Baumgärtel: "Viel besser kann man es sich kaum vorstellen"

Alex Baumgärtel blickt auf eine erfolgreiche Saison zurück - Im Interview analysiert der Kalex-Konstrukteur die beiden kleinen Klassen und blickt auf die Zukunft voraus

(Motorsport-Total.com) - Für Kalex geht ein erfolgreiches Jahr zu Ende. Zum ersten Mal hat der Chassishersteller mit Sitz im deutschen Bobingen die Hersteller-Wertung in der Moto2-Weltmeisterschaft gewonnen. Außerdem wurde mit Pol Espargaro zum zweiten Mal nach Stefan Bradl der Fahrerweltmeister gestellt. 13 der insgesamt 17 Siege gingen an Kalex-Fahrer. In der Moto3 ging Kalex zwar leer aus, doch vor allem Jonas Folger mischte mit der Kalex-KTM oft im Spitzenfeld mit. Alexander Baumgärtel, der Mitgründer von Kalex-Engineering, analysiert im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' die abgelaufene Saison und und verrät interessante Details.

Titel-Bild zur News: Alex Baumgärtel

Alex Baumgärtel jubelt über den Sieg im berühmten Indianapolis Zoom

Frage: "Gratulation zum Weltmeistertitel in der Moto2-Klasse. War es aus eurer Sicht eine perfekte Saison?"
Alexander Baumgärtel: "Viel besser kann man es sich kaum vorstellen. Wir haben die ersten vier Plätze belegt und hatten die Möglichkeit, auch um die ersten fünf Plätze zu kämpfen. Das ist ein hervorragendes Ergebnis, mit dem man sehr zufrieden sein muss."

Frage: "Die Teams Pons und Marc VDS haben die Rennen gewonnen. Warum waren genau diese beiden Teams im Vergleich zum Rest so stark?"
Baumgärtel: "Auf der einen Seite ist es die Fahrerpaarung, kombiniert mit den Technikern. Man muss Italtrans auch dazuzählen. Nakagami konnte am Saisonende leider nicht so ganz die Performance wie am Saisonbeginn halten. Fahrerisch und technisch waren es die drei besten Teams."

Frage: "Gibt es eigentlich technische Unterschiede zwischen den Motorrädern der einzelnen Teams?"
Baumgärtel: "Nein. Es stehen allen Fahrern die gleichen Bauteile zur Verfügung."

Frage: "Pol Espargaro hatte vor allem in der ersten Saisonhälfte Schwierigkeiten, auch mit den Reifen. Konntet ihr ihm auf Chassis-Seite helfen?"
Baumgärtel: "Primär war es für Pol mehr ein psychologisches Thema als ein technisches. Er war auf manchen Strecken im Vorjahr schneller. Somit war es für ihn psychologisch schwierig zu verkraften. Natürlich haben wir versucht ihm technisch, auch mit der anderen Schwingenvariante, die wir über die Saison eingeführt haben, etwas mehr mechanischem Grip zu geben. Es war sozusagen auf beiden Seiten Arbeit nötig, um ihn nach vorne zu bringen."


Fotos: Moto2-Testfahrten in Almeria


Frage: "Obwohl es in der Moto2 einige Einschränkungen gibt, findet Entwicklung statt. Kannst du Details verraten, in welchen Bereichen die Entwicklung vorangetrieben wird?"
Baumgärtel: "Da geht es tatsächlich um den mechanischen Grip, damit der Fahrer ein Gefühl für das Vorderrad bekommt. Primär geht es von unserer Seite darum, dass wir die Steifigkeiten an die Gegebenheiten, die die Reifen zulassen, anpassen. Es geht hier um den Rahmen und die Schwinge. Dazu gibt es noch Updates bei der Kühlung und einige aerodynamische Teilchen. Das sind die Hauptbereiche. Außerdem gibt es noch die Hebelübersetzung, was die Stoßdämpfer angeht. Da hat man im Detail weitergearbeitet. Es sind kleine Bausteine, die den kleinen Unterschied ausmachen."

Frage: "Es fanden im November die ersten Wintertests statt. Wie sehen die Planungen für 2014 aus? Woran arbeitet ihr für das nächste Jahr?"
Baumgärtel: "Auch hier geht es um die Schwinge, den Rahmen, die Aerodynamik, den Tank und die Kühler. Das sind so die Hauptbereiche."

Alex Baumgärtel

Kalex zählt zu den erfolgreichsten Konstrukteuren in den kleinen Klassen Zoom

Frage: "Es geht also um Details?"
Baumgärtel: "Ja. Evolution statt Revolution."

Frage: "Werden die Rundenzeiten schneller werden?"
Baumgärtel: "Ja, sie waren schon beim Test schneller. Von daher haben die ersten Änderungen positiv gegriffen."

Frage: "Wie siehst du allgemein die Entwicklung der Moto2-Klasse? Mit den Einheitsmotoren von Honda scheinen alle zufrieden zu sein."
Baumgärtel: "Soweit ich weiß ist der Deal für die Honda-Einheitsmotoren bis 2015 fix. Was danach passiert, steht in den Sternen. Ich hoffe aber, dass es mit Einheitsmotoren weitergeht. Das hält die Klasse am Leben und bringt trotzdem guten Wettbewerb und spannende Rennen."

"Es ist eine sehr harte Klasse, in der sich sehr schnell die Spreu vom Weizen trennt." Alex Baumgärtel über Moto2

Frage: "Kannst du dir erklären, warum zu Beginn der Moto2 viele verschiedene Chassis-Hersteller dabei waren, aber nun die Klasse von Kalex und Suter dominiert wird?"
Baumgärtel: "Es waren bestimmt viele dabei, die das sehr sportlich gesehen haben. Es ist aber eine sehr harte Klasse, in der sich sehr schnell die Spreu vom Weizen trennt. Du musst kontinuierlich Qualität liefern. Man muss die Logistik im Griff haben. Natürlich muss man auch die Performance von seinem Produkt hoch ansiedeln. Da gehören wir sicher zu den professionellen Herstellern, genau wie Suter, Speed Up oder FTR, die zum Schluss noch übrig geblieben sind."

Frage: "Im nächsten Jahr steigen Pol Espargaro und Scott Redding in die Moto2 auf. Pons fährt im nächsten Jahr mit zwei Rookies (Luis Salom, Maverick Vinales; Anm. d. Red.). Glaubst du, wird sich das Team schwerer tun? Ist es sehr von den Fahrern abhängig?"
Baumgärtel: "Natürlich hängen wir sehr von den Fahrern und den Teams ab. Man muss sich das wie ein Getriebe vorstellen: Ohne den Fahrer ist das Team nichts, ohne das Team ist der Fahrer nichts, und ohne beiden sind wir als Hersteller nichts. Ob ein großes Gefälle kommt oder nicht, kann man in der Moto2 ganz schwer sagen. Zum Beispiel war für uns Rabat die Überraschung des Jahres. Er fährt künftig in einem anderen Team weiter für uns."

Pol Espargaro

Pol Espargaro holte für Kalex den zweiten Fahrertitel in der Moto2 Zoom

"Mit Lüthi haben wir einen starken Gegner, der mit viel Pech in die Saison gestartet ist. Er wird bestimmt stärker sein als dieses Jahr. Mit Nakagami, Kallio, aber auch die Rookies Folger, Vinales und Salom können für Überraschungen sorgen. Sandro Cortese geht in sein zweites Jahr. Er hat bereits einige starke Leistungen gezeigt, konnte es im Rennen aber noch nicht ganz rausholen. Es wird bestimmt wieder spannend."

Frage: "Du hast Sandro Cortese angesprochen. Das neu formierte Intact-GP-Team hat eine solide erste Saison abgeliefert."
Baumgärtel: "Absolut. Solide ist glaube ich das richtige Wort. Mit dem sechsten Qualifyingplatz in Brünn hat er schon sein Talent aufblitzen lassen. Dann hat er sich leider verletzt. Trotz seiner Verletzung hat er weiterhin gute Trainingsergebnisse gezeigt. Im Rennen hatte er etwas Pech, aber das kann man in der ersten Saison verdauen, und die positiven Dinge nach 2014 mitnehmen."

Moto3: Kein SIeg, aber positive Entwicklung

Frage: "Kommen wir zur Moto3. Die Saison ist nicht ganz so erfolgreich verlaufen. Es gab keinen Sieg. Wie fällt deine Bilanz aus?"
Baumgärtel: "Eigentlich im Großen und Ganzen recht positiv. In der Konstrukteursmeisterschaft wurden wir Zweiter, wenn auch mit großem Rückstand auf KTM. Mit dem Gewicht und der Größe von Jonas (Folger; Anm. d. Red.) waren wir sicher nicht mit Vorteilen gesegnet. Er konnte aber doch die meisten Pole-Positions seiner Karriere holen. Öttl hat als Rookie eine tolle Saison hingelegt und ist im letzten Saisondrittel fantastische Ergebnisse gefahren, angefangen mit Aragon. Dort konnte er wirklich um die Spitze kämpfen. Deshalb glaube ich, dass es keine so schlechte Saison war."

Jonas Folger

Jonas Folger war die Kalex-Speerspitze in der Moto3-Klasse Zoom

Frage: "Jonas war die Speerspitze. Warum konnte er als einziger von euren Fahrern Topzeiten hinlegen?"
Baumgärtel: "Er ist einfach der stärkste und erfahrenste Fahrer gewesen. Ich glaube es lag daran. Am Ende gab es leider die Geschichte mit Kiefer, die leider keine Punkte mitgenommen haben. Florian Alt hatte seine physischen Probleme durch seinen unglaublichen Wachstumsschub. Das war schwierig für diese Mannschaft. Jakub Kornfeil konnte sein bestes WM-Ergebnis einfahren. Für ihn war es auch das beste Ergebnis in der kleinsten Klasse."

Frage: "Gibt es eine technische Erklärung für die Probleme bei Kiefer, oder lag es an den Fahrern beziehungsweise dem Verletzungspech?"
Baumgärtel: "Ich glaube es ist die große Kombination. Florian hatte schon bei den ersten Tests Fieber und er hat sich leider schon früh die Hand gebrochen. Es ist für ihn wirklich dumm gelaufen. Ich wünsche ihm für die Zukunft alles Gute."

"Wir haben konstruktiv Platz für Leute bis 180 Zentimeter." Alex Baumgärtel

Frage: "Du hast die Körpergröße angesprochen. Wird das Motorrad in der kleinsten Klasse für eine bestimmte Körpergröße gebaut?"
Baumgärtel: "Wir haben eine gewisse andere Tendenz als unsere Mitbewerber. Wir haben in beiden Klassen relativ viel Platz auf den Motorrädern. Die Jungs werden teilweise größer. Etwas kleiner zu machen ist einfacher, als nachträglich etwas zu vergrößern. Von daher haben wir konstruktiv Platz für Leute bis 180 Zentimeter."

Frage: "KTM hat alle Rennen gewonnen. Sie setzen auf ein anderes Konzept und verwenden einen Gitterrohrrahmen. Ihr verwendet ein ähnliches Konzept wie in der Moto2."
Baumgärtel: "Genau, wir verwenden einen Aluminium-Brückenrahmen. Da steckt unser Know-How drinnen. KTM hat klassisch den Gitterrohrrahmen. Jeder, der mit seinem Konzept mehr Erfahrung hat, sieht für sich einen Vorteil. Was final hinten draufsteht, steht auf einem anderen Blatt."

Einige Entwicklungen für 2014

Frage: "KTM hat die Saison dominiert. Ist das der Unterschied zwischen einem Werksengagement und einer kleineren Firma wie Kalex?"
Baumgärtel: "Ich würde behaupten, dass sie eine tolle Fahrerpaarung hatten. Natürlich hatten sie auch etwas mehr Budget, um mehr Tests durchzuführen als wir und die Konkurrenz. Da kann man sich natürlich ein paar Vorteile verschaffen."

Frage: "Im nächsten Jahr kommt auch Honda mit einem verstecken Werkseinsatz. Eigentlich sollte die Moto3 eine günstige Einsteigerklasse sein. Ist das generell gesehen der richtige Weg für diese Klasse?"
Baumgärtel: "Es wird natürlich schwierig, sobald die Werke involviert sind. Es ist finanziell natürlich schwierig, auf so einem hohen Niveau mitzuspielen. Ich denke trotzdem, dass wir die Möglichkeit haben um Siege zu kämpfen, wenn wir die Kombination mit einem Topfahrer haben."

Frage: "Vor allem in Spanien werden Moto3- und Moto2-Motorräder eingesetzt. Ist das für euch ein gutes Geschäft? Gibt es Unterschiede zwischen der WM-Version und der Version für nationale Meisterschaften?"
Baumgärtel: "In der Spanischen Meisterschaft läuft ausschließlich gebrauchtes Material. Das ist sozusagen die Plattform, wohin die WM-Teams ihr Vorjahresmaterial verkaufen können. Deshalb ist es überhaupt kein Geschäft für Kalex. Natürlich gibt es Ersatzteilbedarf, aber der ist verschwindend gering, weil die Teams ihr Material komplett aussondern. Wir versuchen diese Plattform zu unterstützen, indem wir im nächsten Jahr dort ein Service anbieten, damit es den Nährboden schafft, um den GP-Teams eine klassische Weiterverkaufsmöglichkeit zu bieten."


Fotos: MotoGP in Valencia, Girls


Frage: "In der Moto3 wird es einige Änderungen beim Chassis geben. In welche Richtung wird entwickelt?"
Baumgärtel: "Es ist eine neue Schwerpunktlage mit einer neuen Aerodynamikanpassung von Heck, Tank und Airbox. Es ist eine größere Änderung als bei der Moto2. Es haben über die Saison einige Änderungen gegriffen, die uns dazu bewogen haben eine Konzeptänderung zu machen. Das hat sich bei den Tests als positiv bewährt. Öttl hat das bei den Tests schon eingesetzt, aber auch Aspar. Livio Loi von Marc VDS ist damit in der Spanischen Meisterschaft gefahren. Wir konnten positive Änderungen feststellen."

Philipp Öttl

Philipp Öttl konnte in seiner Rookie-Saison sein Talent zeigen Zoom

Frage: "Welche Zielsetzungen hast du im nächsten Jahr für die kleinste Klasse?"
Baumgärtel: "So gut wie möglich mitzufahren. Wir wollen Öttl und unsere neuen Fahrer so gut wie möglich unterstützen. Was letztendlich dabei rauskommt, wird man sehen. Die kleine Klasse ist immer gut für Überraschungen. Luca Grünwald wird für Kiefer fahren. Gabriel Ramos hat sich in der Spanischen Meisterschaft bei seinem ersten Ritt auf der Kalex auch deutlich verbessert. Von daher hoffe ich, dass wir ein besseres Ergebnis als in diesem Jahr haben werden."

Frage: "Die Moto3 ist ihre zweite Saison gefahren. Wie siehst du die allgemeine Entwicklung der Klasse?"
Baumgärtel: "Im Prinzip sind die Rennen gut. KTM hat dominiert und in diese Phalanx wollen wir einbrechen. Drei der Topfahrer sind weg. Deswegen ist Platz für Überraschungen. Wenn Philipp seinen Schwung mitnehmen kann, dann hoffe ich, dass er permanent in die Top 10 fährt. Dann wird sich zeigen was sich ergeben kann. Natürlich ist es mit dem Pool-Motor - das heißt, dass die Motoren verlost werden - eine neutralere Geschichte, wobei ich sagen muss, dass wir von KTM äußerst fair und gut beliefert wurden. Alle Motoren waren von der Performance her gleich."

Frage: "Zum Abschluss eine Frage zur MotoGP. Das Forward-Team hat mit Yamaha und FTR ein Motorrad auf die Beine gestellt. Wäre es für Kalex denkbar, eine Rolle wie FTR zu übernehmen?"
Baumgärtel: "Wir waren mit Marc VDS und Pons ziemlich nahe an der Yamaha-Geschichte dran. Die Fahrerfrage war im Hintergrund aber schon geklärt. Das wäre aber für mich die Basis gewesen, wo es Sinn macht einzusteigen. Das hat sich dann eben zerschlagen und hat sich nicht ergeben. Aber was nicht ist, kann ja noch werden."

Frage: "Das heißt, wenn jemand mit einem interessanten technischen Paket kommt, wo dann auch die Finanzierung stimmt, würdet ihr MotoGP machen?"
Baumgärtel: "Ja. Aber das muss für uns gesichert sein. Einfach so aus dem Bauch heraus wäre es zu riskant."