Alex Baumgärtel erinnert sich: Ohne Sito Pons gäbe es Kalex in der Moto2 nicht

Alex Baumgärtel blickt zurück, wie Sito Pons Kalex eine Chance für den Moto2-Einstieg geboten hat - Parallelen zu Antonio Cobas - Ohne Pons gäbe es Kalex nicht

(Motorsport-Total.com) - 2023 ist eine große Ära in der Geschichte der Motorrad-Weltmeisterschaft zu Ende gegangen. Sito Pons hat sich im Alter von 64 Jahren zum Rückzug entschieden. Der Spanier war in den vergangenen 40 Jahren ein fester Bestandteil des Fahrerlagers. Seinen ersten Grand Prix hat Pons im Jahr 1981 bestritten.

Titel-Bild zur News: Sito Pons

Ex-Weltmeister Sito Pons gab Kalex 2010 als einziges Team eine Chance Zoom

Seine größten Erfolge feierte er Ende der 1980er-Jahre. Pons wurde im Jahr 1988 Weltmeister der 250er-Klasse und konnte den Titel in der nächsten Saison erfolgreich verteidigen. Nach zwei von Verletzungen geprägten Jahren in der 500er-Klasse beendete Pons seine aktive Karriere.

Aber er gründete unmittelbar darauf seinen eigenen Rennstall. Die Debütsaison 1992 war eines für die Geschichtsbücher. In Assen eroberte Alex Criville den ersten Sieg eines spanischen Fahrers in der 500er-Klasse. Pons entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem Topteam.

Fahrer wie Alberto Puig, Carlos Checa, Sete Gibernau, John Kocinski, Alex Barros, Loris Capirossi, Max Biaggi, Alex Barros und Troy Bayliss fuhren für Pons in der Königsklasse. Aber als Hauptsponsor Camel Ende 2005 ausstieg, musste er das Team vorübergehend zusperren.

2009 kehrte Pons in die 250er-Klasse zurück. Der Rennstall knüpfte sofort an alte Erfolge an. Hector Barbera wurde mit einer Aprilia Vizeweltmeister. Im Hintergrund wurden damals die Weichen für die neue Moto2-Klasse ab 2010 gestellt.

Die 600er-Einheitsmotoren von Honda standen fest. Es entbrannte ein großer Wettbewerb unter verschiedenen Chassis-Herstellern. Dabei waren auch Klaus Hirsekorn und Alexander Baumgärtel, die 2008 im bayerischen Bobingen die Firma Kalex Engineering gegründet hatten.

"Ich erinnere mich noch ziemlich gut. Es war Le Mans 2009, als Klaus und ich als absolute Nobodys ins Fahrerlager gekommen sind", blickt Baumgärtel gegenüber Motorsport-Total.com zurück. "Wir haben uns überall vorgestellt. Wir haben Türklinken geputzt."

"Wir wollten zeigen, welches Projekt wir vorhaben. Wir hatten einen Projektplan mit Meilensteinen, einen ausgedruckten Entwicklungsplan. So wie man es aus der Industrie kennt. Aber keiner hat es gelesen! Wirklich kein Teamchef", lacht Baumgärtel im Rückblick.

Valencia 2009: Pons und Kalex präsentieren das erste Motorrad Zoom

Aber Pons zeigte Interesse. "Wir haben es zumindest geschafft, dass er zu uns nach Bobingen kam und wir uns an einen Tisch setzen konnten, damit wir zeigen was wir vorhaben." Schließlich setzte Pons als erstes Team auf das Aluminium-Chassis von Kalex.

Erinnerungen an Antonio Cobas

Wie konnte Baumgärtel Pons überzeugen? "Er und Santi (Mulero, Chefmechaniker; Anm. d. Red.) haben wohl schon damals in den ersten Gesprächen etwas gespürt. Er hat mich dann mit Antonio Cobas verglichen."

"Ein Kaffee trinkender, rauchender, unter Anführungsstrichen etwas Verrückter. Sito war ja selbst mit einem non-brand, non-factory Chassis unterwegs. Scheinbar habe ich einen Spirit verteilt, wie er ihn früher auch mit Antonio Cobas hatte."

Pons hatte seine WM-Karriere in der 250er-Klasse mit Motorrädern von Cobas begonnen, die von Rotax-Motoren angetrieben worden sind. Cobas gilt als Erfinder des modernen Aluminium-Chassis. Pons eroberte 1982 in Imatra den ersten Podestplatz für Cobas und 1984 in Jarama den ersten Sieg.

Cobas betreute Pons auch beim Gewinn seiner beiden Weltmeistertitel mit Honda. Die beiden Spanier waren auch danach eng mit Pons verbunden. Cobas war ein wichtiges Mitglied des erfolgreichen Teams. Kurz vor dem Saisonauftakt 2004 verstarb Cobas.

Sergio Gadea

Sergio Gadea bei Testfahrten vor der Moto2-Premiere im Jahr 2010 Zoom

Baumgärtel glaubt, dass ihm Pons die Chance gegeben hat, weil er ihn an Cobas erinnerte: "Ich denke, es war eher der Spirit und das Vertrauen in die Person, als zu wissen was da wirklich kommt. Das wurde schon besiegelt, bevor wir Hardware hatten."

"Das war eine ganz coole Geschichte. Wir waren dann im November auch die Ersten, die fertig waren. Am Montag nach Valencia konnten wir schon fahren. Von da an war das eine sehr enge Verbindung und mittlerweile eine Freundschaft."

Somit hatte die deutsche Firma den Einstieg in die Moto2-Klasse geschafft. In der ersten Saison der neuen Klasse 2010 gelang dem Pons-Team in Mugello (mit Sergio Gadea) der erste Podestplatz. 14 Chassis-Hersteller sammelten in der ersten Moto2-Saison WM-Punkte.

Baumgärtel: "Ohne Pons wären wir auf der Straße gestanden"

Was wäre passiert, wenn Pons Kalex keine Chance gegeben hätte? "Dann wären wir wahrscheinlich finanziell tot irgendwo auf der Straße gelegen", meint Baumgärtel. "Es war eigentlich nur er. Eskil [Suter] hat natürlich eine riesige Reputation gehabt."

"Moriwaki auch, die ja gleich Weltmeister geworden sind." Kalex beendete die erste Moto2-Saison auf dem siebten Platz der Konstrukteurswertung. Hinter den Chassis von Suter, Moriwaki, Speed Up, Motobi, FTR und Tech3. Heute gibt es davon nur noch Speed Up.

"Ich habe in den ersten zwei Jahren alles von Santi gelernt, denn ich war nicht wissend, wie Motorradsport funktioniert", gibt Baumgärtel zu. "Ich habe nur gedacht, dass ich ein guter Ingenieur bin, der sich gute mechanische Bauteile einfallen lassen kann, die funktionieren."

2011 gab es dann zwei Teams mit Kalex-Chassis. Das Kiefer-Team entschied sich zum Wechsel von Sutur zum deutschen Produkt. Mit Erfolg. Stefan Bradl eroberte gleich beim Saisonauftakt in Katar den ersten Sieg. Am Ende jubelten Bradl, das Kiefer-Team und Kalex über den Weltmeistertitel.

Stefan Bradl, Alexander Baumgärtel

2011: Stefan Bradl und Alex Baumgärtel feiern den ersten WM-Titel für Kalex Zoom

Mittlerweile hat Kalex elfmal die Herstellerwertung gewonnen und hat seit Jahren fast alle anderen Hersteller aus der Klasse verdrängt. Nur das Speed-Up-Team von Luca Boscoscuro konnte in den vergangenen Jahren noch Rennen gewinnen.

Die Erfolge der deutschen Marke Kalex haben mit Sito Pons abgefangen, der sich nun aus dem Fahrerlager verabschiedet hat. "Alles hat ein Ende. Im Sport wird man immer gefordert. Ich verstehe es, aber es ist natürlich schade", sagt Baumgärtel. "Es war eine tolle Zeit, aber es geht weiter. Diese jahrzehntelange Erfahrung, die Sito und Santi mit mir geteilt haben, dafür werde ich ihnen ewig dankbar sein."