• 18.09.2009 10:56

  • von Stefan Ziegler

Alexander Rossi: "Es ist ein Shootout"

Nachwuchspilot Alexander Rossi im Interview mit 'Motorsport-Total.com' über seinen bevorstehenden Formel-1-Test und seine Saison in der Formel Master

(Motorsport-Total.com) - Nach seinem Sieg beim Formel BMW Weltfinale 2008 bestreitet Alexander Rossi derzeit seine erste Saison in Europa. Der junge US-Amerikaner hat sich in der Formel Master bereits seine ersten Sporen verdient, könnte aber schon bald den nächsten Schritt machen und zum Aufgebot des neuen US F1-Teams stoßen. Im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht Rossi über seine Erlebnisse in Europa und über seinen im Dezember anstehenden Test mit dem BMW Sauber F1 Team.

Titel-Bild zur News: Alexander Rossi

Daumen hoch: Alexander Rossi hat gute Karten auf ein Testcockpit in der Formel 1

Frage: "Alexander, wie bereitest du dich auf ein Rennen vor? Sitzt du vor dem Computer und drehst ein paar Runden in einem Rennspiel?"
Alexander Rossi: "Ich habe schon ein paar davon. Aber um ehrlich zu sein: Ich nutze sie gar nicht. Ich sehe darin keinen Vorteil. Ich lerne die Kurse immer anhand einer Streckenskizze. Anschließend kommt die Praxis. Ich brauche etwa sechs bis sieben Runden, dann bin ich mit einer neuen Rennstrecke vertraut. Zuvor läufst du natürlich einmal um den Kurs, sprichst mit deinem Ingenieur und prägst dir möglichst viel ein."#w1#

"Mein Teamkollege Erik war beispielsweise schon im vergangenen Jahr in Oschersleben unterwegs, so konnte er mir nun einige Tipps geben. Diese Informationen trägst du zusammen und dann geht es nur noch darum, es auf der Strecke umzusetzen. Du probierst verschiedene Linien und Bremspunkte aus, dann ist die Datenauswertung an der Reihe. Dabei bekommst du dann die entscheidenden Impulse, wie du deine Runde zusammenstellen musst."

"Das Auswendiglernen einer Strecke ist gar nicht einmal so schwierig." Alexander Rossi

Frage: "Dir reichen tatsächlich so wenige Runden, um die Strecke perfekt zu beherrschen?"
Rossi: "Das Auswendiglernen einer Strecke ist gar nicht einmal so schwierig. Es geht vielmehr darum herauszufinden, wo der beste Grip ist und welche Linien du wählen musst. Manche Kurven verlangen nun eben eine spezielle Linie und diese gilt es schnellstmöglich zu entdecken und auszunutzen. In jeder Runde gehst du die Sache daher etwas anders an, um die beste Lösung zu finden. Der Rest ist dann Puzzlearbeit."

Frage: "Wäre der zweite Rang in der Gesamtwertung der Formula Master ein Ergebnis, mit dem du zufrieden sein könntest?"
Rossi: "Ja, das wäre in Ordnung. In der Rookie-Wertung geht es ja sehr eng zu, doch der zweite Rang in der Gesamtwertung wäre schon klasse. Diese Saison hat sehr schwierig für mich begonnen. Ich wechselte die Teams. Da fragt man sich natürlich schon: Wie wäre das Jahr verlaufen, wenn ich gleich von Beginn an bei meinem aktuellen Team gefahren wäre? Abgesehen davon habe ich den zweiten Rang fest anvisiert und würde dieses Ziel gerne erreichen. Das wäre schon sehr zufriedenstellend."

Surtees-Unfall säht bei Rossi keine Zweifel

Frage: "Du hast vor kurzem ein Rennen der Formel Master in Spa-Francorchamps gewonnen. War das etwas Spezielles für dich?"
Rossi: "Aber klar. Das ist schon etwas sehr Besonderes. Andererseits war das an einem Sonntag und da gibt es nicht die volle Punktzahl. Das hat das tolle Gefühl etwas vermindert. Ein Sieg ist natürlich ein Sieg, bedeutet aber eben nicht zwangsweise eine gute Punkteausbeute. Deshalb will ich in dieser Saison unbedingt noch ein Samstagsrennen für mich entscheiden. Eine Gelegenheit habe ich noch: In Imola werde ich alles daran setzen, diese Hürde zu nehmen."

Alexander Rossi

Alexander Rossi möchte sich in diesem Jahr unbedingt noch einen Samstagssieg holen Zoom

Frage: "In Brands Hatch hatte Formel-2-Pilot Henry Surtees einen tödlichen Unfall. Beschäftigt dich diese Tragödie?"
Rossi: "Das hat mich schon sehr betroffen gemacht, denn schließlich war Henry auch ein Nachwuchspilot auf dem Weg nach oben. Er hat genau dasselbe gemacht wie ich und ist auf derselben Rennstrecke unterwegs gewesen wie ich. Das hat einem wieder einmal vor Augen geführt, dass es sich hierbei um einen gefährlichen Sport handelt. Außerhalb des Rennsports musst du einfach dankbar sein für jeden einzelnen Tag, den du genießen kannst. Dieser schwere Unfall war nicht zuletzt auch eine Erinnerung daran, dass man niemals absolute Gewissheit haben kann."

Frage: "Hast du deinen eigenen Karriereweg deswegen vielleicht hinterfragt?"
Rossi: "Nein. Das war einer dieser Zwischenfälle, der noch hundert Mal passieren hätte können, ohne dass dabei ein Pilot verletzt worden wäre. Der Unfallhergang war überaus unglücklich. Im Rennsport bist du naturgemäß einem gewissen Risiko ausgesetzt und wir alle sind uns dessen bewusst und stellen uns diesem Risiko. Dieses Ereignis ist sehr traurig und schockierend. Letztendlich ist der Rennsport aber genau das, was wir tun wollen und was wir lieben."

Mit dem Straßenwagen ins Formel-1-Cockpit?

Frage: "Das US F1-Team hat vor kurzem eine Fahrerevaluation durchgeführt und du hast daran teilgenommen. Kannst du beschreiben, was genau dabei vor sich ging?"
Rossi: "Das ganze fand in Großbritannien statt und wir verbrachten einige Tage mit den Fahrertrainern, die sie dort angestellt hatten. Es wurden zahlreiche junge amerikanische Fahrer evaluiert. Das hat sich aber nicht in Formelautos, sondern in Limousinen abgespielt."

"Das war einmal eine etwas andere Sichtung. Es ging darum, ein Vauxhall-Fahrzeug auf der Rennstrecke ans Limit zu bringen - keinen Rennwagen, sondern ein Straßenauto mit Standardeinstellungen. Es ging im Prinzip darum, die grundlegenden Techniken zu zeigen, die nötig sind, um ein normales Auto am Limit zu bewegen."

"Für irgendwelche Entscheidungen ist es noch zu früh. " Alexander Rossi

"Sie wollten sehen, wie man diese Aufgabe meistern und wie schnell man sich an die Gegebenheiten anpassen würde. Das lief recht gut und ich war sehr zufrieden damit. Ich denke, sie können ebenfalls recht zufrieden damit sein. Für irgendwelche Entscheidungen ist es aber noch zu früh. Dahingehende Pläne werden wahrscheinlich erst im November oder sogar erst im Dezember geschmiedet werden."

Frage: "Wie viele Fahrer waren dabei?"
Rossi: "Etwa sechs bis sieben Nachwuchspiloten in meinem Alter. Alle im Alter von 17 bis 21 und allesamt US-Amerikaner."

Frage: "Kennen wir diese Jungs?"
Rossi: "Da bin ich mir sicher (lacht; Anm. d. Red.)! Es handelt sich um Nachwuchspiloten. Manche davon haben europäische Rennerfahrung."

Spezielles Training vor dem Formel-1-Test

Frage: "Was sagt dir dein Gefühl? Denkst du, du kannst für das kommende Jahr auf den Platz als Testfahrer spekulieren?"
Rossi: "Ich denke schon. Gleichwohl muss man natürlich sagen, dass sich die Testarbeit in der Formel 1 in den vergangenen Jahren schwer verändert hat. Doch darüber wird im Augenblick ja diskutiert. Die FOTA unternimmt einige Anstrengungen in diesem Bereich. Eine Rolle als Testfahrer wäre durchaus positiv für mich und ich würde eine solche Gelegenheit mit offenen Armen annehmen. Dadurch kannst du sehr viele Erfahrungen in der Formel 1 sammeln. Das wäre genau das Richtige für mich."

Alexander Rossi

In Spa-Francorchamps wusste Rossi vor den Formel-1-Teams zu überzeugen Zoom

Frage: "Du wirst schon in diesem Jahr in einem Formel-1-Auto sitzen: Das BMW Sauber F1 Team ermöglicht dir einen Test zum Ende des Jahres. Freust du dich schon darauf?"
Rossi: "Ja, sehr natürlich. Darauf freue ich mich schon seit dem Gewinn des Formel BMW Weltfinals 2008. Das hast du immer irgendwie im Hinterkopf, andererseits habe ich mich in diesem Jahr auf meine Meisterschaft konzentriert. Ich habe mein Debütjahr in Europa absolviert und daher lag mein Fokus ganz klar auf der Formel Master. Nun verändere ich aber mein Trainingsverhalten, denn die Saison neigt sich langsam ihrem Ende zu und es stehen bald wieder einige Testfahrten an."

Frage: "Wirst du vor deinem Formel-1-Test ein spezielles Trainingsprogramm abspulen?"
Rossi: "Ja. Ich werde mit meinen Trainern ein etwa dreimonatiges Training durchführen. Dabei stehen natürlich die Nackenmuskeln und auch die Arme und die Beine im Vordergrund."

Jerez: Rossi vs. Gutierrez

Frage: "Dieser Test wird in Jerez stattfinden. Kennst du diesen Kurs bereits?"
Rossi: "Nein."

Frage: "Dann kommen da sicherlich wieder deine sechs bis sieben Runden ins Spiel..."
Rossi: "Nein (lacht; Anm. d. Red.). Diesen Test werde ich etwas anders angehen. Wir unterhalten uns im Augenblick mit einigen GP2-Teams, denn diese Serie hält unmittelbar davor ebenfalls eine Testsession auf diesem Kurs ab. Dadurch könnte ich sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ich könnte mich einerseits mit dem Kurs in Jerez vertraut machen und andererseits würde ich ein Fahrzeug mit reichlich PS kennen lernen. Das wäre eine optimale Vorbereitung. Das streben wir an."

"Es wird zwar nicht so genannt, doch es ist ein Shootout." Alexander Rossi

Frage: "Esteban Gutierrez wird ebenfalls eine Formel-1-Chance erhalten. Rechnest du mit einem kleinen Duell zwischen euch beiden?"
Rossi: "Na klar. Es wird zwar nicht so genannt, doch es ist ein Shootout. Es sind die beiden Fahrer, die man im vergangenen Jahr für die Spitzenleute in der Formel BMW hielt. Wir werden mit einer überaus fordernden Situation konfrontiert - und das in einem sehr guten Auto und auf einer schwierigen Strecke. Das ist definitiv ein Test und ein Shootout, wer von uns beiden der Schnellere sein wird."

Frage: "Beschäftigt es dich, dass BMW die Formel 1 verlässt?"
Rossi: "Nein. Es ist aber natürlich sehr enttäuschend zu sehen, dass sich ein Hersteller aus dieser Serie verabschiedet. Das ist eben ein weiteres Beispiel für die wirtschaftliche Lage. Ich denke, Sauber wird auch 2010 dabei sein. Ich hatte niemals den Eindruck, dass ich irgendwann einmal beim BMW Sauber F1 Team unterkommen würde. Das hat also keinerlei Einfluss auf meinen Test. Ich werde dort meine bestmögliche Leistung abliefern."