Zanardis nächstes Ziel: Indy 500

Paralympics-Held Alex Zanardi zieht nach seiner Goldmedaille einen Start beim Indy 500 in Erwägung - Jimmy Vasser und Chip Ganassi sind begeistert

(Motorsport-Total.com) - Alex Zanardi ist am Mittwoch wieder einmal über sich hinausgewachsen und hat seinen jahrelang gehegten Traum tatsächlich wahr gemacht: Der beinamputierte Italiener holte sich bei den Paralympics die Goldmedaille im 16-Kilometer-Zeitfahren mit dem Handfahrrad. Am Freitag (Straßenrennen) und am Samstag (Teamwettbewerb) greift der 45-Jährige erneut nach Edelmetall. Danach soll Schluss sein, wie er anklingen lässt.

Titel-Bild zur News: Alessandro Zanardi

Alex Zanardi feilt nach dem Triumph in Brands Hatch bereits an seiner Zukunft Zoom

Doch Zanardi wäre nicht Zanardi, wenn "Schluss" nicht gleichzeitig einen neuen Anfang bedeuten würde. Der Mann, der beim verheerenden Crash in der Schlussphase des German 500 der ChampCar-Serie am 15. September 2001 auf dem EuroSpeedway Lausitz dem Tod denkbar knapp von der Schaufel sprang und sich anschließend so bravourös ins Leben zurück kämpfte, hat bereits neue Pläne. Ganz "zufällig" dreht es sich bei diesen Plänen wieder einmal um das Thema Motorsport, konkret um den IndyCar-Saisonhöhepunkt: Die 500 Meilen von Indianapolis.

"Mein Kumpel Jimmy Vasser rief mich gestern Abend an und sagte, dass er mich beim Indy 500 in eines seiner Autos setzen wird, sollte ich die Goldmedaille gewinnen", offenbart Zanardi wenige Stunden nach seinem Paralympics-Triumph und fügt mit einem Grinsen hinzu: "Ich werde ihn wohl zurückrufen müssen und sagen: 'Jimmy, hier ist die Goldmedaille. Wie sieht es mit dem Auto aus?'"

Vasser und Ganassi wollen von einem Scherz nichts wissen

Was sich zunächst wie ein Scherz unter den beiden ehemaligen ChampCar-Teamkollegen anhört, hat durchaus einen seriösen Hintergrund. "Erst gestern erzählte er einem Reporter, dass er im kommenden Jahr das Indy 500 bestreiten möchte", wird Vasser seinerseits von 'Speed.com' zitiert. "Dabei machte er keine Witze und auch wir nehmen die Sache ernst. Ich werde ihn nächstes Jahr beim Indy 500 in ein Auto setzen müssen", erzählt der Teamchef von KV Racing, für den in der laufenden IndyCar-Saison Tony Kanaan - Zanardis Teamkollege aus der verhängnisvollen Saison 2001 - und sein ehemaliger Formel-1-Weggefährte Rubens Barrichello ins Lenkrad greifen.

Jimmy Vasser

Ex-Zanardi-Teamkollege Jimmy Vasser hat inzwischen sein eigenes Team KV Zoom

Es dauerte nicht lange, da bekam Chip Ganassi Wind von der Geschichte. Ganassi war es, für den Zanardi und Vasser in den Jahren 1996 bis 1998 ein überaus erfolgreiches Fahrergespann bildeten, das in drei ChampCar-Titeln (Vasser 1996 sowie Zanardi 1997 und 1998) gipfelte. "Ich sprach mit Chip darüber und er sagte, dass wir die Sache unbedingt durchziehen müssen, bevor jemand anderes auf die Idee kommt", so der KV-Teamchef, der sich eine Kooperation mit seinem ehemaligen Boss für das Indy 500 im Jahr 2013 sehr gut vorstellen kann: "Er (Zanardi; Anm. d. Red.) muss einfach für mich oder für Chip oder in einem gemeinsam eingesetzten Auto an den Start gehen. Das meine ich ernst." Sollte es tatsächlich zu diesem Szenario kommen, wäre es eine mit Sicherheit viel beachtete Rückkehr des einstigen Ganassi-Dream-Teams.

Trotz insgesamt vier Jahren in den USA (1996 bis 1998 sowie 2001) war Zanardi bisher nie beim Indy 500 am Start. Grund war der jahrelange unsägliche Split zwischen CART und IRL, der die ChampCar- und IndyCar-Teams in gegnerischen Rennserien antreten sah. Ganassi jedenfalls hat an der Zanardi-Idee Gefallen gefunden, wie er offenbart. "Ich würde es gern sehen, aber nicht, wenn er es mit einem anderen Team probiert. Im Moment sind das nur Überlegungen, aber ich bin sicher, dass wir eine Menge Unterstützung erfahren würden", so Zanardis Ex-Teamchef, der damit Vassers Meinung teilt.

Chip Ganassi

Ex-Zanardi-Teamchef Chip Ganassi findet an den Indy-Plänen von Alex Gefallen Zoom

Wie ernst es Ganassi meint, macht er damit deutlich, indem er in Bezug auf den Italiener hinzufügt: "Es ist Jahre her, dass er in einem Formelauto saß. Es würde nicht funktionieren, wenn wir ihn einfach an die Strecke holen und fahren lassen." Um in Indy schnell zu sein, brauche es laut Ganassi zunächst die entsprechende Fitness und alle notwendigen Vorbereitungen, bevor man überhaupt darüber nachdenken könne.

Umgebautes IndyCar dank der Kontakte zu Dallara?

An Zanardi selbst dürfte es jedenfalls zuletzt scheitern und auch auf technischer Ebene deuten sich Wege an, die einen IndyCar-Start des Italieners möglich machen könnten. Nach Informationen von 'Speed.com' wäre Chassis-Hersteller Dallara offenbar bereit, ein Auto auf Zanardis Anforderungen umzubauen. Die Kupplung und die Schaltung befinden sich beim Dallara DW12, dem aktuellen IndyCar-Chassis, ohnehin schon am Lenkrad.

Das Beispiel des umgebauten Reynard, mit dem der Italiener am 11. Mai 2003 seine eineinhalb Jahre zuvor versäumten 13 Runden auf dem EuroSpeedway nachholte, zeigt, dass sich auch Gas und Bremse grundsätzlich per Hand bedienen lassen.

Sonnenuntergang in Indianapolis

Wird der Indianapolis Motor Speedway zur nächsten großen Bühne des Alex Zanardi? Zoom

Knackpunkt könnte im Falle von Dallara allenfalls die entsprechende IndyCar-Freigabe eines derart umgebauten DW12 sein. Hier scheint das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Der italienische Chassis-Hersteller ist es übrigens auch, der für die individuelle Anfertigung des "Sitzes" aus Karbon in Zanardis siegreichem Handfahrrad verantwortlich zeichnet. Der Kontakt ist somit bereits jetzt mehr als nur geknüpft.

Und auch auf Seiten der Verantwortlichen in Indy gibt es großes Interesse, Zanardi im Brickyard zu begrüßen. "Alex Zanardi ist ein Vorbild für Jedermann, sowohl im als auch außerhalb des Motorsports. Er ist ein Champion bei allem, was er anpackt. Seine Goldmedaille bei den Paralympics ist da keine Ausnahme", sagt Jeff Belskus, Präsident des Indianapolis Motor Speedway, gegenüber 'Speed.com' und weiter: "Wir wünschen ihm bei der Erreichung seiner zukünftigen Ziele alles erdenklich Gute. Er wäre eine wundervolle Bereicherung für das Indianapolis 500."