Wurz: "Sauschwierig, ein aktives Cockpit zu bekommen"
Alexander Wurz im Interview über 2006, den angehenden Weltmeister Alonso und die Rolle seines einstigen Feinbildes Briatore bei Renault
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Alexander, wir warten auf Neuigkeiten bezüglich deiner Zukunft. Wann wird es soweit sein?"
Alexander Wurz: "Ihr seid nicht die Einzigen, die warten, sondern ich warte genauso! Es ist verdammt schwierig, für die kommende Saison ein aktives Cockpit zu bekommen. Die Situation ist leider so. Mehr kann ich leider auch nicht dazu sagen. Es ist halt sauschwierig."

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Alexander Wurz hat kaum noch Chancen auf ein Stammcockpit für nächste Saison
Frage: "Wie sieht das hinter den Kulissen aus? Wartest du einfach ab, ist es ein ständiges Telefonieren oder wartest du auf den entscheidenden Anruf?"
Wurz: "Da musst du meinen Manager fragen, der das alles macht. Ich konzentriere mich im Moment nur auf das Fahren."#w1#
Verhandlungen finden auch am Rennwochenende statt
Frage: "An der Rennstrecke passiert wahrscheinlich am allerwenigsten, oder?"
Wurz: "Natürlich passiert am Rennwochenende auch einiges, weil die ganzen Leute vor Ort sind und man nicht irgendwo hinfliegen oder telefonieren muss. Logisch ist aber, dass man telefoniert, miteinander spricht und Meetings hat. Das ist ganz normal in dem Business."
Frage: "Welche Aufgaben in der Formel 1 wären für dich noch interessant?"
Wurz: "Rennen fahren! Das ist die Aufgabe, die mich primär interessiert."
Frage: "Wie viele Möglichkeiten gibt es von den Teams her noch?"
Wurz: "Wir reden schon wieder zu viel..."
Frage: "Okay, Themenwechsel: Glaubst du, dass sich die Weltmeisterschaft schon hier entscheiden wird?"
Wurz: "Bei den Fahrern ist das gut möglich, denn Alonso muss wirklich nur noch den dritten Platz nach Hause fahren. Das ist nicht einfach, aber es ist möglich. Räikkönen muss allerdings gewinnen, was natürlich wesentlich schwieriger ist als Dritter zu werden."
Frage: "Wird dieses Jahr der beste Fahrer Weltmeister?"
Wurz: "Der mit den meisten Punkten ist in der WM der beste Fahrer, denn über das Jahr hinweg muss man eben punkten. Ob er überhaupt der beste Fahrer ist, darüber lässt sich streiten, aber er ist sicher einer der besten, das steht außer Frage."
Erfolg oder Misserfolg ist immer eine Teamsache
Frage: "Für McLaren-Mercedes wäre mehr möglich gewesen. Wer hat die Saison vergurkt?"
Wurz: "Willst du mich mit diesem Interview ins Kreuzfeuer bringen (lacht)? Das ist eine Teamsache: Wenn das Team gewinnt, können wir uns alle damit schmücken, und wenn das Team verliert, müssen wir alle den Schwanz einziehen, um ganz ehrlich zu sein."
Frage: "Also, noch einmal: Ist die Fahrer-WM bereits entschieden?"
Wurz: "Naja, als Sportler wie Räikkönen müsste man sagen, dass es nie entschieden ist, denn man ist natürlich Optimist und geht mit vollem Elan ins Rennen, solange es eine Chance gibt - und selbst wenn es keine Chance mehr gibt, gibt man alles, weil es das ist, was man gerne macht. Realistisch gesehen ist es aber schon sehr schwierig, die Fahrer-WM noch zu gewinnen. Ganz anders steht es aber um die Konstrukteurs-WM."
Frage: "Kannst du den angehenden Weltmeister Fernando Alonso charakterisieren?"
Wurz: "Viel fällt mir dazu nicht ein. Ich kannte ihn eigentlich zu seiner Zeit als Testfahrer besser, denn damals verbrachten wir viel Zeit auf denselben Flughäfen und so weiter. Damals haben wir viel miteinander gesprochen, aber jetzt habe ich eigentlich überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihm außer hin und wieder ein Hallo im Fahrerlager. Ich bin mir sicher, dass er sich in den letzten beiden Jahren als Person verändert hat, was auch ganz normal ist, wenn man in zwei Jahren vom Testfahrer zum Nationalhelden aufsteigt."
Wurz sieht in Alonso eine "gesunde Mischung"
Frage: "Ist er eher der heißblütige Südländer oder eher introvertiert?"
Wurz: "Ich denke, er ist eine gesunde Mischung. Er ist introvertiert und nicht so heißblütig, dass er Fehlentscheidungen trifft, wenn das Blut zum Kochen anfängt - wie bei so manch anderem Südländer. Dennoch hat er genug Temperament, das man braucht, um ein bisschen Star zu sein und sich als Fahrer bei Renault durchzusetzen."
Frage: "Was wird bei Renault abgehen, wenn Fernando Alonso am Sonntag Weltmeister wird?"
Wurz: "Wenn du Weltmeister wirst und nicht feierst, hast du falsche Prioritäten! So oft schafft man das auch nicht. Ich bin mir sicher, dass die eine Riesenparty schmeißen werden - und welches Land wäre dafür besser geeignet als Brasilien? Wenn du in Japan Weltmeister wirst, kannst du zu dritt den Schuh aufblasen in der Karaoke-Bar, aber sonst nichts."
Frage: "Weißt du, ob Fernando Alonso einer ist, der auch feiern kann?"
Wurz: "Das weiß ich nicht, aber wenn er es noch nicht kann, dann wird er es sicher lernen..."
Frage: "Sein Teamchef ist ein alter Bekannter von dir, Flavio Briatore. In den letzten Jahren war der Erfolg meistens dort, wo auch er war. Kann man das so sagen?"
Wurz: "Jein. Er hat auch lange gebraucht, bis er sich nach seinem Benetton-Rausschmiss wieder rehabilitiert hatte. Er hatte mit Schumacher Erfolg, aber dann ist das Team mit ihm in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Er hat lange gebraucht, bis er Renault wieder zum Gewinnen gebracht hat - aber die Zeit braucht man auch in der Formel 1, denn von heute auf morgen geht nichts. Es stimmt schon, dass Flavio ein perfekter Manager ist, der die Leute gut delegieren kann und sie zusammen holt. Das zeichnet ihn aus."
Briatore für junge Fahrer nicht immer ein Segen
Frage: "Wie wichtig ist so ein Mann im Hintergrund für die Entwicklung eines jungen Fahrers?"
Wurz: "Da kann ich ganz genau sagen, wie das ist: Wenn du ihn für dich hast, ist das sehr beflügelnd und man kann sich wunderbar entwickeln, aber wenn du ihn gegen dich hast, hast du ganz schlechte Karten."
Frage: "Du bist damals auch ein wenig an Flavio Briatore gescheitert, nicht wahr?"
Wurz: "Ja, aber jetzt gehen wir schon so weit zurück, dass die Geschichte schon fast nicht mehr wahr ist..."
Frage: "Glaubst du, dass das Kräfteverhältnis in der Formel 1 auch nächstes Jahr so bleiben wird, oder rechnest du wieder mit Ferrari? Wie wird es weitergehen?"
Wurz: "Das ist eine interessante Frage. Dazu muss man sich auch mit dem Reglement befassen. Es ändert sich zwar beim Chassis nicht so viel, aber der V8-Motor, der doch wesentlich weniger Leistung hat, wird sehr viel verändern. Es kann durchaus auch sein, dass die Japaner (Bridgestone; Anm. d. Red.) auf einmal wieder einen guten Reifen bringen, weil sie weniger Abrieb haben, weil weniger Power da ist. Man muss die Aerodynamik der Fahrzeuge ändern, weil wir keine Motorleistung mehr haben. Dadurch ändert sich so viel, dass ein ganz neues Kräfteverhältnis entstehen könnte. Grundsätzlich werden aber wieder die Teams mit einem hohen Budget ganz vorne sein."

