• 13.05.2010 21:10

  • von Pete Fink

Interview: Eine Schweizerin beim Indy 500

Mit Simona de Silvestro ist beim Indy 500 nach langer Pause wieder einmal eine deutschsprachige Pilotin dabei: Die 21-jährige Schweizerin im Interview

(Motorsport-Total.com) - Nach über 30 Jahren wird wieder einmal eine deutschsprachige Pilotin beim legendären Indy 500 starten. Wenn in der Qualifikation am nächsten Wochenende alles glatt läuft, wird die 21-jährige Schweizerin Simona de Silvestro damit die legitime Nachfolge von Clay Regazzoni antreten, der 1977 einmal die 500 Meilen von Indianapolis bestritt.

Titel-Bild zur News: Simona de Silvestro

Am Samstag geht es los: Simona de Silvestro fährt in Indianapolis

Angesichts ihrer bisherigen Saisonleistungen hat de Silvestro allen Grund, mit großem Optimismus nach Indianapolis zu fahren. Wie es der mitteleuropäischen IndyCar-Botschafterin in den USA geht, welche Ziele sie in der weiteren Saison 2010 hat und wo ihre Gemeinsamkeiten mit Takuma Sato liegen, verriet sie in einem ausführlichen Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.#w1#

Frage: "Simona, seit ein paar Wochen bist du eine waschechte IndyCar-Pilotin. Wie ist es dir in der bisherigen Saison ergangen?"
Simona de Silvestro: "Es ist ja meine erste IndyCar-Saison und es ist schon ein sehr spezielles Gefühl, ganz einfach, weil es die größte Formel-Serie in den USA ist. Das ist also schon sehr toll und wir waren in den ersten Rennen auch richtig schnell unterwegs. Insofern denke ich, dass wir ganz sicher auf einem guten Weg sind, auch ein paar gute Resultate zu bekommen."

Erstes Rennen und gleich den Champion im Kreuz

Frage: "In den ersten Rennen hast du für viel Furore gesorgt. In Sao Paulo hast du zum Beispiel gleich zum Auftakt ein paar Führungsrunden gedreht und bei einem Restart dort die versammelte IndyCar-Elite hinter dir gelassen. Was war denn das für ein Gefühl?"
De Silvestro: "Da war ich schon wenig nervös, denn direkt hinter mir startete Dario Franchitti, der amtierende IndyCar-Champion. Insofern war es schon etwas komisch, aber ich denke, dass ich meinen Restart gut absolviert habe. Ich hatte auch ein sehr gutes Auto, mit dem ich vorne mitfahren konnte. Leider ging dann gegen Rennende etwas kaputt und wir haben ein paar Runden verloren."

Simona de Silvestro

In Sao Paulo überraschte de Silvestro mit einer Top-Leistung Zoom

"Das ist schon ein bisschen schade. Denn eigentlich waren wir bei allen Rennen immer gut dabei, doch am Ende zeigen die Resultate nicht, wo wir während des Rennens gelegen waren. Aber ich hoffe, dass sich das bald umdrehen wird und wir auch auf den Plätzen ins Ziel kommen, auf denen wir im Rennen lagen."

Frage: "Aber du hast trotzdem das Gefühl, dass die Leute deine Leistungen anerkennen, obwohl du die reinen Ergebnisse noch nicht gebracht hast?"
De Silvestro: "Ich hoffe schon. In der Qualifkation waren wir nie allzu weit weg von den Leadern und auch im Rennen hoffe ich doch, dass ein paar Leute gesehen haben, dass wir gut unterwegs sind."

Rookie-Saison und kein Teamkollege

Frage: "Der offizielle Name deines Teams ist Stargate/HVM. Stargate hat dich schon in der Formel Atlantic unterstützt, HVM ist das Team von Keith Wiggins. Wie ist das nun bei den IndyCars genau organisiert?"
De Silvestro: "Stargate ist der Hauptsponsor, der wollte, dass das Team auch so genannt wird. Auf diese Weise entstand eine Zusammenarbeit mit HVM."

Simona de Silvestro

In St. Petersburg machte de Silvestro Bekanntschaft mit Graham Rahal Zoom

Frage: "Erstaunlich ist ja, dass du bei HVM ganz auf dich alleine gestellt bist. Du hast keinen Teamkollegen..."
De Silvestro: "Ja. Es ist schon ein wenig schwer, wenn man keinen Teamkollegen hat, der schon ein paar Rennen gefahren ist. Aber ich denke, dass wir alle gut zusammenarbeiten und das Beste daraus machen. Ich lerne sehr viel und das Team ist sehr auf mich fokussiert. Ich fühle mich also ziemlich gut. Manchmal hätte ich aber schon gerne einen Teamkollegen, mit dem ich ein paar Daten austauschen kann oder über das Setup reden kann. Aber bisher waren wir recht gut unterwegs und nun möchten wir ganz einfach daran arbeiten, um noch ein bisschen besser zu werden."

Frage: "Vergangenes Jahr hatte HVM mit Robert Doornbos und Ernesto Viso ja zwei Piloten. Dir wäre es also nicht unrecht, wenn du einen Teamkollegen hättest?"
De Silvestro: "Sicher würde das helfen, aber am Ende machst du doch dein eigenes Ding. Ich glaube, wenn die Kommunikation zwischen Fahrer und Team gut ist, dann kommen auch die Resultate. Aber klar: Vor allem für ein erstes Jahr in der IndyCar-Serie wäre es schön, einen Teamkollegen zu haben. Aber die Situation ist nun einmal so und ich denke, dass wir auch so ziemlich gut aufgestellt sind."

Das komische Oval

Frage: "Von den fünf bisherigen Saisonrennen bist du viermal sozusagen auf einem gewohnten Terrain gefahren und einmal, in Kansas, ging es dann auf das Oval. Wie groß ist dieser Unterschied wirklich?"
De Silvestro: "Das war schon ein wenig komisch, weil ich meinen ersten Test ja nur zwei Tage vor dem Rennen gemacht habe. Ehrlich gesagt dachte ich bis letztes Jahr nie, dass ich irgendwann einmal auf einem Oval fahren würde. Ich habe viel gelernt und es steht mir noch eine Menge Arbeit ins Haus. Ich weiß, dass ich es gegen die Asse auf einem Oval sehr schwer haben werde. Aber speziell in Indy hoffe ich schon, dass wir gut aussehen, weil wir ja die ganze Woche testen können."

Simona de Silvestro

Das Oval-Fahren bereitete de Silvestro unerwartet viel Spaß Zoom

Frage: "In Europa behaupten viele Menschen, auf einem Oval zu fahren, sei nicht schwer. Wie siehst du die Sache jetzt?"
De Silvestro: "Das dachte ich am Anfang auch. Wenn du alleine bist, dann ist es auch nicht so schwer. Du gibst Vollgas und fährst einfach herum. Sobald aber ein paar andere Leute vor dir sind, dann wird es ziemlich schwer. Die Kunst ist es, das Auto richtig abzustimmen. Wenn das Auto gut ist, dann fährst du gut mit, aber wenn das Auto schlecht ist, dann kannst du nichts machen. Also alleine geht es, aber wenn du im Verkehr bist, dann ist es eine ganze Ecke härter."

Frage: "Nur härter oder auch gefährlicher?"
De Silvestro: "Beides. Wenn ein Auto vor dir ist, dann bekommst du viel mehr Untersteuern. Das Auto fährt dann nicht mehr dorthin, wo du es haben willst. Das ist schon komisch."

Frage: "Aber das Oval-Fahren macht Spaß?"
De Silvestro: "Ja. Am Anfang war ich ein wenig skeptisch, aber nach meinem ersten Rennen kann ich schon sagen, dass es Spaß macht."

Erst die Qualifikation, dann das Podium

Frage: "Und jetzt gleich das große Indy 500. Wie geht es dir dabei? Bist du schon ein wenig nervös oder aufgeregt?"
De Silvestro: "Eigentlich geht es. Ich nehme es an wie ein normales Rennen. Aber es ist schon eine große Sache. Mal schauen, was kommen wird, wie die Tests am Wochenende laufen. Nervös bin ich schon ein wenig, denn wir müssen das Auto ja qualifizieren. Es wird also ganz sicher eine neue Herausforderung für mich. Ich freue mich darauf."

Simona de Silvestro

Ist schon 2010 tatsächlich schon ein IndyCar-Podium möglich? Zoom

Frage: "Wir sieht eure Vorbereitung aus? Macht ihr etwas Spezielles oder läuft die Vorbereitung ab wie immer?"
De Silvestro: "Nein. Ich denke, dass es besser ist, wenn wir uns ganz normal vorbereiten und nichts anders machen. Einfach gut vorbereitet sein, nicht soviel an Resultate denken, das Gefühl für das Auto zu bekommen und die Sache laufen lassen."

Frage: "Dann ist das erste große Ziel zunächst die Qualifikation?"
De Silvestro: "Ganz genau. Es ist das erste Mal, dass ich in so einer Situation bin. Es ist für mich also etwas ganz Neues und daher ist die Qualifikation unser großes Ziel für die nächste Woche. Und wenn wir das geschafft haben, dann kommt erst das Rennen."

Frage: "Wie steht es denn mit den weiteren Saisonzielen? Du sagtest vorher, dass du gerne einmal dieses - längst überfällige - gute Ergebnis nach Hause fahren möchtest. Definierst du das als ein Top-10-Resultat?"
De Silvestro: "Also ich möchte irgendwann schon einmal gerne auf das Podium fahren. Das ist schon irgendwann einmal drin. Wenn wir unseren Job richtig machen, dann ist das schon möglich."

Frage: "Und wo das dann passieren würde, wäre dir egal? Jetzt wo du zumindest einmal alle Streckentypen kennen gelernt hast?"
De Silvestro: "Also im Detail kenne ich nur Toronto und Edmonton. Alles andere ist neu. Mal sehen. In Kansas hatte ich wirklich Spaß und ich denke schon, dass ich nun auf dem Oval das Gefühl für das Auto bekommen habe und dass das noch besser werden wird."

Über Takuma Sato und Danica Patrick

Frage: "Nun gibt es in der aktuellen Saison außer dir ja noch andere IndyCar-Rookies. Zum Beispiel einen Takuma Sato, der schon fast 100 Formel-1-Rennen auf dem Buckel hat. Wir fühlt man sich denn, wenn man zusammen mit einem Takuma Sato als Rookie bezeichnet wird?"
De Silvestro: (Lacht, Anm. d. Red.) "Na ja, als ich das gesehen habe, war das schon eine etwas komische Situation. Ich komme von einer kleinen Serie und er kommt von der Formel 1. Klar hat er auf den Straßenkursen eine größere Erfahrung mit solchen Autos, aber auf dem Oval sind wir alle gleich. Aber es stimmt. Es ist ein seltsames Gefühl, einen Rookie-Kollegen zu haben, der schon Formel 1 gefahren ist."

Takuma Sato

Ein prominenter Rookie-Kollege de Silvestros: Takuma Sato Zoom

Frage: "Gibt es denn unter den IndyCar-Kollegen einen bestimmten Piloten, von dem du sagen kannst, dass du mit ihm ein besonders gutes Verhältnis hast? Speziell im Hinblick auf ein paar gute Tipps unter Kollegen?"
De Silvestro: " Eigentlich komme ich mit allen gut klar. Noch gibt es also niemand speziellen."

Frage: "Beim diesjährigen Indy 500 gibt es fünf weibliche Piloten. Der absolute Medienstar drüben ist Danica Patrick. Wie kommst du denn mit Danica klar?"
De Silvestro: "Eigentlich gut. Wir haben ein paar Mal miteinander geredet. Aber wir wollen alle gewinnen, insofern ist sie jetzt kein besonderer Fokus für mich. Sie ist für mich wie alle anderen 30 Piloten."

Frage: "Soll heißen: Du konzentrierst dich nicht auf das, was die anderen Pilotinnen so alles machen, sondern nur auf dich selber?"
De Silvestro: "Genau. Ich habe noch viel zu Lernen und ich weiß auch, dass ich erst einmal alles richtig machen muss."

Interesse auch aus Europa

Frage: "Der letzte Schweizer vor dir, der beim Indy 500 gefahren ist, war 1977 Clay Regazzoni. Unter den ganzen Briten bist du in der IndyCar-Serie sozusagen die deutschsprachige Botschafterin. Wie fühlt man sich denn in dieser Rolle? Hast du denn das Gefühl, dass deine Leistungen in den USA auch schon hier in Europa Beachtung finden?"
De Silvestro: "Eigentlich fühle ich mich ganz gut. Mein Telefon klingelt immer öfter, weil Leute fragen, was ich mache. Vor allem in der Schweiz gibt es ein paar Leute, die schon schauen, wie es mir geht. Ich komme aus Europa und da ist es schon ein schönes Gefühl, wenn sich die Europäer für mich interessieren. Und das macht mich auch ein wenig stolz."

Simona de Silvestro

Seit 1977 gab es beim Indy 500 keine Schweizer Flagge mehr Zoom

Frage: "Hast du noch Kontakt zur Formel 1? Also zum Beispiel zu deinem Landsmann Sébastien Buemi?"
De Silvestro: "Doch, ich schaue schon, was in der Formel 1 passiert. Mit Sébastien bin ich ja Go-Kart gefahren, da interessiert es mich schon, was er so macht."

Frage: "Verfolgst du dann auch die NASCAR?"
De Silvestro: "Ein bisschen, weil es hier ja immer im Fernsehen läuft. Aber die Formel 1 ist mir da schon noch lieber."

Penske und Ganassi als die Favoriten

Frage: "Zum Indy 500 kommt nun ein neuer Name ins Geschäft, nämlich Paul Tracy. Freust du dich schon auf diesen IndyCar-Haudegen? Denn wenn man deine bisherigen Startpositionen einmal hochrechnet, dann besteht ja durchaus die Möglichkeit, dass er sich in deiner Nähe befinden könnte?"
De Silvestro: "Ja, das wird schon interessant. Mal schauen, was er so alles sagt und macht. Aber ich denke, dass das ganze Feld ziemlich eng zusammen liegen wird."

Simona de Silvestro

Simona de Silvestro: Ab sofort volle Konzentration auf das Indy 500 Zoom

Frage: "Wer sind denn deine Favoriten für das Indy 500?"
De Silvestro: "Schwer zu sagen, weil ich ja selber mitfahre. (lacht; Anm. d. Red.) Nein, im Ernst. Ich denke, dass die Penske- und Ganassi-Piloten vorne landen werden. Sie haben ein sehr starkes Oval-Programm und werden wohl ziemlich schnell unterwegs sein."

Frage: "Und wie geht es in den nächsten Tagen bei dir weiter?"
De Silvestro: "Am Samstag beginnen die Rookie-Tests, die ganze kommende Woche werden wir dann jeden Tag fahren. Und weil es das Indy 500 ist, wird es sicherlich auch viel Medienarbeit geben. Ich freue mich sehr darauf."