• 18.11.2014 19:27

  • von Marcus Simmons (Haymarket)

Analyse: Die Top 10 der Formel 3 unter der Lupe

Alle sprechen von Max Verstappen, doch Esteban Ocon und Tom Blomqvist waren in der Formel-3-EM besser platziert: Eine Analyse der besten Nachwuchsfahrer

(Motorsport-Total.com) - Der Hype rund um Max Verstappen hat vielleicht alle anderen Fahrer während der europäischen Formel-3-Saison in den Schatten gestellt, aber die Klasse von 2014 hat viel mehr zu bieten, als nur den zukünftigen Toro-Rosso-Piloten. Es gab in diesem Jahr nur eine Tatsache, weshalb der Formel-3-Europameisterschaft eine größere Aufmerksamkeit als gewöhnlich zuteil wurde: Max Verstappen. Es wäre aber falsch, wenn man die Leistungen seiner Rivalen ignorieren würde.

Titel-Bild zur News: Esteban Ocon, Max Verstappen, Antonio Fuoco

2014 war eines der aufregendsten Jahre in der Formel-3-EM Zoom

Ja, Verstappen hat für eine aufregende Saison gesorgt, aber gleichzeitig wäre sein Aufstieg zum Wunderkind der Formel 1 nicht möglich gewesen, wenn er nicht die Konkurrenz von Esteban Ocon, Tom Blomqvist und Lucas Auer gehabt hätte. Ocon und Blomqvist haben Verstappen in der Meisterschaft geschlagen. Diesbezüglich gibt es interessante Statistiken. Ocon war der schnellere Fahrer, denn er stand 15 Mal auf der Pole-Position.

Obwohl Verstappen Blomqvist bei den Poles 7:6 geschlagen hat, würde diese Wertung anders aussehen, wenn man die Strafen für Motorenwechsel miteinbezieht. Ocon fuhr bei sechs der elf Rennwochenenden die schnellste Rundenzeit, Blomqvist schaffte es dreimal, Verstappen nur einmal. Aber Verstappen ist ein Racer. Man muss ihn nur im Freien Training beobachten, wie er Linien für Überholmanöver übt, statt sich zurückfallen zu lassen, um eine freie Strecke zu haben.

Das brachte ihm zehn Siege, während Ocon neunmal erfolgreich war. Die beiden trugen einige spannende Duelle aus. Um das zu unterstreichen, noch eine interessante Statistik: Verstappen führte 227 Runden, Ocon 216. Ocon fuhr wiederum für 207 Runden auf dem zweiten Platz, während Verstappen nur 43 Runden lang Zweiter war. Während diese beiden Rookies für Schlagzeilen sorgten, war das gesamte Feld sehr stark. In jedem anderen Jahr wäre Blomqvist der verdiente Meister geworden. Auer wäre verdientermaßen Meisterschaftszweiter gewesen.


Fotos: Formel-3-EM in Hockenheim


01. ESTEBAN OCON
Prema Powerteam Dallara-Mercedes
Meisterschaft: Erster, 478 Punkte
Siege: 9
Poles: 15
Schnellste Rennrunden: 7

Wenn das eine Liste wäre, "wer wäre in Zukunft am wahrscheinlichsten Meister", dann wäre es eine andere Geschichte. Sie ist es aber nicht. Es ist eine Liste, wer in der Formel-3-Europameisterschaft 2014 die beste Leistung gezeigt hat. Und diese Liste wird von dem Mann angeführt, der den Titel drei Rennen vor dem Ende gewonnen hat.

Esteban Ocon

Esteban Ocon gewann neun Rennen und wurde Europameister Zoom

Ein großer, französischer Teenager mit einem spanischen Einschlag. Ocon war zu Beginn der Saison die Messlatte. Prema hatte zweifellos die besten Karten, genauso Mercedes mit dem Motor. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Meisterschaft gewonnen, denn Ocon hatte genug Vorsprung für schwierige Momente im Spätsommer. Selbst wenn er nicht das schnellste Auto hatte, war er vorne, wie bei seiner Pole-Position auf dem Red-Bull-Ring.

02. MAX VERSTAPPEN
Van Amersfoort Racing Dallara-Volkswagen
Meisterschaft: Dritter, 411 Punkte
Siege: 10
Poles: 7
Schnellste Rennrunden: 7

Verstappens Renningenieur Rik Vernooij meinte einmal im Qualifying am Funk - ein Moment, dem Kimi Räikkönen zustimmen würde -, dass er eine freie Strecke vor sich hat. "Lass mich, ich finde schon meinen Weg", lautete die Antwort. Verstappen ist ein Naturtalent, wie man es von jemandem erwarten kann, dessen Vater in der Formel 1 war und dessen Mutter ein Superstar im Kartsport war. ("Sie machen es mit ihm, wie wenn man ein Rennpferd züchten würde", lautet ein Kommentar im Fahrerlager.)

Max Verstappen

Max Verstappen wird im nächsten Jahr Formel 1 für Toro Rosso fahren Zoom

Wenn man bedenkt, dass er zu Saisonbeginn kaum die Kupplung betätigen konnte und praktisch keinerlei Erfahrung in der Formel 3 hatte, dann waren seine Fortschritte unglaublich. Und der belgische Niederländer ist auch ein super cooler Kerl. Er ist mit fast jedem anderen Fahrer befreundet. Er wird für den Sport ein großartiger Botschafter sein. Er weiß, was er tut.

03. TOM BLOMQVIST
Carlin Dallara-Volkswagen
Meisterschaft: Zweiter, 420 Punkte
Siege: 6
Poles: 6
Schnellste Rennrunden: 9

Endlich hatte Blomqvist jene Chance erhalten, die er schon als Meister der Formel-Renault UK im Jahr 2011 erhalten hätte sollen. Er hätte vor drei Jahren sicherlich einen besseren Job gemacht, denn in dieser schwierigen Phase gab es auch Rückschläge, aber er ist auch gereift. Blomqvist war immer ein ruhiger Fahrer, aber in diesem Jahr fiel er mehr auf, denn er entwickelte sich zu einem Spitzenfahrer.

Tom Blomqvist

Für Tom Blomqvist blieb trotz sechs Siegen nur Meisterschaftsplatz zwei Zoom

Er hat nicht nur eine starke Leistung gezeigt, sondern war auch ein guter Führer für seine Jagonya-Ayam-Teamkollegen Antonio Giovinazzi und Sean Gelael, dessen Vater Ricardo die Karriere gerettet hat, nachdem er von Red Bull Ende 2013 fallengelassen wurde.

04. LUCAS AUER
Mücke Motorsport Dallara-Mercedes
Meisterschaft: Vierter, 365 Punkte
Siege: 3
Poles: 1
Schnellste Rennrunden: 2

In dieser Saison hat Auer seinen Durchbruch geschafft, obwohl es zunächst nicht nach vielversprechenden Umständen ausgesehen hat. Er kam 2013 mit Prema in die Formel-3-EM, nachdem er sich über eine ungewöhnliche Leiter (Formel BMW in Asien und Formel 3 in Deutschland) hochgearbeitet hat. Er war schnell, aber wirkte nicht überzeugend. Viele hatten ihm prophezeit, dass er bei Mücke im Schatten von Felix Rosenqvist stehen würde, aber das war nicht der Fall.

Lucas Auer

Lucas Auer ist die große Hoffnung der österreichischen Fans Zoom

Beim Saisonstart in Silverstone war das Team nicht auf Tempo, aber der Österreicher warf das Ruder herum und stand beim nächsten Rennen in Hockenheim auf der Pole-Position. Er war wahrscheinlich nicht so schnell wie Rosenqvist, wenn alles passte, aber sein Kampfgeist war stark. Er hat seinen Teamkollegen 16:6 im Qualifying geschlagen. Die älteren Semester erinnern sich vielleicht an das Teamduell seines Onkels Gerhard Berger gegen Michele Alboreto bei Ferrari 1987/88.

05. FELIX ROSENQVIST
Mücke Motorsport Dallara-Mercredes
Meisterschaft: Achter, 198 Punkte
Siege: 1
Poles: 1
Schnellste Rennrunden: 3

Der "Troll" hätte wie sein 2013er-Titelrivale Raffaele Marciello in die GP2 aufsteigen, oder es in der DTM versuchen sollen. Oder er hätte es selbst als Ersatzfahrer für Volvos V8-Supercar-Team versuchen sollen, wenn man alle schwedischen Ingredienzien in einen Topf wirft. Stattdessen wurde es ein fünftes Jahr in der Formel 3, ein viertes mit Mücke und ein drastischer Verlust des Karriere-Momentums.

Felix Rosenqvist

Felix Rosenqvist konnte in seiner fünften Formel-3-Saison nicht überzeugen Zoom

Das deutsche Team hatte zuerst auf technischen Strecken Mühe, aber in Pau und auf dem Norisring war Rosenqvist vorne dabei. Er führte das Team in den orangen Farben an und es sah nach der richtigen Richtung aus. Er hatte aber auch Pech, einige Fehler und einen schweren Unfall in Imola, bei dem er unverletzt blieb. Um seine Saison auf den Punkt zu bringen, wurde auch der Speedlimiter mehrmals unabsichtlich aktiviert.

06. ANTONIO GIOVINAZZI
Carlin Dallara-Volkswagen
Meisterschaft: Sechster, 238 Punkte
Siege: 2
Poles: 2
Schnellste Rennrunden: 3

Der aus Süditalien (Puglia) stammende Giovinazzi kam 2013 in die europäische Rennszene, nachdem sein asiatisches Team, für das er 2012 gefahren ist, meinte, dass er der Beste seit Daniel Ricciardo ist. In der Formel 3 hatte man aber immer das Gefühl, dass er versucht zu laufen, bevor er gehen kann. Häufig hat es ihm gekostet, dass er das Auto überfahren hat, aber bei rutschigen Bedingungen konnte er sich in Szene setzen.

Antonio Giovinazzi

Der Italiener Antonio Giovinazzi konnte sich mit zwei Siegen in Szene setzen Zoom

Dann kam der August. Da sein Monocoque auf dem Norisring beschädigt wurde, bekam Giovinazzi ein neues Chassis vom Carlin-Team, und plötzlich lief es wie geschmiert. Er sah immer noch spektakulär aus, aber er verlor nicht zu viel, wenn er die Reifen überhitzte und quer kam. Er war der Mann auf dem Red-Bull-Ring und hat auch auf dem Nürburgring gewonnen. Mit etwas mehr Feinschliff könnte er vorne sein.

07. JORDAN KING
Carlin Dallara-Volkswagen
Meisterschaft: Siebter, 217 Punkte
Siege: 0
Poles: 0
Schnellste Rennrunden: 0

Es gab Momente - vor allem am Norisring, in Imola und in Hockenheim - wo der Brite wie ein Spitzenmann aussah. Wenn man die Saison im Ganzen betrachtet, war er seinem Carlin-Teamkollegen Giovinazzi sehr nahe. Eswar auch seine zweite Saison in der Formel 3, aber er hatte nicht wie der Italiener diese Spitzen nach oben. King hat es nie ganz auf den Punkt gebracht. Dass er keine Pole, keinen Sieg und keine schnellste Rennrunde schaffte, zeigt die Geschichte.

Jordan King

Jordan King konnte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen Zoom

Das verdeutlicht auch die Qualifying-Statistik der Carlin-Fahrer, denn Blomqvist war in 15 Qualifyings der Beste, Giovinazzi in drei, King in zwei und Jake Dennis sowie Ed Jones jeweils einmal. Man hatte das Gefühl, dass Kings Speed vorhanden ist, aber er hat ihn nicht schnell genug gefunden. Mit seiner Rennpace konnte er aber mit jedem mithalten."

08. ANTONIO FUOCO
Prema Powerteam Dallara-Mercedes
Meisterschaft: Fünfter, 255 Punkte
Siege: 2
Poles: 0
Schnellste Rennrunden: 2

Es ist fast vergessen, dass die vielbeachteten Rookies zu Saisonbeginn als Trio gesehen wurden: Ocon, Verstappen und Fuoco. "Tony Fire" hat auch in Silverstone gewonnen, aber anschließend fiel der Italiener zurück. Es hatte den Anschein, dass sein Selbstvertrauen gelitten hat. Als amtierender Formel Renault ALPS-Meister hätte Fuoco überzeugender gegenüber seinem Prema-Teamkollegen Ocon auftreten müssen.

Antonio Fuoco

Antonio Fuoco hatte eine schwierigere Rookie-Saison als Ocon und Verstappen Zoom

Der Förderkandidat von Ferrari fährt meistens sehr geschmeidig, aber man hat den Eindruck, dass er aus seinem Komfortbereich ausbrechen muss und wie Ocon ans Limit gehen sollte. In den Rennen gab es auch einige Zwischenfälle. Er hat noch ein weiteres Mal gewonnen, aber das war nach Giovinazzis Fehler hinter dem Safety-Car auf dem Red-Bull-Ring.

09. JAKE DENNIS
Carlin Dallara-Volkswagen
Meisterschaft: Neunter, 174 Punkte
Siege: 0
Poles: 0
Schnellste Rennrunden: 0

Es war sehr ähnlich wie bei Fuoco, denn wahrscheinlich war die generelle Stärke im Formel-3-Feld ein Schock, nachdem er in den unteren Klassen relativ einfach zum Erfolg gefahren ist. Im Gegensatz zu Fuoco stand Dennis beim Saisonauftakt in Silverstone neben den Schuhen, gewann dann aber Momentum.

Jake Dennis

Jake Dennis konnte sich nur auf dem Stadtkurs in Pau in Szene setzen Zoom

Er zeigte seine beste Wochenend-Performance auf dem schwierigen Kurs in Pau, den er von der Formel-Renault kannte. Trotzdem sorgte das nicht dafür, dass er das restliche Jahr an der Spitze mitfahren konnte, aber es hat sein Können aufgezeigt. Er machte zwar einige Fehler, zeigte aber auch gute Rennen. So wie Fuoco könnte er ein Titelkandidat für 2015 sein.

10. FELIX SERRALLES:
Team West-Tec Dallara-Mercedes
Meisterschaft: Zwölfter, 82 Punkte
Siege: 0
Poles: 0
Schnellste Rennrunden: 0

Der Puertoricaner hätte Ende 2013 fast das Handtuch geworfen, aber er wurde von Fortec-Ingenieur Mick Kouros Wechsel zu West Tec ermutigt. Es war zwischen Serralles, Nicholas Latifi, Gustavo Menezes und Ed Jones schwierig, die Nummer zehn dieser Liste zu wählen. Am Ende wurde es Serralles, denn er führte ein kleines Team an, das in einer sehr konkurrenzfähigen Serie Daten und Erfahrung gesammelt hat. Es gab zwar einigen Lackaustausch, aber Serralles war in weniger Zwischenfälle als 2013 verwickelt. Er wird seine Formel-3-Erfahrung zu den Indy Lights mitnehmen, wo er ein starker Anwärter sein kann.

Und weitere Analysen

Die Banner des Verstappen-Fanclubs lauteten: "Überholen ist eine Kunst". Später in der Saison war zu lesen: "Überholen ist immer noch eine Kunst". Und genau das war beim 2014er Formel-3-Stil auffällig. Die Formel 3 ist dafür bekannt, dass die Rennen langweilig sind. 2013 war es frustrierend, da sich die Titelrivalen Marciello und Rosenqvist auf der Strecke kaum begegnet sind. 2014 war es anders: Es gab unzählige Duelle zwischen Ocon und Verstappen. Einige waren schön eingeschätzt, andere weniger, und es gab kleinere Diskussionen. Blomqvist und Auer haben auch mitgemischt.

Die andere Diskussion betraf die neuen Startplatzstrafen für Motorwechsel: zehn Plätze für drei aufeinanderfolgende Rennen. Volkswagen ist mehr ans Limit gegangen, denn von den neun Autos hatten vier Motorschäden und fassten Strafen aus. Mercedes hatte mehr Kunden und ging es konservativer an. Es gab nur drei Startplatzstrafen, aber keine davon war ein echter Motorschaden.

Max Verstappen

Von der Formel-3-Klasse 2014 wird nur Max Verstappen 2015 Formel 1 fahren Zoom

Der britische Motor von Neil-Brown-Engineering hatte einen Schaden. Man muss das hoch schätzen, denn als unabhängiger Hersteller konnte der Motor die Leistung der deutschen Triebwerke egalisieren.

Der Kalender war 2014 auch sehr gut. Pau feierte ein willkommenes Comeback und alle liebten Imola. Da es auf beiden Strecken einige Unfälle gab, zeigte, dass sie eine besondere Herausforderung für die Fahrer sind. Nur wenigen - mit Ausnahme von Ocon - gefiel der Moskau-Raceway. Drei britische Teams ließen dieses Rennen aus. Würde Moskau durch Zandvoort ersetzt werden, hätten wir unseren idealen Kalender.