Andretti/Mansell bei Newman/Haas: Teamarbeit der anderen Art

Mario Andretti und Nigel Mansell: Zwei Motorsportlegenden, die als IndyCar-Teamkollegen bei Newman/Haas keinen Draht zueinander fanden

(Motorsport-Total.com) - 1993 und 1994 waren Mario Andretti und Nigel Mansell IndyCar-Teamkollegen bei Newman/Haas Racing. Besonders innig war die Zusammenarbeit der beiden vormaligen Formel-1-Weltmeister nicht. Im Gegenteil: Andretti und Mansell gingen sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit aus dem Weg.

Titel-Bild zur News: Nigel Mansell

Nigel Mansell gewann 1993 als Rookie den IndyCar-Titel für Newman/Haas... Zoom

"Ich fühlte mich betrogen", erinnert sich Andretti, der 1993 im Alter von 53 Jahren seine vorletzte IndyCar-Saison bestritt und 1994 als Ausklang seiner langen und erfolgreichen (Vollzeit-)Karriere die "Arrivederci Mario"-Tour folgen ließ. "Ich möchte nicht weinerlich klingen, aber ich finde Mansell kam dazu und spaltete das Team. Wir waren kein Team mehr. Es wurde zugelassen, dass es so kommt, weil Mansell es so verlangte", ärgert sich Andretti zwei Jahrzehnte später gegenüber 'Motor Sport'.

Die Anfänge der schwierigen Zusammenarbeit Andretti/Mansell liegen jedoch weit vor der IndyCar-Saison 1993, die Rookie Mansell auf Anhieb mit dem Titelgewinn krönte. 1980, in seiner ersten Formel-1-Saison, hatte der Brite bei Lotus bei drei Rennen Mario Andretti als Teamkollegen. Der US-Amerikaner fuhr zwei Jahre nach dem Gewinn des WM-Titels seiner gewohnten Form hinterher und verabschiedete sich zwei weitere Jahre später endgültig in Richtung IndyCars, wo er ab 1983 im neugegründeten Newman/Haas-Team fuhr.

Mario Andretti: "Fühlte mich komplett isoliert"

Zehn Jahre nach der Premierensaison des von Paul Newman und Carl Haas gegründeten IndyCar-Teams stieß Nigel Mansell als amtierender Formel-1-Weltmeister hinzu. Der schnauzbärtige Brite ersetzte an der Seite von Mario Andretti ausgerechnet dessen (erfolglos) in Richtung Formel 1 abgewanderten Sohn Michael. Im Zuge der Verpflichtung Mansells wurde Newman/Haas Racing, in den Jahren 1989 bis 1992 quasi das "Familienteam" der Andrettis, nachhaltig umgebaut.

Mario Andretti

...doch Mario Andretti erinnert sich ungern an zwei Jahre als Mansell-Teamkollege Zoom

Jim McGee, unter dessen Regie Mario Andretti zahlreiche IndyCar-Triumphe einfuhr (darunter seinen einzigen Indy-500-Sieg im Jahr 1969) wurde zur Saison 1993 zum Teammanager für die Crew von Newman/Haas-Neuzugang Nigel Mansell berufen. "Carl (Teammitbesitzer Haas; Anm. d. Red.) gab mir klar zu verstehen, dass es meine einzige Aufgabe wäre, mich um Mansell zu kümmern und sicherzustellen, dass er sich wohlfühlt", blickt McGee gegenüber 'Motor Sport' zurück und merkt an: "Ich glaube, Mario hätte gewollt, dass ich mich mehr um ihn kümmere, doch das war nicht der Grund, weshalb mich Carl ins Team holte."

"Es gab keinerlei Informationsaustausch, denn Nigel und Peter (Mansells Renningenieur Gibbons; Anm. d. Red.) setzten sich an den Rennwochenenden nie mit uns zusammen", erinnert sich der viermalige IndyCar-Champion Mario Andretti daran, wie er mit seinem eigenen Renningenieur Brian Lisles ab 1993 plötzlich auf sich allein gestellt war. "Ich fühlte mich komplett isoliert", bekennt die inzwischen 73-jährige US-Rennlegende heute und legt nach: "Newman/Haas war damals das Paradebeispiel eines Zwei-Wagen-Teams, das getrennter voneinander nicht hätte arbeiten können. Die Atmosphäre war nicht gut und es machte keinen Spaß, Rennen zu fahren."

Auch Mansell erinnert sich beim Gedanken an seine beiden IndyCar-Jahre an "den einen oder anderen frustrierenden Moment mit der anderen Hälfte des Teams", beteuert aber, letztlich im Sinne des Teams gehandelt zu haben: "Wir haben uns einfach darauf konzentriert, das Bestmögliche herauszuholen. Den IndyCar-Titel im ersten Jahr zu gewinnen, das war rückblickend betrachtet eine deutlich größere Errungenschaft als die, für die ich sie damals hielt."


Fotostrecke: Newman/Haas: Bilder einer Ära

Die US-Erfolge kamen für Mansell schnell. Schon bei seinem IndyCar-Debüt auf dem Stadtkurs im australischen Surfers Paradise glänzte der Brite mit Pole-Position und Sieg. Im weiteren Verlauf der Saison 1993 ließ Mansell vier weitere Siege folgen. Diese kamen zur Überraschung vieler nicht etwa auf weiteren Stadtkursen oder permanenten Rundstrecken, sondern allesamt auf Ovalen: der altehrwürdigen Milwaukee-Mile, dem zwei Meilen langen Michigan Speedway, dem Ein-Meilen-Oval in Loudon sowie dem tückischen Tri-Oval in Nazareth. Mit dem Nazareth-Sieg brachte Mansell den IndyCar-Titel unter Dach und Fach - und das ausgerechnet vor der Haustür von Mario Andretti...

So erfolgreich die IndyCar-Saison 1993 für Mansell und Newman/Haas war (Mario Andretti siegte in Abwesenheit des verletzten Mansell in Phoenix), so miserabel verlief die Saison 1994. Im Verlauf von 16 Saisonrennen gelang der erfolgsverwöhnten Truppe rund um Paul Newman und Carl Haas kein einziger Sieg. Stattdessen rieben sich Mansell und Andretti im Verlauf der "Arrevederci Mario"-Tour gegenseitig auf. Die teaminterne Kollision in Loudon ging als negativer Höhepunkt der "Zusammenarbeit" der beiden verfeindeten Newman/Haas-Kollegen in die IndyCar-Geschichte ein.