• 09.12.2009 10:44

  • von Roman Wittemeier

Racing Experience: Tiefflug durch die Fuchsröhre

Motorsportfans können die Nürburgring-Nordschleife am Steuer eines Formel BMW Rennwagen erleben - Wir haben das neue Angebot für Sie getestet

(Motorsport-Total.com) - Dieses Kribbeln fängt bereits am Sonntag an. Es ist ein sonniger Nachmittag in der Eifel. Ich biege auf meinem gewohnten Weg zum Nürburgring auf die B258 ab, die entlang der ehrwürdigen Nordschleife bis zum alten Fahrerlager führt - unser Treffpunkt. Durch die Baustelle zuckele ich mit 50 km/h zum Ziel, blicke zwischenzeitlich auf den Tacho und denke: "Morgen fährst du nebenan die vierfache Geschwindigkeit" - dieses Kribbeln.

Titel-Bild zur News:

Das kleine Digitaldisplay zeigt unter anderem Drehzahl, Temperaturen, Tempo

Wenige Minuten später werde ich lächelnd von den Organisatoren Isabella und Andy empfangen. Ich sehe die sieben weiteren Kandidaten, erkenne auch deren Vorfreude, Anspannung, Aufregung. Ich bin erleichtert, denn ich bin nun nicht mehr allein. Vor uns stehen die Boliden: 140 PS bei nur 455 Kilogramm, sequenzielles Getriebe, Beschleunigung in unter vier Sekunden von Null auf 100 km/h. Diese Biester warten nur darauf, den unerfahrenen Piloten mal die besonderen Seiten der Nordschleife zu zeigen.#w1#

Die Autos sind perfekt vorbereitet: Einsteigen und Gas geben! Zoom

Die beiden Instruktoren Jörg Müller und Klaus Panchyrz geben uns am Abend eine theoretische Einweisung. Immer wieder die Sätze: "Wir machen keinen Spaziergang auf der Strecke. Wir geben ordentlich Gas. Aber ihr müsst wissen, dass die Nordschleife viele Gefahrenpunkte hat. Es gibt keine Auslaufzonen, nur Leitplanken." Die heftigsten Passagen werden für uns mit bunten Kegeln markiert, versprechen sie. Da ist es wieder - dieses Kribbeln.

Es folgt eine Sitzprobe im Formel BMW FB02. Ist das eng! Sitze ich hier tief! Alles so klein: Pedale, Display, Schalthebel! Schnell werden die wichtigsten Funktionen des Fahrzeuges durchgespielt. Man gibt uns eine komplette Ausrüstung samt Overall, Schuhen, Handschuhen, Sturmhaube und Helm. Wir werden zum Abendessen entlassen. Stumm gehen alle Teilnehmer ins Restaurant. Es wird wenig gesprochen, kaum gegessen. Was passiert morgen mit uns? Wir alle haben dieses Kribbeln.

Montagmorgen 7 Uhr: Der Wecker klingelt. Schnell aufstehen, bloß keine Gedanken machen. Dusche, Frühstück im Schnelldurchlauf. Dann in den Overall und ab zum Treffpunkt. Die gesamten 21 Kilometer Nordschleife sind nur für uns abgesperrt. Die größte Motorsportspielwiese liegt uns zu Füßen. Die Sonne kämpft sich durch den leichten Eifeldunst, Blätter fliegen quer über die Döttinger Höhe. "An solchen Tagen werden Helden geboren", meint Jörg Müller und holt mich aus meinen süßen Träumen zurück.

FBMW Nordschleife

Jörg Müller gibt immer wieder Tipps und Hinweise zum schnellen Fahren Zoom

Ab ins Auto, Zündung an, Motor starten und Gas! Die Anfahrübungen funktionieren prächtig, die Lenkung ist schwergängig und direkt, die Bodenwellen jagen mir erste Erdbeben durch den Rücken. Per Funk meldet Jörg an, dass es auf die erste komplette Runde geht. "Wir werden vorsichtig und langsam fahren", kündigt der BMW Werkspilot an. Er gibt Gas - und wie! Dranbleiben, irgendwie dranbleiben, denke ich. Vier oder fünf Kurven später ist das Vertrauen da.

"Yeeehaaaa!" rufe ich laut in den Helm, beim Grinsen ecken meine Wangen am Helmpolster an. "Wir machen keinen Spaziergang" - dieser Satz vom Vortag war Drohung und Versprechen zugleich. Nach wenigen Kurven kommt erstes Gespür für Aerodynamik, ich werde mutiger. Nicht weil ich will, sondern weil ich muss. Jörg wird immer schneller! Dranbleiben, irgendwie dranbleiben! An mindestens zwei Stellen der Strecke denke ich, dass die Runde vorbei sein müsste. Aber nein: 21 Kilometer erscheinen unendlich.

Nach zwei scheinbar endlos langen Umläufen eine kurze Pause. Trinken, viel trinken ist angesagt. Und schon geht es auf den nächsten Trip durch die "Grüne Hölle". Noch mehr Speed. Das Geschlängel am Hatzenbach im vierten Gang, am Flugplatz murrt der Magen auf der mächtigen Welle, durch die Fuchsröhre im sechsten Gang fast voll, am Bergwerk leichte Probleme beim Anbremsen, im Karrussel wild geschüttelt. Ich bin gerührt.

FBMW Nordschleife

Die Wirkung der Aerodynamik ist für Neulinge im Formelauto beeindruckend Zoom

Das Glück treibt mir fast die Tränen in die Augen. Aber keine Zeit: Am Brünnchen und in Schwalbenschwanz ist höchste Konzentration gefordert. Pause, bitte eine Pause! Es ist Mittag. 140 Kilometer liegen hinter mir, ich bin schlapp und will gleichzeitig mehr. Die Gedanken versuchen um die spektakuläre Strecke zu kreisen, doch mein Bild vor Augen friert immer wieder nach etwa zehn Kurven ein. Wie soll man sich all diese Ecken merken können?

Am Nachmittag zieht Jörg im Führungsfahrzeug das Tempo immer weiter an. Die Oberarme kämpfen, die Unterarme schmerzen. Nicht verkrampfen, flüstere ich zu mir selbst. Plötzlich spüre ich keinerlei Erschöpfung mehr, sondern erfahre einen Rausch: Tunnelblick, Fahrzeugbedienung automatisiert. Beim Anbremsen im Streckenabschnitt Kallenhard will mich die Hinterachse überholen. Lenkung öffnen, runter von der Bremse! Das war knapp! Der Rausch ist vorbei, das Bewusstsein wieder zurück.

Zum Start in den letzten Turn denke ich: "Was macht er denn jetzt?" Herr Müller hat Spaß und gibt Gas. Schnell zieht er mir davon. Dranbleiben, dranbleiben, denke ich wieder. Ich robbe mich an sein Heck. Im Paarflug geht es noch einmal zwei Runden über die legendäre Strecke. Am Ende Lob vom Chef: "Super Steigerung. Das waren zwei Hammerrunden!" Ich bin fix und fertig nach 260 Kilometern Nordschleife. Abends steige ich in mein Auto, fahre die B258 und denke: "Da warst du eben im vierfachen Tempo unterwegs!" Mir schmerzen Arme, Nacken, Hände, aber ich will dieses Kribbeln noch einmal...

Alle Informationen zu den Formel BMW Events finden Sie auf der Internetseite der Formula BMW Racing Experience.