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Indy-500-Pleite für Alonso und McLaren hat erste personelle Konsequenzen

Fernando Alonso und McLaren wurden von den "Underdogs" Kyle Kaiser und Juncos aus dem Indy-500-Starterfeld gekickt - Entschuldigung, Lob und eine Entlassung

(Motorsport-Total.com) - Mit jeder Menge Vorschusslorbeeren waren sie angereist, aber nun schauen sie in die Röhre: Für Fernando Alonso und McLaren hat sich das Abenteuer Indy 500 2019 schon vor dem Rennen (26. Mai) als riesengroßer Reinfall entpuppt.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Moment der Gewissheit: Fernando Alonso ist nicht für das Indy 500 2019 qualifiziert Zoom

In der dramatischen Last-Minute-Entscheidung um den 33. und somit letzten Startplatz wurden McLaren und Alonso am Sonntag (19. Mai) ausgerechnet von der stark unterfinanzierten Juncos-Truppe mit Kyle Kaiser am Lenkrad aus dem Starterfeld gekickt.

Kaiser und Juncos haben als absolute "Underdogs" gleich in mehrfacher Hinsicht das scheinbar Unmögliche geschafft. Nachdem man zu Beginn der Trainingswoche den Hauptsponsor - das Versicherungsunternehmen NFP - verloren hatte, ging man mit einem komplett weißen Auto in die Freien Trainings. Am Freitag aber, dem letzten Training vor dem zweigeteilten Qualifying, zerlegte Kaiser das Auto bei seinem heftigen Crash nachhaltig.

Nach Crash und ohne Sponsor: "Underdog" Juncos schickt Gigant McLaren heim

Über Nacht bauten die Juncos-Mechaniker ein neues Auto auf, wobei man die grün und orange lackierten Teile aus dem Ersatzteillager heranziehen musste. Die NFP-Logos aber fehlten auf dem Auto weiterhin, wohingegen sie auf Kaisers Overall und auch auf den Hemden der Crew angesichts der kurzen Zeit seit dem Absprung noch zu sehen waren.

Im Qualifying 1 am Samstag fuhr Kaiser nur auf P33, während Alonso mit P31 die direkte Qualifikation für das Rennen um eine Position verfehlte. Denn im Samstags-Qualifying wurden die Startplätze 10 bis 30 bereits fest ermittelt. Die Startplätze 31 bis 33 sowie die Pole-Position bis Startplatz 9 wurden erst am Sonntag in den beiden getrennt abgehaltenen Shootouts ausgefahren.

Kyle Kaiser

Juncos-Pilot Kyle Kaiser hat Alonso und McLaren nach Hause geschickt Zoom

Dem Last-Row-Shootout ging für die insgesamt sechs Wackelkandidaten noch ein 20-minütiges Aufwärmtraining am Sonntagvormittag voraus. In diesem kämpfte Alonso mit sichtbaren Handlingsproblemen, nachdem McLaren das Auto über Nacht massiv umgebaut hatte. Kaiser ging bei dieser Gelegenheit überhaupt auf die Strecke.

Am Nachmittag kam es dann zur bereits erwähnten Sensation, als Kaiser, der als Letzter fuhr, Alonso in letzter Sekunde vom provisorischen 33. Startplatz verdrängte. Den Ausschlag gaben nach vier Runden gerade mal 0,013 Sekunden (0,019 Meilen pro Stunde). Während Juncos Racing mit dem aktuell weiterhin sponsorlosen Auto damit am Rennen teilnehmen wird, muss McLaren schon eine Woche vor dem "Greatest Spectacle In Racing" vorzeitig die Heimreise antreten.

Alonso gratuliert der Konkurrenz

Fernando Alonso

"Go Smile": Der Slogan auf Alonsos Indy-Visier entpuppte sich als Ironie Zoom

In seiner Rückschau auf die Trainings- und Qualifying-Woche sagt Alonso: "Es ist mehr oder weniger der Speed des Autos, oder die Tageszeit, was den Ausschlag für die eine oder andere Position gibt. Wir aber hatten [am Samstag] mehrere Versuche und zwar zu unterschiedlichen Zeiten. Wir hätten auf der sicheren Seite sein sollen, aber das Auto war nicht schnell genug. Wir haben es einfach nicht gepackt."

"Natürlich bin ich enttäuscht, weil wir beim Rennen nicht dabei sein werden. Wir haben es nicht geschafft, denn wir waren nicht schnell genug. So einfach ist das", so Alonso, um der Konkurrenz - insbesondere Juncos-Pilot Kaiser Respekt zu zollen: "Die anderen haben es besser hinbekommen. Wir gratulieren ihnen."

"Ich habe mein Bestes gegeben, bei jedem Versuch", so Alonso, um sich damit sowohl auf die Freien Trainings als auch Qualifying 1 am Samstag als auch letzten Endes das entscheidende Last-Row-Shootout am Sonntag zu beziehen.


Fotos: IndyCar 2019: Indy 500, Training


Die Ausführungen des McLaren-Piloten im Detail: "Ich bin mal mit einem übersteuernden Auto gefahren und habe nicht gelupft. Ich bin auch mit einem untersteuernden Auto gefahren und habe nicht gelupft. Ich bin auch mit einem Reifen, der Luft verliert, gefahren und habe bei diesem Versuch erst in der letzten Runde gelupft, weil ich sonst die Kurve nicht gekriegt hätte." Die Reifenepisode trug sich am Samstag zu. Sein eigener Crash - übrigens Alonsos einziger bei seinen mittlerweile zwei Indy-500-Abenteuern - war am Mittwoch im zweiten Freien Training passiert.

Gil de Ferran entschuldigt sich bei Alonso

McLaren-Sportdirektor Gil de Ferran bemühte sich direkt am Sonntag um Entschuldigung für das Versagen: "Das war eine äußerst emotionale und schwierige Erfahrung. Damit meine ich nicht nur mich selbst, sondern das gesamte Team. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei den Fans zu entschuldigen und dafür zu bedanken, dass sie unser Abenteuer nicht nur hier in den USA, sondern von überall auf der Welt verfolgt haben."

Fernando Alonso, Gil de Ferran

McLaren-Sportdirektor Gil de Ferran mit persönlicher Entschuldigung für Alonso Zoom

"Und nicht zuletzt möchte ich dem Mann zu meiner Linken [Alonso] danken", so de Ferran, um sich direkt an den Spanier zu wenden: "Ich möchte mich bei dir entschuldigen, denn wir haben dir kein Auto gegeben, das schnell genug gewesen wäre. Du bist gefahren wie der Champion, als den wir dich kennen. Das gilt insbesondere für die drei zurückliegenden Tage. Es war eine unglaublich angespannte und schwierige Phase und wir hätten von dir nicht mehr verlangen können. Es tut mir so leid, Mann. Du bist ein unglaublicher Fahrer."

Genau wie Alonso, so kennt auch de Ferran die Sonnenseite des Sports. In den Jahren 2000 und 2001 gewann der Brasilianer als damaliger Penske-Pilot den CART-Titel gegen Größen vom Schlage Michael Andretti, Dario Franchitti, Paul Tracy, Kenny Bräck und Co. Und im Jahr 2003 gewann de Ferran das Indy 500, obwohl er sich nur zwei Monate zuvor in Phoenix bei einem schweren Unfall, der vom heutigen Andretti-Teambesitzer Michael Andretti ausgelöst wurde, am Rücken verletzt hatte.

In einer Video-Ansprache, die de Ferran am Sonntagabend noch auf Twitter gepostet hat, spricht er angesichts der Nicht-Qualifikation von McLaren und Alonso für das Indy 500 2019 vom "schmerzhaftesten Tag in meiner Motorsportkarriere":

In Auszügen schiebt de Ferran in seiner Ansprache hinterher: "So sehr wir uns auch bemüht haben, wir haben es knapp verpasst. Das schmerzt sehr." Anschließend wiederholt er seine Aussagen aus der Pressekonferenz und kündigt im Namen von McLaren an, es in Zukunft auf ein Neues probieren zu wollen.

Von der gemäß Indy-500-Reglment theoretisch möglichen Option, Alonso nachträglich einen Startplatz für das Rennen am kommenden Sonntag zu erkaufen, halten weder de Ferran als McLaren-Sportdirektor noch McLaren-Boss Zak Brown etwas. Dies gaben beide bereits unmittelbar nach der Enttäuschung des Last-Row-Shootouts klar zu verstehen.

Erste personelle Konsequenzen bei McLaren

Erste personelle Konsequenzen hat es aber bereits gegeben. Wie ein McLaren-Sprecher gegenüber 'Motorsport-Total.com' bestätigt, ist Bob Fernley, der eigens für das Indy-500-Projekt verpflichtet wurde, nicht mehr an Bord: "Ich kann bestätigten, dass er das Team verlassen hat."

Fernando Alonso, Bob Fernley

Ex-Force-India-Mann Bob Fernley ist nicht mehr für das McLaren-Projekt tätig Zoom

Fernley selbst erklärt auf Nachfrage: "Mein Vertrag sah lediglich das Indy 500 vor." Vor seinem Arbeitsantritt in Woking, der erst im November 2018 bekanntgegeben wurde, war Fernley jahrelang als stellvertretender Teamchef von Force India in der Formel 1 tätig gewesen. Ob McLaren ohne Fernley am Plan eines Vollzeit-Einstiegs in die IndyCar-Serie festhalten wird, bleibt abzuwarten.

Während McLaren und Fernando Alonso so oder so noch einige Tage brauchen werden, um die Enttäuschung zu verdauen, darf man bezüglich Juncos Racing und Kyle Kaiser gespannt sein, ob sie nach ihrem Husarenritt nun bis zum Rennen doch noch einen Hauptsponsor auftreiben können. Zu gönnen wäre es ihnen allemal.

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