• 06.06.2008 12:47

  • von Pete Fink

Nach Wiedervereinigung und Indy: Eine Zwischenbilanz

Nach der Wiedervereinigung, dem ersten Patrick-Sieg und dem Indy 500 kehrt Ruhe ein - in Texas gab es viele Diskussionen um die IndyCar-Zukunft

(Motorsport-Total.com) - Der absolute IndyCar-Saisonhöhepunkt mit den 500 Meilen von Indianapolis ist Geschichte. Nun kehrt ein gewisser Alltag in die IndyCar-Garage ein, die in den ersten fünf Monaten des Jahres 2008 eine Phase erlebte, die viel turbulenter wahrscheinlich nicht hätte sein können. Zur Erinnerung:

Titel-Bild zur News: Start Milwaukee

Die IndyCar-Saison 2008 glänzt durch ein richtig volles Starterfeld

Alles begann mit der Wiedervereinung am 23. Februar dieses Jahres, die nicht nur für alle ChampCar-Teams mit extrem viel Arbeit verbunden war, da jeder ChampCar-Mannschaft auch eine etablierte IRL-Truppe zur Seite gestellt wurde. Mit Graham Rahal gewann gleich im zweiten Saisonrennen ein ehemaliger ChampCar-Pilot in St. Petersburg, während Danica Patrick kurz darauf im japanischen Motegi als erste Frau ein Top-Event im internationalen Formelsport für sich entschied.#w1#

Um Patrick entstand in den USA in der Folge ein noch größerer Hype, als um die beiden Youngster Graham Rahal und Marco Andretti, die durch ihren prominenten Nachnamen eine neue IndyCar-Fahrergeneration darstellen. Die Amerikaner sehen so etwas gerne, wie ein kleiner Seitenblick in die NASCAR verrät, wo mit Dale Earnhardt Jr. der Sohn eines siebenfachen NASCAR-Champions der absolut unangefochtene Superstar ist.

Böse Zungen innerhalb der IndyCar-Szene wiederum behaupten, einzig der nach außen extrem coole, und deswegen etwas spröde wirkende Scott Dixon, der die Saison bisher relativ fest im Griff hat, stört ein wenig den Hype um die Wiedervereinigung - den Amerikanern wäre ein Tabellenführer Andretti oder Patrick viel lieber.

Danica Patrick sieht noch große Defizite

Danica Patrick

Danica Patrick ist eine der Schlüsselfiguren für die IndyCar-Zukunft Zoom

Zu allem Überfluss gewann Dixon auch das Indy 500, bei dem Rahal und Patrick nur durch Fremdkontakte auffielen und Andretti im Finale chancenlos war. Ein Indiz dafür war die Tatsache, dass das erste wiedervereinigte Indy 500 zwar etwas höhere Einschaltquoten hervorrief, die insgesamte Steigerung aber war nicht zufriedenstellend.

Interessant dabei war vor allem die Verteilung der Ratings: Verzeichnete das Indy 500 in den großen Städten der USA ein höheres Interesse als das parallel stattfindende Coca-Cola 600 der NASCAR, so kippte das Ergebnis, als Nielsen Media Research auch die ländlichen Regionen mit einberechnete. Unter dem Strich ist also alles wie gehabt: Die NASCAR hatte auch am Indy-Wochenende leicht die Nase vorne.

"Man muss schon realistisch sein", kommentierte Danica Patrick am Donnerstag in Texas. "Die Ergebnisse sind zwar besser, aber eben nicht viel." Daher sei sie auch etwas "enttäuscht. Es ist alles klasse, wir haben mehr Fahrer, mehr Fans und auch mehr Medien. Aber für das ganz normale Amerika haben wir bisher noch nicht genügend Aufmerksamkeit erregt."

Ihre Forderung ist daher eine logische: "Wir brauchen mehr Werbespots", glaubt die Rennamazone. "NASCAR hat jeden Tag Werbespots laufen, die den Leuten mitteilen, wann und wo das nächste Rennen ist. Bei uns gab es das nur für Indianapolis." Der Merger, so Patricks Schlußfolgerung, sei "keine Zauberpille und über Nacht wird nichts repariert".

Gossage fordert mehr Ovalrennen

Start zum Indy 500 2008

Gossage: Ovale ala Indianapolis haben den Krieg für die IRL gewonnen Zoom

Probleme und viel Konfliktpotenzial gibt es aber auch in anderen Bereichen. Ein wesentlicher Erfolgsbaustein der nahen Zukunft wird der neue IndyCar-Kalender werden, und dabei vor allem die Frage, wie viele Rennen auf welchem Streckentypus ausgetragen werden.

Die IRL hatte ihre Wurzeln auf den großen Ovalen der klassischen US-Speedways. Eddie Gossage etwa, der streitbare Präsident des Texas Motor Speedways, wies am Donnerstag deutlich darauf hin, dass Kurse wie Indianapolis und Texas "den Krieg für die IRL gewonnen" hätten.

Der Hintergrund dieser Aussage ist dann nachvollziehbar, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass IndyCar-Präsident Tony George zuletzt mit Surfers Paradise, Long Beach, Edmonton und aller Wahrscheinlichkeit nach Toronto gleich vier Nicht-Ovalstrecken ins Programm aufgenommen hatte.

Gossage sieht offensichtlich seine Oval-Felle gerade davon schwimmen und versucht eine Opposition aufzubauen. "Die IndyCar-Offiziellen müssen verstehen, dass es 80 Prozent Ovalstrecken braucht, um wirklich Erfolg zu haben. In jedem anderen Fall ist dies hier nichts anderes als ein Nischensport."

Angstadt relativiert die harten Worte

Danica Patrick

In St. Petersburg fand bisher ein gemeinsames Straßenrennen statt Zoom

Er sei, so Gossage weiter, sich durchaus darüber im Klaren, dass es ehemalige ChampCar-Enthusiasten gäbe, die immer noch der Meinung seien, dass Formelautos nichts auf Ovalen zu suchen hätten. "Aber die Wahrheit ist, dass sie das nicht entscheiden können. Sie haben den Krieg verloren. Sie sollten akzeptieren, dass das Modell ChampCars nun Geschichte ist. Das Schlachtfeld von USAC über CART bis hin zu den ChampCars ist gepflastert mit Leichen - daraus sollte man lernen."

Terry Angstadt ist einer der IndyCar-Offiziellen, der mitverantwortlich für den zukünftigen IndyCar-Kalender zeichnet. Angstadt relativierte das Lobbyistentum von Gossage schnell: "Unsere Ovalrennen werden nicht zurückweichen, aber aufgrund der hohen internationalen Popularität unserer Serie ist es gut, wenn wir eine Aufteilung mit Straßenrennen und Rundkursrennen haben."

Gossage sei ein "großartiger Rennpromoter, aber bei allem Respekt: Er hat in punkto unserer zukünftigen Pläne nichts zu sagen." Zustimmung fand Angstadt bei Danica Patrick: "Wir brauchen eine Balance", forderte sie und relativierte ein klassiches Vorurteil: "Klar sind die Ovale gefährlich, aber sie sind nicht mehr so gefährlich, wie sie früher waren."

Neues Auto ab 2011

Scott Dixon

Nur bis 2011stehen Honda-Motor und Dallara-Chassis alleine da Zoom

Eines steht fest: Der IndyCar-Kalender 2009 ist ein heißes Thema, denn damit werden erste Signale festgezurrt, die über die mittelfristige Zukunft der Serie entscheiden werden. Doch da gibt es noch einen anderen wichtigen Gesichtspunkt, denn darüber hinaus soll und muss ein neues Auto kommen.

Dieses soll in der Saison 2011 passieren. Bislang nutzt jedes Team Dallara-Chassis und 650 PS-starke Honda V8-Motoren. Honda hat bereits signalisiert, dass man mindestens bis zum Jahr 2013 in der Serie bleiben möchte, aber die Japaner hätten nichts dagegen, wenn sich der eine oder andere Konkurrent zu einem IndyCar-Einstieg entschließen würde.

2011 feiert man passenderweise das 100-jährige Jubiläum der 500 Meilen von Indianapolis, und im kommenden Monat soll nun ein runder Tisch stattfinden, zu dem alle interessierten Hersteller eingeladen sind. Doch es dreht sich nicht nur um die Motoren, auch die Chassis-Frage stellt sich, denn das Dallara-Chassis wurde als reines Ovalchassis eingeführt, und bei einem diversifizierten Kalender muss auch in diesem Punkt nachgebessert werden.

Die Dinge sind also in vielerlei Hinsicht in Bewegung, was auch Danica Patrick viel Optimismus abringt: "Ich denke, dass es fantastisch ausschaut. Die Dinge entwickeln sich richtig gut. Aber der nächste richtig große Sieg muss darin bestehen, dass wir das breite Amerika erreichen. Das ist uns bisher nicht gelungen". Was sie nicht sagte: Ein paar Patrick-Siege mehr würde diese Aufgabe wahrscheinlich erheblich erleichtern.