Mehr Präsenz gefordert: Die GP2 im Vermarktungs-Dilemma
Racing-Engineering-Chef Alfonso de Orleans-Borbon sieht in der unzureichenden TV-Vermarktung auch die Ursache für die Sponsorenprobleme - Vorbild MotoGP
(Motorsport-Total.com) - Die GP2 sei der Spielplatz der reichen Kids, hört man oft. Mit geschätzten 1,5 bis zwei Millionen Euro, die ein Fahrer pro Saison mitbringen muss, ist das Unterhaus zur Formel 1 wohl die kostspieligste Serie auf dem Weg in die Königsklasse. Häufig zählt Geld mehr als Talent, was sich immer wieder an Beispielen zeigen lässt. Robin Frijns, aktueller Meister der Renault-World-Serie, kämpft Rennen für Rennen nicht um den Sieg - sondern um überhaupt erst einmal am Start stehen zu können.

© xpbimages.com
Wer in Deutschland die GP2-Serie schauen will, braucht ein Abo für Pay-TV Zoom
Während das Talent des Sauber-Testfahrers unbestritten ist, finden auch immer wieder Gegenbeispiele den Weg in die GP2. Vor kurzem beschäftigte das Trident-Team wieder den Portugiesen Teixeira, der zwar ein gutes Bündel Geld mitbringt, sportlich aber wohl keine Weiterentwicklung zum abgelösten Kevin Ceccon darstellt. Denn immerhin ist Teixeira der erfolgloseste Fahrer der GP2-Geschichte. Auch nach 44 Rennstarts wartet der 29-Jährige weiter auf die ersten Zähler.
Doch viele Teams sind auf eben jene Bezahlfahrer angewiesen, wenn sie überleben wollen. Eine Saison kostet mit den Überseerennen in Malaysia, Singapur oder Abu Dhabi viel Geld - und Geld durch sonstige Sponsoren, die nicht von Fahrern mitgebracht werden, sind Mangelware. Alfonso de Orleans-Borbon, Teamchef bei Racing Engineering, kennt die Probleme der Serie genau. Der Spanier ist seit Gründung der Serie 2005 mit seinem Team dabei.
"Was bringen Erfolge, wenn niemand sie mitbekommt?"
In den ersten Jahren war der Rennstall nämlich nicht in den typischen roten Farben unterwegs, die Racing Engineering aktuell vom Feld abheben. "Wir hatten in der GP2 einen großen Sponsor, für den das Engagement in der Serie in Bezug auf den Return of Investment keinen Sinn mehr gemacht hat", erzählt der Spanier gegenüber 'Motorsport-Total.com'. Dabei konnte man in der letzten Saison vor dem großen Farbwechsel sogar den Meistertitel mit Giorgio Pantano einfahren.

© GP2
Mit Giorgio Pantano feierte Alfonso de Orleans-Borbon 2008 den Meistertitel Zoom
Dennoch hat es sich für den Sponsor eben nicht gelohnt. Grund hierfür sei ein ausbaufähiges Vermarktungsmodell. "Die GP2 hat in einigen Ländern eine gute Fernsehpräsenz, in anderen so gut wie gar keine. Ausgerechnet in jenen Nationen, die für unseren Sponsor interessant sind, war kaum etwas zu sehen", ärgert sich de Orleans-Borbon. "Was bringen Erfolge, wenn niemand sie mitbekommt? Das funktioniert nicht."
Auch in Deutschland ist dieses Phänomen zu bewundern. Zu Anfangszeiten der Serie wurde sie sogar im Free-TV ausgestrahlt, heute versteckt sie sich auf Bezahlsender 'Sky', der sich auf die Rennen beschränkt. Schon für das Qualifying muss man sich hierzulande mit anderen Mitteln behelfen. Der Racing-Engineering-Chef sieht dabei dringenden Handlungsbedarf: "Wenn die Fernsehpräsenz der GP2 besser wird, dann werden wieder mehr Sponsoren kommen. Davon bin ich ganz fest überzeugt", sagt er.
MotoGP-Serie als Vorbild
Doch dafür müsse die Formel 1 mitdenken, schließlich ist es auch in ihrem Sinne, wenn ihre Nachwuchsserie besser vermarktet wird. Das beste Beispiel ist für den Spanier die MotoGP, die die Moto2 und die Moto3 immer im Schlepptau hat. "So etwas gibt es bei GP3 und GP2 nicht", meint de Orlean-Borbon. "Soweit ich weiß, werden die beiden Serien im Paket mit der F1 angeboten. Aber gezeigt wird es zu wenig. Die MotoGP-Szene hat bessere Präsenz."
Und das komme letztlich auch der Hauptserie bei den Motorrädern zugute - nicht nur von der Medienpräsenz her. Denn die zieht einen Rattenschwanz nach sich. "Sponsoren kommen zusammen mit einem Fahrer in die Moto2. Läuft es dort gut, dann steigen sie gemeinsam in die MotoGP auf. Das muss auch im Sinne der Formel 1 sein, wenn in der GP2 mehr Sponsoren sind, die vielleicht irgendwann aufsteigen wollen."
Doch mit der fehlenden Vermarktung dürfte das äußert schwierig werden. Anders als die Moto2, besitzt die GP2 keine wirklichen Stars. Stefano Coletti, Felipe Nasr oder Fabio Leimer - die derzeit Führenden - sind wohl nur den eingefleischten Fans ein Begriff, dabei hat die GP2-Serie viel Starpotenzial, wenn man bedenkt, dass Nico Rosberg, Lewis Hamilton, Timo Glock oder Nico Hülkenberg alle Meister in der Nachwuchsklasse wurden.
Beziehung zu den Fahrern aufbauen? Unmöglich
Doch auch darauf hat die fehlende Medienpräsenz natürlich Einfluss, wie Alfonso de Orleans-Borbon aus eigener Erfahrung sagen kann. "Mein Sohn ist das beste Beispiel", erzählt er. "Er ist selbst erfolgreich Kart gefahren, hat bei uns im GP2-Team gearbeitet - er kennt sich also etwas aus. Er sagt, dass er sich eher mit den Nachwuchsleuten aus der Moto2-Szene identifizieren kann. Wenn die in die MotoGP aufsteigen, dann drückt er denen weiter die Daumen, er hat quasi eine Beziehung zu diesen Leuten. Die Piloten aus GP3, Formel 3 oder GP2 kennt er kaum."

© Alastair Staley/GP2
Mit Fabio Leimer hat der deutschsprachige Raum hervorragende Aussichten in der GP2 Zoom
Dabei läuft es für Racing Engineering derzeit hervorragend. Mit Fabio Leimer hat man ein heißes Eisen im Feuer. Der Schweizer, der somit auch aus deutschsprachiger Sicht interessant ist, liegt derzeit auf Rang drei der Gesamtwertung, konnte in den vergangenen Rennen aber massiv Boden auf die Führenden gutmachen, und scheint das Momentum bei nur sieben Punkten Rückstand auf seiner Seite zu haben.
Wenn die Überlegungen von de Orleans-Borbon stimmen, dann sollten Fans, die Leimer im Titelkampf die Daumen drücken, auch einen eventuellen Formel-1-Einstieg des Schweizers interessiert verfolgen, was nicht nur ihn, sondern auch seine Sponsoren freut. Doch davon wird der gemeine 'RTL'-Zuschauer in diesem Jahr nichts mitbekommen.

