel gebrochen hatte und von hinten aufholte. Auf anderen Strecken hörst du solche Momente nie.
Euer,
Cal Crutchlow

