• 01.07.2015 12:25

  • von Roman Wittemeier

Schaefflers große Pläne: Mit Formel-E-Technik in Serie

Schaeffler-Vorstand Peter Gutzmer sieht in der Partnerschaft mit dem Abt-Team viele Vorzüge und will dem Rennstall helfen, an der Spitze der Formel E zu bleiben

(Motorsport-Total.com) - Die erste Saison der Formel E ist gerade erst vorbei, da sind die Vorbereitungen auf Saison Nummer zwei schon voll im Gang. Acht Hersteller wurden vor einigen Wochen ausgewählt, die ab der kommenden Saison ihren eigenen Antrieb entwickeln dürfen. Auch das deutsche Abt-Team gehört dazu, das diesbezüglich zum Heimspiel in Berlin eine wichtige Partnerschaft eingehen konnte.

Titel-Bild zur News: Peter Gutzmer, Hans-Jürgen Abt

Neue Partnerschaft: Peter Gutzmer und Teamchef Hans-Jürgen Abt Zoom

Als Technologiepartner wird Schaeffler für das deutsche Team den Antrieb entwickeln, der ab sofort in Eigenregie von den Herstellern gebaut werden darf. Schaefflers Technologie-Vorstand Peter Gutzer spricht bei 'Motorsport-Total.com' exklusiv über die Vorzüge der neuen Partnerschaft, die Hintergründe der Antriebsentwicklung und warum die Batterien ein völlig eigenes Thema sind.

Frage: "Herr Gutzmer, es gibt ein großes Engagement der Schaeffler AG in der Formel E. Was umfasst dieses Engagement alles?"
Peter Gutzmer: "Wir haben im Prinzip zwei Pakete geschnürt. Wir werden das Sponsoring mit dem Abt-Team weiterführen. Neu ist aber - und das wird das Zentrum der Zusammenarbeit für die Zukunft sein - die Technologiepartnerschaft, in der wir vereinbart haben, dass der ab der kommenden Saison freigegebene Antrieb von Schaeffler entwickelt wird. Das heißt, dass wir den Elektrikantrieb und die Verbindung zum Getriebe machen. Es wird ein neues Getriebe geben, also ein neues Antriebssystem, das wir dort mit einbringen. Die Elektronik und die Motorsteuerung werden vom bisherigen System übernommen."

Frage: "Bleiben die Batterien?"
Gutzmer: "Die Batterien müssen bleiben, das ist vom Reglement vorgegeben. Die Batterie wird erst zu einem späteren Zeitpunkt freigegeben, da sind sie im Moment sehr starr in der Diskussion. Und das ist das zweite Schlüsselthema. Wir machen dort mit, wo es vom Wettbewerb interessant wird. Das sind natürlich die Fahrer, aber auch der Antrieb und in Zukunft auch die Batterie. Der Antrieb spielt für uns eine Schlüsselrolle, weil es sich um den Bereich handelt, wo wir im Moment in der automobilen Welt als Partner und Zulieferer unterwegs sind."

Batterie

Der Antrieb darf ab Saison zwei entwickelt werden, die Batterie erst später Zoom

"Und wir sehen die Elektromobilität und den elektrischen Anteil am Antrieb in der Zukunft deutlich stärker im Fokus. Und da haben wir hier die Chance, das auch unter Wettbewerbsbedingungen - in extremen Bedingungen - zu testen. Wir haben das geprüft und sind sicher, dass wir viele Erkenntnisse, die wir hier in der Formel E kennenlernen, für das Antriebssystem Elektromotor tatsächlich auf unsere aktuellen Serienentwicklungen übertragen können."

Betterien ein anderes Kompetenzfeld

Frage: "Ganz einfach gefragt: Was kann der Schaeffler-Antrieb, was der normale nicht kann?"
Gutzmer: "Ja, das ist natürlich eine ganz wichtige Frage. Wir hoffen, er kann einiges mehr. Das haben wir uns zumindest vorgenommen. Und wir haben auch ganz gute Simulationsfähigkeiten. Wir glauben tatsächlich, dass wir bei der Effizienz, also der Nutzung der Energie, noch einen deutlich Sprung machen werden, ohne dass Leistung oder noch viel wichtiger Drehmoment bei diesen Motoren verloren geht."

"Wir haben die Adaption Motor-Getriebe noch einmal deutlich verbessert, können also dem Fahrer immer beste Leistung und bestes Drehmoment mit maximaler Effizienz geben. Wir sind nach den Simulationen fest davon überzeugt, dass das noch einmal ein deutlicher Sprung wird und für noch mehr Spannung in den Rennen sorgen wird. Und wir sind natürlich sehr gespannt, ob wir das so hinkriegen werden, denn das Abt-Team fährt ja mit an der Spitze und wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, dort zu bleiben."

Frage: "Andere werden auch einen Sprung machen, das ist klar. Wohin führt das? Werden Sie im zweiten Schritt auch die Batterien selbst bauen?"
Gutzmer: "Nein. Wir als Schaeffler konzentrieren uns auf die Bereiche, in denen wir auch produktseitig unterwegs sind. Und das ist Motor-Getriebe, das ist diese Kombination und dieses System. Wir werden an dieser Geschichte in Hinblick auf die Anforderungen an die Batterie dabei sein, werden aber das Batteriesystem nicht machen."


Garagenführung mit Daniel Abt

Daniel Abt nimmt euch mit auf eine Tour durch seine Garage in der Formel E und gewährt einen Einblick in die Arbeiten am Wochenende. Weitere Formelsport-Videos

"Dafür gibt es verschiedene Gründe: Das ist sehr aufwändig, da ist sehr viel Chemie und Elektrochemie drin. Das sind Kompetenzfelder, die wir derzeit nicht haben. Und wir haben entschieden, dass wir diese Felder auch in Zukunft auf Produktionsseite nicht belegen wollen. Denn die Großen haben da einen dermaßen großen Vorsprung an Zeit und Kompetenz, und die werden auch weiterentwickeln."

"Ich bin auch überzeugt, dass die Batterie als nächster Schritt für die Spannung und den Wettbewerb Formel E ein Thema sein wird. Da bin ich gespannt, ob es eine Einheitsbatterie sein wird, was in Hinblick auf die Kosten sicher der richtige Weg wäre. Es kann aber auch sein, dass es individuelle Lösungen gibt, wenn es um Wettbewerb geht. Ich fürchte nur, dass die Kosten zu stark ansteigen würden, wenn die Batterie freigegeben wird. Und der Veranstalter sollte sich das gut überlegen."

"Technologie heißt: Menschen gewinnen"

Frage: "Wie wird der Antrieb denn heißen?"
Gutzmer: "Wir haben vereinbart, dass das Fahrzeug und der Antrieb Abt-Schaeffler heißen werden. Das ist eben diese Technologiepartnerschaft, zu der wir uns bekennen. Der Vertrag, den wir jetzt unterzeichnet haben, läuft die kommenden drei Jahre. Das ist ja das Interessante an solchen Projekten: Wir sind gerade bei der Einführung des aktuellen Systems und denken schon jetzt über das nach, was im Jahr darauf passiert. Das macht Spaß und ist das Spannende für die beteiligten Menschen."

"Das ist übrigens auch das, was wir tun: Für uns heißt Technologie, auch Menschen gewinnen. Wir wollen als Arbeitgeber attraktiv sein und gerade die Verbindung von Formula Student, die an den Hochschulen eine riesige Sache ist, in Richtung Wettbewerb und Job über das Thema mitgestalten. Hier gibt es einen nahtlosen Übergang zu interessanten Jobs und in der Folge mit der Motorsport-Erfahrung eine Übertragung in die Entwicklung von Serienprodukten."

Lucas di Grassi

Schaeffler ist seit Beginn des Jahres designtechnisch vertreten Zoom

Frage: "Sie sind ja nicht nur in der Formel E im Motorsport aktiv, sondern auch in der WEC mit Porsche. Was ist das Spannende an diesem Projekt?"
Gutzmer: "Dort sind wir nicht in der extremen Form Technologiepartner, sondern Sponsoringpartner, haben aber auch diesen Technologieaustausch. Das Thema ist das gleiche: Wir haben einen ganz klaren Fokus darauf, die Mobilität der Zukunft und vor allem die individuelle Mobilität mit unseren Produkten und Lösungen mitzugestalten."

"Dazu gehört eben die Elektrifizierung, die aus unserer Überzeugung mit Hybriden, vor allem Plugin-Hybriden, stattfinden wird - über Effizienzsteigerung, über Rekuperation. Längerfristig wird es aber auch der reine elektrische Antrieb sein. Und in der WEC sehen Sie Hybriden. Das ist also genau das Gleiche: Da findet ein Wettbewerb statt, da spielt vor allem das Thema Rekuperation eine Rolle. Und die Fragen lauten: Was kann der Verbrennungsmotor, der noch Potenzial hat? Aber was kann ich vor allem zusätzlich durch diesen Elektroantrieb, durch diese Mischform, gewinnen? Und da ist die WEC eine optimale Plattform, weil sie genau diese Mischform hat und Elektrik mit dem Verbrennungsmotor verbunden werden muss."

Warum die Formel 1 keine Rolle spielt

"Bremsvorgänge müssen abgespeichert und wieder zur Verfügung gestellt werden. Da gibt es wie bei Porsche dieses thermische Rekuperationssystem. Und das sind alles Themen, die wir auch in Serie bringen wollen. Das ist unser Ziel: Wir wollen nicht nur den Wettbewerb, die Herausforderung und das Ausloten der Grenzen der Technologie, sondern auch erkennen, was aus diesem Ausloten in die Serie überfließen kann. Und deswegen engagieren wir uns hier so stark."

Frage: "Wenn man diese Bühnen hat, dann muss man nicht in die Formel 1 und schon gar nicht in der DTM mit den Gleichbauteilen engagiert sein..."
Gutzmer: "Da sind wir dabei, aber technologisch bringt uns das nicht weiter."


Peter Gutzmer auf der Pressekonferenz in Berlin

Frage: "Ist die Formel 1 technologisch nicht mehr interessant?"
Gutzmer: "Die Formel 1 ist natürlich das Highlight im Motorsport, und wir sehen die Formel E auch nicht als Ersatz für die Formel 1 - nie und nimmer. Es handelt sich um eine andere, innovative Form des Motorsports, die sich ergänzend entwickelt. Für uns ist dieses technische Engagement nur in Hinblick auf die Technologie der Zukunft wichtig. Die Formel 1 hat sich in ihrem technologischen Bild soweit wegentwickelt, dass diese Übertragbarkeit für uns im Moment nicht zu erkennen ist. Das ist eine eigene, wichtige Welt, die für uns aber keine Rolle spielt."