Als Senna für Penske testete...

Bruno Senna trägt sich in diesen Tagen mit dem Gedanken an einen Wechsel in die USA - Parallele zu seinem berühmten Onkel Ayrton vor knapp 20 Jahren

(Motorsport-Total.com) - Ob Bruno Senna seine Formel-1-Karriere nach dem Ende seines Engagements als Stammfahrer bei Renault wird fortsetzen können, ist derzeit ungewiss. Neben der möglichen Alternative Williams hat der Brasilianer auch die US-Szene auf dem Radar. "Wenn in der Formel 1 nichts klappt, dann ist es vielleicht an der Zeit, in die Vereinigten Staaten zu gehen und dort etwas anderes zu machen", sagte Senna vor wenigen Tagen gegenüber 'Autosport'.

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Ayrton Senna dachte im Winter 1992 ernsthaft über die IndyCar-Serie nach

Da ihm die IndyCar-Serie - speziell die Kombination aus Monoposti und Ovalen - zu gefährlich ist, wie er offen zugibt, kokettiert der Brasilianer unter Umständen mit einem Wechsel in die NASCAR. Wie auch immer sich der 28-Jährige entscheiden wird, eines steht fest: Bruno ist nicht das erste Mitglied der Senna-Familie, das seine Fühler in Richtung US-Rennsport ausstreckt. Brunos berühmter Onkel Ayrton Senna, seines Zeichens dreifacher Formel-1-Weltmeister und bis heute unvergessen, absolvierte vor genau 19 Jahren in der Weihnachtswoche 1992 einen IndyCar-Test für das Penske-Team.

Ort des Geschehens war der Firebird International Raceway, ein rund 2,5 Kilometer kurzer, vor den Toren von Phoenix gelegener Straßenkurs in der Wüste Arizonas, der unter den IndyCar-Teams jahrelang als beliebte Teststrecke galt. Sennas Kumpel Emerson "Emmo" Fittipaldi, selbst zweifacher Formel-1-Weltmeister und damals die Speerspitze des Penske-Teams, hatte seinen brasilianischen Landsmann zum Test überredet. Von der Politik der Formel 1 in den frühen 90er-Jahren genervt und mit einer für seine Verhältnisse enttäuschenden Saison 1992 im Rücken, nahm Senna das Angebot dankend an.

Senna beeindruckt - Fittipaldi will mehr

Nach nur wenigen Runden im Penske-Chevy, der damals genau wie Sennas McLaren in der Formel 1 den Marlboro-Schriftzug trug, zeigte sich der Mann aus Sao Paulo begeistert und fühlte sich angesichts der im Vergleich zum Grand-Prix-Sport weniger hochgestochenen Technik sofort an die Formel 1 der 80er-Jahre erinnert.

"Stell dir vor, wir starten in Indianapolis aus derselben Startreihe." Emerson Fittipaldi

Anschließend schmiedeten die beiden brasilianischen Kumpels bereits erste Pläne. "Stell dir vor, wir starten in Indianapolis aus derselben Startreihe", sagte Fittipaldi am Rande des Tests zu Senna, woraufhin dieser mit einem Lächeln entgegnete: "Stell dir vor, Nigel Mansell steht auch in dieser Reihe." Was sich zunächst wie ein Scherz anhört, lag damals tatsächlich im Bereich des Möglichen.

Der amtierende Formel-1-Weltmeister Mansell hatte wenige Tage zuvor ebenfalls in Firebird seine ersten Testfahrten für das Newman/Haas-Team absolviert und seine Teilnahme an der IndyCar-Saison 1993 mit der Unterschrift bei Paul Newman und Carl Haas bereits fixiert. Fittipaldi war bei Penske ohnehin gesetzt und befand sich auf der Suche nach einem neuen Teamkollegen für den wenige Wochen zuvor zurückgetretenen Ex-Champion Rick Mears.

Vor dem Hintergrund, dass im zweiten Newman/Haas-Lola in Person von Mario Andretti ebenfalls ein Ex-Formel-1-Weltmeister saß und Nelson Piquet nach seinem schweren Trainingsunfall in Indianapolis 1992 für das darauffolgende Jahr sein Indy-500-Debüt im Team von John Menard erneut ins Auge fasste, hätten 1993 inklusive Senna nicht weniger als fünf Formel-1-Weltmeister im berühmtesten "Nudeltopf" der Welt Gas geben können.

Ovale als Knackpunkt

Auf dem Straßenkurs fühlte sich Senna im Penske-Cockpit nicht nur auf Anhieb pudelwohl und lieferte jede Menge positiver Rückmeldungen über das Auto, er hinterließ auch nachhaltigen Eindruck im Team. Der langjährige Renningenieur Chuck Sprague zeigte sich seinerzeit beeindruckt davon, dass Senna allein, ohne jegliches Gefolge, in Arizona erschien und das Team tags darauf zum Ovaltest auf dem Phoenix International Raceway am anderen Ende der Stadt begleitete.

Emerson Fittipaldi

Emerson Fittipaldi überredete Ayrton Senna zum Penske-Test Zoom

Senna beobachtete die Testfahrten von Routinier Fittipaldi und Shootingstar Paul Tracy intensiv, sah aber von eigenen Runden auf dem Ein-Meilen-Oval trotz der Bemühungen Fittipaldis ab. Genau wie bei seinem Neffen Bruno heute war auch bei Ayrton damals die schwer einzuschätzende Gefahr im Oval der Grund, weshalb aus der Vorstellung, den dreifachen Formel-1-Weltmeister am Start eines IndyCar-Rennens zu sehen, letztlich nichts wurde.

Eine Weihnachtskarte und ein Anruf

Nachhaltigen Eindruck hinterließ die US-Rennserie so oder so auf den Brasilianer. Renningenieur Sprague erinnert sich noch heute an den Tag, als er im Dezember 1993 und damit ein Jahr nach der Begegnung in Arizona nichtsahnend eine Weihnachtskarte von Senna erhielt.

Während Mansell im Mai 1993 genau wie Piquet tatsächlich sein Indy-500-Debüt gab, Mario Andretti zum vorletzten Mal im 33-köpfigen Starterfeld vertreten war und "Emmo" seinen zweiten Indy-500-Sieg unter Dach und Fach brachte, absolvierte Senna eine weitere Formel-1-Saison für McLaren.

Teamkollege des Brasilianers in dessen letzter voller Saison war Mario Andrettis Sohn Michael, der IndyCar-Champion des Jahres 1991, der nach einer missratenen Saison in Europa in die USA zurückkehrte. Unterdessen schaffte Senna im unterlegenen McLaren-Ford fünf Saisonsiege, bevor er für die darauffolgende Saison den schicksalhaften Deal bei Williams unterschrieb.

Die IndyCar-Szene verfolgte Senna jedoch weiterhin. So war der Brasilianer einer der Ersten, der seinem ehemaligen Teamkollegen Michael Andretti nach dessen gelungenem Comeback (Sieg beim IndyCar-Saisonauftakt in Surfers Paradise) telefonisch gratulierte, wovon sich der heutige Teamchef von Andretti Autosport nicht weniger verblüfft zeigte als Chuck Sprague wenige Monate zuvor...