Alexander Rossi: "Jetzt brauche ich einen Psychiater"
Indy-500-Sieger Alexander Rossi kann es weiterhin nicht fassen: Das größte Rennen Amerikas zu gewinnen ist beim Ex-Formel-1-Fahrer noch immer nicht eingesunken
(Motorsport-Total.com) - Das 500-Meilen-Rennen von Indianapolis zu gewinnen ist für jeden Rennfahrer so speziell, dass es Tage braucht, damit er es realisiert. Wenn jedoch ein Rookie unter den Umständen gewinnt, wie es Alexander Rossi bei der 100. Ausgabe des Indy 500 gelungen ist, dann ist der emotionale Ausnahmezustand vorprogrammiert. "Ich brauche jetzt erst einmal einen Psychiater", sagt der US-Amerikaner und sorgt damit für ein lautstarkes Gelächter unter den anwesenden Journalisten auf seiner Sieger-Tour.

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Alexander Rossi hat den Indy-500-Sieg noch immer nicht verarbeitet Zoom
Rückblende: Keiner der Fahrer hatte nach der letzten Gelbphase ausreichend Sprit, um es bis ins Ziel zu schaffen. Zahlreiche Piloten nahmen einen zusätzlichen Stopp als gegeben hin, doch Alexander Rossi und sein Teamchef Bryan Herta spielten das Spiel nicht mit: Der ehemalige Formel-1-Pilot blieb einfach draußen und sparte so viel Bio-Ethanol, dass er das Rennen sensationell gewann. "Mir schwirrt noch immer Bryans Stimme durch den Kopf", grinst der 24-Jährige. "Er schrie mich an, dass ich die Kupplung ziehen und ausrollen lassen solle."
Es war eine Entscheidung auf Messers Schneide: Rossi schlich die letzte Runde des Indianapolis 500 nur noch um den Kurs, in der letzte Kurve war dann der Tank leer. Eigentlich wäre Hertas panische Funk-Reaktion gar nicht mehr nötig gewesen: "Ich war so besorgt, dass ich die Kupplung ohnehin schon gezogen hatte. Sie gaben mir genau durch, wo die Gegner waren." Nach der Zieldurchfahrt brachen dann alle Dämme. Herta, der das Rennen als Fahrer nie selbst gewinnen konnte, erfüllte sich als Teamchef seinen Traum - gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Michael Andretti, unter dessen Flagge das Auto eingesetzt wird.
Und diese Emotionen mussten raus, schließlich erlebte Rossi eine emotionale Achterbahnfahrt während der 500 Meilen. "Das ist wirklich unfassbar. Es gab Momente, in denen ich richtig aufgedreht war, dann am Boden zerstört, und dann wieder Momente, in denen ich voll motiviert war. Es war echt hart. Wenn man sich auf Platz 29 sieht, ist das nicht schön. Ich habe versucht, meinen Job zu erledigen. Bryan war am Funk ein beruhigender Lehrer. Die Spotter waren fantastisch. Aber am Ende war es wirklich viel zu eng." Triumph und Tragödie liegen in Indianapolis so dicht beieinander wie kaum sonst wo.
"Es wird eine ganze Zeitlang nicht einsinken und das will ich auch gar nicht", so der Andretti-Herta-Autosport-Pilot weiter. "Ich will einfach den Moment genießen und das mit allen Leuten um mich herum. Es ist eine große Ehre und ein Privileg." So viel Zeit wird er jedoch gar nicht haben, schließlich stehen am heutigen Freitag bereits Trainingssitzungen für das IndyCar-Rennen in Detroit auf dem Programm.
Zwar hat er letztlich durch einen Strategie-Coup den Sieg geholt, doch schon zuvor hatte er gezeigt, dass er mit den Schnellsten mithalten konnte. Denn nur wer sich über 490 Meilen hinweg gut positionieren kann, kann das Rennen überhaupt gewinnen. "Ab Runde fünf", antwortet Rossi auf die Frage, wann er an eine Chance auf den Sieg geglaubt habe. "Ich hatte einen etwas konservativen Start. Aber dann konnte ich Autos überholen, und zwar welche von den ganz Großen. Es gab dann Rückschläge. Aber jedes Mal haben wir uns wieder vorgekämpft. Wir waren stark und die Pace war da."

