• 27.05.2010 00:01

  • von Pete Fink

Indy 500? Man spricht kein Deutsch...

Deutschsprachige Piloten beim Indy 500 lassen sich an einer Hand abzählen: Nach Jochen Rindt und Clay Regazzoni nun Simona de Silvestro

(Motorsport-Total.com) - Das Indy 500 ist die größte jährlich stattfindende Eintagesveranstaltung. Im weltweiten Sportgeschehen wohlgemerkt, nicht alleine im Motorsport. Teilweise über 400.000 Zuschauer säumen den 2,5 Meilen langen Indianapolis Motor Speedway, weit über 100 Millionen Zuseher in weit über 100 Ländern werden auch am 30. Mai 2010 wieder vor dem Fernseher sitzen, wenn die 94. Auflage des größten und traditionsreichsten Motorsport-Klassikers über die Bühne gehen wird.

Titel-Bild zur News: Indy 500 1996

"Gentlemen, start your engines" - natürlich ohne deutsche Teilnehmer

Nur in der Automobilnation Deutschland wird dem Indy 500 - aus was für Gründen auch immer - kein besonderer Stellenwert zugestanden. Eigentlich ungewöhnlich, da die USA ja für Hersteller wie Mercedes, BMW, Audi, Porsche oder VW weltweit einer der wichtigsten Märkte ist. Aber das Interesse ist traditionell gleich null, was sich auch in der Frage nach einem deutschen Piloten beim Indy 500 niederschlägt.#w1#

Gab es seit dem ersten Indy 500 im Jahr 1911 überhaupt einmal einen deutschen Starter? Die Antwort lautet: Ja, es gab deutschsprachige Piloten, aber man kann sie an einer Hand abzählen. Erschwert wird die Suche zudem, weil sich vor allem in den Anfängen des 20. Jahrhunderts viele Fragen nach der Nationalität ausgewanderter Kandidaten stellen, die sich aus heutiger Sicht nicht mehr zu 100 Prozent beantworten lassen.

Sicher ist eines: Dasjenige Indy 500, das mit der größten Zahl an deutschen Teilnehmern ausgetragen wurde, fand am 30. Mai 1923 statt. Denn mit Max Sailer, Christian Werner und Christian Lautenschlager schickte die Daimler Motoren Gesellschaft gleich drei Werkspiloten in die USA. Sailers Neffe Karl arbeitete als Mechaniker und drehte angeblich im Training ebenfalls ein paar Runden.

Wirren um Caracciola

Sailer beendete das Rennen auf Rang acht, was - kaum zu glauben - die bislang beste Platzierung eines deutschsprachigen Piloten darstellt. Teamkollege Werner lag im Rennverlauf zwischenzeitlich auf Position drei, landete am Ende jedoch nur auf Platz elf. Lautenschlager kam nur 14 Runden weit, bevor er in Turn 1 einen Unfall baute.

Clay Regazzoni in Long Beach 1980

Der unvergessene Clay Regazzoni trat 1977 bei einem Indy 500 an Zoom

Aber dem Mercedes-Trio gebührt nicht die Ehre der ersten deutschen Indy-Teilnahme. Diese unternahm der in Koblenz geborene John Mais, der 1915 - damals noch unter der deutschen Reichsflagge - 23 Runden weit kam. Ähnliches gilt für den Dresdner Kurt Hitke, der 1919 immerhin 56 Runden fuhr. Beide wurden später zu US-Bürgern.

Direkt nach dem zweiten Weltkrieg wollte Rudolf Caracciola im Jahr 1946 seine Karriere in den USA fortsetzen. Die Zeit des Nazi-Regimes verbrachte die deutsche Rennlegende in der Schweiz, deren Staatsbürgerschaft er annahm. Bei seinem Comeback wollte er eigentlich mit einem Mercedes W165 fahren, doch weder die Schweizer Behörden, noch die alliierten Besatzungsmächte ließen eine Verschiffung zu.

So trat Caracciola in einem Thorne Engineering Special an, mit dem er im Training einen schweren Unfall hatte. Um diesen Crash ranken sich zahlreiche Nachkriegslegenden: Einige vermuten eine Verschwörung politischer Natur, weil er angeblich während der Fahrt ohne ersichtlichen Grund zusammen sackte. Andere berichten davon, dass ihn ein Vogel traf. In jedem Fall zog sich Caracciola schwere Kopfverletzungen zu und lag einige Tage sogar im Koma. An einen Rennstart war natürlich nicht zu denken.

Rindt, Regazzoni, de Silvestro

Jochen Rindt, immerhin in Mainz geboren, nahm 1967 und 1968 zweimal an einem Indy 500 teil. Beide Male sah der unvergessene Rindt die Zielflagge nicht. Überhaupt waren die Österreicher in der frühen Indy-Historie sehr aktiv: Schon im ersten Indy 500 im Jahr 1911 fuhren zwei Piloten mit, die zumindest in Österreich geboren wurden.

Simona de Silvestro

Simona de Silvestro vertritt beim 94. Indy 500 die Region Mitteleuropa Zoom

Der aus Wiener Neustadt stammende Joe Jagersberger kam immerhin 87 Runden weit und wurde als 31. gewertet. Louis H. Schwitzer kam im gleichen Jahr als Ersatzfahrer für den zehntplatzierten Harry Cobe zum Einsatz. Ebenfalls mit von der Partie war 1911 Arthur Chevrolet, dessen Familie aus der französischen Schweiz stammte. Natürlich wird der gesamte Chevrolet-Clan als US-Amerikaner bezeichnet, doch zu diesem Zeitpunkt hatte der mittlere der Chevrolet-Brüder ganz offenbar noch die Schweizer Staatsbürgerschaft.

Im Jahr 1977 war es bislang das letzte Mal, dass ein Schweizer Pilot am Indy 500 teilnahm: Clay Regazzoni qualifizierte seinen Offenhauser-McLaren trotz eines schweren Unfalls im Training. Im Rennen selbst kam er dann 25 Runden weit und wurde nach seinem Ausfall als 30. gewertet. In diesem Rennen holte sich A.J. Foyt übrigens als erster Indy-Pilot seinen vierten Titel. Und: Mit Janet Guthrie war zum ersten Mal überhaupt eine Frau am Start.

33 Jahre später wird beim 94. Indy 500 am 30. Mai 2010 nun wieder eine deutschsprachige Pilotin an den Start gehen. Die 21-jährige Schweizerin Simona de Silvestro führt sozusagen eine nicht-vorhandene Tradition im traditionsreichsten aller Motorsport-Events fort: De Silvestro qualifizierte ihren HVM-Dallara souverän auf Startplatz 22. Vielleicht kommt es ja zu einer Überraschung und die Schweizerin kann den seit 1923 bestehenden Mitteleuropa-Rekord knacken. An der Zeit wäre es langsam...