• 27.05.2008 18:25

Das große Siegerinterview mit Scott Dixon

Indy-500-Sieger Scott Dixon über seine Angst, dass etwas schief gehen könnte, Pfannkuchen am Rennmorgen und seine weiteren Saisonziele

(Motorsport-Total.com) - Als erster Neuseeländer konnte Scott Dixon am vergangenen Sonntag die 500 Meilen von Indianapolis gewinnen. Der Ganassi-Pilot, als klarer Favorit in den Klassiker gestartet, machte in den 200 Runden alles richtig und wurde am Ende mit dem bisher größten Triumph seiner Karriere belohnt. Nach dem Rennen stellte sich der 27-Jährige den Fragen der versammelten Medienvertreter - und genau wie schon zuvor in der Victory-Lane wirkte der oft als "Iceman" bezeichnete Dixon dabei gemessen am Anlass fast unterkühlt...

Titel-Bild zur News: Scott Dixon

Höhepunkt der Karriere: Ein Küsschen für die Borg-Warner-Trophy

Frage: "Scott, vor zwei Wochen bist du auch hier gesessen und hast gesagt, dass du den Pole-Day aggressiv angehen wirst. War deine Einstellung am Renntag die gleiche?"
Scott Dixon: "Ja, aber es ist schwierig, aggressiv zu sein, wenn man nicht das nötige Material hat. Wir hatten diesen Monat aber das nötige Material, also konnte ich aggressiv sein. Alle haben im Winter und auch während der Saison hart gearbeitet. Das Team war in den ersten Rennen fast nicht aufzuhalten. Es ist klasse, wenn man so aggressiv sein kann, wenn man das Selbstvertrauen hat - und dann auch noch einen Sieg wie diesen feiert."#w1#

Favoritensiege passieren selten...

"Der letzte Tag, an dem etwas schief gehen konnte, war der Renntag, und da wünscht man sich das natürlich überhaupt nicht." Scott Dixon

Frage: "Du warst der große Favorit, wolltest dich aber nicht in diese Rolle drängen lassen. Hat es im Rennen mal einen Moment gegeben, wo du gedacht hast, dass es schief gehen könnte?"
Dixon: "Ich war vor dem Rennen besorgt, weil der ganze Monat so reibungslos gelaufen ist. Da wartest du nur, dass irgendwann etwas schief geht. Der letzte Tag, an dem etwas schief gehen konnte, war der Renntag, und da wünscht man sich das natürlich überhaupt nicht. Ich war optimistisch, aber im Hinterkopf hatte ich ständig: Was, wenn ein Boxenstopp verpatzt wird oder wir ein mechanisches Problem haben? Das hat man nicht selbst in der Hand."

"Im Rennen hat es keinen Moment gegeben, in dem ich dachte, ich würde locker gewinnen. Gerade am Ende, in den letzten 20 oder 40 Runden, kamen die Schläfer wie Meira raus. Er war superschnell, superschnell. Helio (Castroneves) kam auch auf, Marco (Andretti; Anm. d. Red.) war schon den ganzen Tag schnell. Ich denke, er hatte irgendwann ein Problem an den Boxen. Ich war mir aber ehrlich nie sicher, dass wir es in der Tasche haben, sondern ich habe fast darauf gewartet, dass etwas schief geht."

Frage: "Was ging dir in den letzten 20 Runden durch den Kopf, als du diese starken Gegner im Schlepptau hattest?"
Dixon: "Immer die nächste Kurve, immer die nächste Kurve. Vier oder fünf Runden vor Schluss dachte ich nur noch an die Überrundungen. Ich lief auf vier oder fünf Autos auf und wollte von keinem aufgehalten werden. Sobald du nämlich Schwung verlierst, schnappen dich die Jungs, die dir im Nacken sitzen. Ich stellte den Dämpfer hinten etwas steifer ein und legte das ganze Gewicht nach links, um in diesen letzten Runden schneller zu sein. Ich habe mich einfach darauf konzentriert, jede Kurve und jede Runde perfekt zu erwischen."

Farge: "Was hast du von Vitor Meiras sensationellem Überholmanöver mitbekommen? Hast du es sich anbahnen gesehen oder war er einfach plötzlich vor dir?"
Dixon: "Mir war schon bewusst, dass Vitor die ganze Zeit auf der Lauer sein würde. Man sieht mit diesen Autos ziemlich gut, wir haben ja Rückspiegel und so weiter. Außerdem hörst du es von den Leuten am Funk. Ed (Carpenter; Anm. d. Red.) hatte etwas ältere Reifen drauf und hatte nicht den gleichen Speed wie wir mit neuen Reifen."

Das Überholmanöver von Meira

"In den 20, 30 Runden, als ich hinter ihm war, war er ohne Windschatten verdammt schnell." Scott Dixon

"Meira kam von weit hinten. Sie waren viel besser getrimmt als wir, denke ich, denn in den 20, 30 Runden, als ich hinter ihm war, war er ohne Windschatten verdammt schnell. Ich wollte ihn ein paar Mal überholen und war zuversichtlich, dass wir es packen, wenn es notwendig wird, aber ich wollte mir anschauen, wie sein Auto über einen längeren Stint geht, ob seine Reifen nachlassen, denn er hatte weniger Downforce als wir. Aber man bekommt schon mit, was da passiert - dafür hat man ja die Spotter. Ich glaube, dass ich vielleicht vor ihm bleiben hätte können, aber es stand nicht dafür, deswegen ein Risiko einzugehen."

Frage: "Wie waren die Gefühle in der Victory-Lane? Am Anfang sahst du fast schockiert aus..."
Dixon: "Ich war so überrascht, fast sprachlos. Es ist ein merkwürdiges Gefühl. Ich bin kein Typ, der seine Gefühle zeigt. Ich kam mir vor wie im Traumland. Es war verrückt. Da rechnest du ständig damit, dass dich jemand piekst und du aufwachst. Ich habe es noch nicht realisiert - es ist außergewöhnlich! Die Auslaufrunde auf einer so berühmten Strecke und mit so vielen Menschen, die alle deinen Namen rufen, das war schon ein besonderes Erlebnis. Ich wünschte, ich hätte das schon früher erlebt, aber umso mehr will ich dieses Rennen noch einmal gewinnen."

Frage: "Hast du dir in der Auslaufrunde irgendwelche Emotionen erlaubt? Wie mega ist das Gefühl?"
Dixon: "Ich habe am Funk geschrieen und die Faust geballt. Ich glaube, ich hätte fast drei Autos in Dreher gezwungen, weil ich so langsam unterwegs war! Aber jeder zeigt seine Emotionen anders. Es ist ein besonderer Moment, aber man will einfach nur zurück an die Boxen und die Leute sehen, die einem dabei geholfen haben. Es bin ja nicht nur ich, sondern es gibt tonnenweise Leute, die zu diesem Sieg beigetragen haben - das Team, Mike (Hull), Chip (Ganassi; Anm. d. Red.) und viele mehr. Und meine Frau Emma, die mir heute Morgen Pfannkuchen gemacht hat!"

"In den letzten 30 Runden fühlst du dich ziemlich einsam. Du denkst: 'Ach du Scheiße, wenn du es jetzt vermasselst, dann lässt du all diese Menschen im Stich!' Aber sobald du es im Sack hast, willst du nur zurück zu diesen Leuten."

Hundegebell und Pfannkuchen

Scott Dixon

Scott Dixon war im Monat Mai der dominierende Mann in Indianapolis Zoom

Frage: "Welche Pfannkuchen waren es denn und wie hast du letzte Nacht geschlafen?"
Dixon: "Ich habe gut geschlafen. Ich ging früh zu Bett und wurde von dieser gottverdammten Kanone um 6:00 Uhr morgens geweckt, weil die ganzen Hunde im Fahrerlager zu bellen anfingen! Meine Frau Emma hat mir dann amerikanische Pfannkuchen gemacht. Da war ein bisschen Butter drauf, ein wenig Sirup - mehr habe ich vor dem Rennen nicht gegessen. Das war mein Morgen. Ich bin auch ein bisschen gelaufen. So beginnt ein Tag gut."

Frage: "Du warst in dieser Saison recht dominant, vor allem in Kansas und nun hier. Wie viel davon geht deiner Meinung nach auf die Enttäuschung im Vorjahr zurück?"
Dixon: "Ich denke, es geht sogar noch weiter zurück. Wir hatten die Dominanz, um drei Rennen in Folge zu gewinnen. Es hätten auch vier werden können und wir fighteten in der Meisterschaft gegen Dario (Franchitti; Anm. d. Red.). Da hat es begonnen. Es hat einfach alles gepasst. Alle haben gut zusammengearbeitet, alle haben Selbstvertrauen und wir waren Ende des Vorjahres sehr erfolgreich, auch wenn wir nicht mit der Meisterschaft belohnt wurden. Dadurch wuchs in uns noch mehr Entschlossenheit und das hat uns diese Saison geholfen. Es ist eine Kombination aus vielen Dingen."

Frage: "Wie sehr hat die Enttäuschung des zweiten Platzes im Vorjahr heute noch in dir geschlummert?"
Dixon: "Das 500 war im Vorjahr ein komischer Tag. Ehrlich gesagt fühlte sich der zweite Platz nach nichts an, denn es war ein Rennen der Strategien. Damit will ich Dario nichts wegnehmen, denn er war definitiv schnell und einer der Fahrer, die man schlagen musste, aber für mich war es ein öder Tag. Dass ich unter diesen Umständen nicht gewonnen habe, traf mich nicht wirklich, auch wenn man natürlich immer enttäuscht ist, wenn man nicht gewinnt. Aber spätestens über den Winter habe ich das 500 2007 vergessen."

Frage: "Du hast nun die Meisterschaft und das Indy 500 gewonnen. Was sind nun deine nächsten Ziele?"
Dixon: "Die Meisterschaft, die wollen wir dieses Jahr wieder gewonnen. Damit geht es schon nächste Woche in Milwaukee weiter. Der Titel von 2003 ist schon ein Weilchen her. Ich muss es hinkriegen und für das Team eine zweite Meisterschaft holen. Wir werden uns gerne an den heutigen Tag zurückerinnern und wir werden das zu schätzen wissen, aber ab Donnerstag oder Freitag geht es wieder nur um die Meisterschaft."

Indy 500 stellt den Titel in den Schatten

"Es gibt nicht viele Menschen, die das geschafft haben." Scott Dixon

Frage: "Kannst du den heutigen Sieg mit dem IndyCar-Titel von 2003 vergleichen?"
Dixon: "Dieser Sieg ist viel süßer! Man arbeitet drei Wochen und dann kommt es darauf an, dass an einem Tag alles zusammenpasst. Das ist außergewöhnlich. Es gibt nicht viele Menschen, die das geschafft haben. Die Meisterschaft ist ein anderes Paar Schuhe. 2003 kam sie für uns sehr überraschend. Für das Team war es keine Überraschung, denn die können Meisterschaften gewinnen, aber ich war neu und fühlte mich auf den Ovalen noch nicht sonderlich wohl. Aber dieser Sieg heute ist schöner, weil einfach so viel dahinter steckt."

Frage: "In ein paar Jahren werden die Leute zurückschauen und sagen, dass du der erste Sieger der wiedervereinten Serie warst, der erste Sieger einer neuen Ära..."
Dixon: "Das ist schön. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Die ChampCar-Teams hatten nicht viel Zeit und waren im Nachteil. Dieses Rennen ist jedes Jahr schwierig zu gewinnen, egal wer dabei ist. Ich würde aber sagen, dass das Feld dieses Jahr insgesamt stärker war. Schwer zu sagen, dass wir die neuen Teams geschlagen haben, denn sie hatten kaum Zeit, sich gut vorzubereiten. Nächstes Jahr werden dann alle auf dem gleichen Niveau sein. Es ist schon klasse, erst Homestead als erstes Rennen zu gewinnen und dann das 500."

Frage: "Du bist Neuseeländer. Dieser Sieg ist auch für dein Land eine tolle Geschichte..."
Dixon: "Es ist etwas Besonderes. Ich wurde heute aus Neuseeland sehr unterstützt, so wie nie zuvor. Durch meine Pole war die Aufmerksamkeit da. Ich werde das aber erst merken, wenn ich nach Hause komme, denn hier sind wir ja weit weg. Ich rede nur manchmal am Telefon mit Leuten und gebe da und dort mal ein Fernsehinterview. Aber ich weiß, dass ich in Neuseeland viele Fans habe, die mir geholfen haben, hierher zu kommen. Natürlich ist es eine große Ehre für mich, dass ich hier als erster neuseeländischer Sieger Geschichte schreiben darf."

Frage: "Natürlich wirst du nun auch in den USA berühmt werden. Da könnte sich dein Leben ein wenig verändern, nicht wahr?"
Dixon: "Natürlich wird es das. Aber solange ich Rennen gewinne, ist mir das egal."