Das große 'F1Total.com'-Interview mit Vitantonio Liuzzi
Der italienische Formel-1-Playboy über seine Benachteiligung bei Red Bull, die Perspektiven für 2006, zu kreative Journalisten und vieles mehr
(Motorsport-Total.com) - Als Eddie Irvine vor ein paar Jahren seine Karriere beendete, befürchteten viele, dass mit ihm auch der letzte Playboy der Formel 1 dahin sein könnte. Doch wie es das Schicksal so will, bescherte Red Bull der Königsklasse dieses Jahr einen neuen Paradiesvogel, der in optischem Auftreten, Lebensmentalität und in Sachen Frauen mindestens genauso interessant ist wie einst "Crazy Eddie": Vitantonio Liuzzi. Am Rande des Grand-Prix-Wochenendes in São Paulo unterhielt sich 'F1Total.com' am Donnerstagnachmittag mit dem 24-jährigen Italiener.

© Red Bull
Vitantonio Liuzzi in Action: Würden Sie diesem Mann Ihre Tochter anvertrauen?
Merkbar geschlaucht von den üblichen Medienterminen an jedem Formel-1-Donnerstag stellte sich Liuzzi geduldig den Fragen, ehe er urplötzlich "wegen eines Meetings" weg musste. Davor sprach er unter anderem über die Spaßgesellschaft bei Red Bull, das Duell mit seinem Konkurrenten und Freund Christian Klien, die Erfahrung, sich aus einem Flugzeug in den freien Fall zu stürzen, die Austro-Mafia, die es ihm so schwer macht, ein Stammcockpit zu ergattern, und nicht zuletzt über das erfundene Märchen, wonach er einen Testtag sausen lassen haben soll, um sein neues Bett ausprobieren zu können.#w1#
Vorfreude auf das Rennwochenende in Brasilien
Frage: "Tonio, normalerweise gehen Formel-1-Fahrer ja nicht allzu viel aus, aber bei Red Bull ist das eine andere Geschichte. Von all den Städten, in denen du bisher gewesen bist: Wie gefällt dir São Paulo?"
Vitantonio Liuzzi: "Ich bin erst gestern hier angekommen und habe daher noch nicht wirklich etwas von der Stadt gesehen. São Paulo ist ein neuer Ort für mich, denn ich war noch nie in diesem Land und dementsprechend auch noch nie auf dieser Strecke. Es wird ein interessantes Wochenende. Alle reden ziemlich positiv über Brasilien. Umso mehr bin ich schon gespannt, wie wir abschneiden werden."
Frage: "Das letzte Mal, als wir uns unterhalten haben, hattest du gerade eine lange Partynacht hinter dir. Das war am Montag nach deinem ersten Grand Prix in Imola. Hat es seither mehr solche Partys gegeben?"
Liuzzi: "Es hat in Kanada und in Amerika ein paar gute Partys gegeben, ja. Hockenheim und Spa waren auch okay. Red Bull macht das natürlich absichtlich, denn sie sind eine ganz andere Marke als die anderen Teams. Bei Red Bull geht es mehr um die Action, daher machen sie immer wieder solche Events. Wir hatten durchaus ein paar gute Partys, aber die beste kommt wohl erst am Saisonende!"
Frage: "Du bist kürzlich in Belgien mit dem Fallschirm abgesprungen. Wie war das?"
Liuzzi: "Stimmt. Wir haben das am Freitagabend nach dem Training gemacht. Ich bin so gegen 19:00 Uhr aus etwa 3.500 Fuß abgesprungen. Es war wirklich cool! Ich habe Red Bull schon lange deswegen angebettelt, denn ich liebe Adrenalinsportarten. Das war unglaublich cool, wirklich beeindruckend!"
Fallschirmsprung war eine "großartige Erfahrung" für Liuzzi
Frage: "Würdest du noch einmal springen?"
Liuzzi: "Sicher, obwohl ich mir erst ein bisschen in die Hose gemacht habe! Da dachte ich schon, ich lasse es lieber sein. Aber es war wirklich eine großartige Erfahrung. Ich bin ja auch mit Profis gesprungen."
Frage: "So toll das Spaßimage von Red Bull mit all den Partys und Events auch sein mag, aber stellt es manchmal vielleicht auch eine gewisse Ablenkung vom Wesentlichen dar?"
Liuzzi: "Naja, eher nicht. Diese Dinge sind für uns Fahrer ja auch Gelegenheit, einfach mal auszuspannen. Eine Formel-1-Saison ist wirklich ein Full-Time-Job, 365 Tage im Jahr. Das kann manchmal schon sehr anstrengend sein, aber Red Bull macht noch das Beste daraus, denn hier hat man zwischendurch auch mal Gelegenheit, sich einfach baumeln zu lassen und gut drauf zu sein. Manchmal besuchen wir wirklich coole Orte, machen wirklich coole Events, haben Spaß zusammen. Die Atmosphäre ist einfach lockerer als bei anderen Teams, was ich für sehr wichtig halte. Ich finde nicht, dass das vom Wesentlichen ablenkt, sondern ich denke eher, dass es eine hilfreiche Mentalität ist."
Frage: "Reden wir über deine Situation. Du sitzt hier nicht wie erwartet im zweiten Auto. Bist du sehr sauer, dass du das Rennen in Brasilien nicht bestreiten kannst?"
Liuzzi: "Klar bin ich verärgert, denn jeder Rennfahrer hat Benzin im Blut. Wenn man sich dann das Rennen im Fernsehen anschauen muss, ist das nicht gerade nett. Andererseits ist es mir wichtiger, schon die nächste Saison im Auge zu behalten. Dann werde ich alle Rennen bestreiten. Da sieht es im Moment recht positiv aus. Sind wir mal ehrlich: In den letzten drei Rennen hätte ich auch nicht mehr groß Karriere machen können! Da ist es mir schon wichtiger, für nächstes Jahr eine gute Ausgangsposition zu haben."
Liuzzi enttäuscht, weil Klien die Saison zu Ende fahren darf
Frage: "Christian Klien durfte wesentlich mehr Rennen fahren als du, am Saisonende wird es 15 zu vier zu seinen Gunsten stehen. Hättest du damit gerechnet?"
Liuzzi: "Eigentlich war ich fest darauf eingestellt, diese letzten drei Rennen zu bekommen, aber das Team meint, dass das so die bessere Entscheidung ist. Mich bringt das natürlich in eine schwierige Situation, aber sie sagen, dass ich die Strecken der letzten drei Rennen nicht kenne und so weiter. Sie haben sich eben für Christian entschieden - wahrscheinlich auch, weil er jetzt schon anderthalb Jahre für Red Bull fährt. Da wollten sie ihm wohl die Chance geben, dieses Jahr auch noch zu Ende zu fahren. Ich glaube auch, dass sie ihn ganz genau einschätzen wollen, aber nach diesen zwei Jahren müsste das eigentlich dann möglich sein."
Frage: "Die 'Autosprint' zitiert dich in der aktuellen Ausgabe so, dass der Eindruck entstehen könnte, du hättest von der österreichischen Connection bei Red Bull langsam genug..."
Liuzzi: "Was schreiben sie denn?"
Frage: "Dass du mehr oder weniger behauptest, Christian Klien säße nur im Cockpit, weil er Österreicher ist und Red Bull in Österreich den Hauptsitz hat. Angeblich sei alles nur eine politische Entscheidung."
Liuzzi: "Das habe ich so nicht gesagt. Die Journalisten nehmen die Zitate manchmal nicht ganz so genau, damit etwas eine bessere Story abgibt oder sich besser liest. Aber es stimmt schon, dass es für ein österreichisches Unternehmen wahrscheinlich wichtig ist, einen österreichischen Fahrer zu haben. Sicher hat das auch zur Entscheidung des Teams beigetragen. Mir war das aber von vornherein klar. Das ist doch ganz normal! Ein italienisches Unternehmen - vielleicht mit der Ausnahme Ferrari - würde auch immer einen italienischen Fahrer bevorzugen. Ich habe sicher nicht gesagt, dass Christian nur deswegen fährt. Geholfen hat es ihm aber schon."
Vorbereitung für 2006: Testen, testen und noch mal testen...
Frage: "Wenn man die Leistungen von Christian Klien in seinem ersten und in seinem zweiten Formel-1-Jahr miteinander vergleicht, dann hat er sich dank der Erfahrung doch deutlich gegenüber 2004 gesteigert. Glaubst du, dass du auch so eine Steigerung drauf hast? Immerhin kennst du nächstes Jahr dank der Freitagstests schon alle Strecken."
Liuzzi: "Ich denke, dass ich mit jedem Rennwochenende besser werde. Ich brauche einfach die Kilometer. Jetzt, am Saisonende, habe ich schon mehr Kilometer am Buckel als zu Beginn des Jahres, daher bin ich auch selbstsicherer geworden. In diesem Sport geht es aber um die Rennen, nicht um das Testen, und man kann sich auch als Fahrer im Rennen am besten weiterentwickeln."
"Grundsätzlich muss ich diesen Winter so viel wie möglich testen, denn das wird mir nächste Saison den Einstieg erleichtern. Das ist ganz wichtig. In der Formel 1 klappt es eben nicht, dass man als Neuling einsteigt und gleich Rennen gewinnt oder alles in Grund und Boden fährt. Man braucht eine Lernphase. Das erste Jahr braucht man dafür einfach, was man ja auch an Alonso, Button, Räikkönen gesehen hat. Das ist ganz normal."
Frage: "Christian Klien sagt, dass er sich nicht mehr als Junior fühlt und daher auch nicht ins Juniorteam von Red Bull, also zu Minardi, versetzt werden möchte. Wärst du einverstanden damit, 2006 bei Minardi zu landen?"
Liuzzi: "Das Team weiß selbst, was am besten ist. Dass sie Christian jetzt noch einmal drei Renneinsätze geben, hat sicherlich auch damit zu tun, dass sie herausfinden wollen, ob er für die Zukunft auch wirklich gut genug ist. Für mich ist in erster Linie wichtig, dass ich einmal eine volle Saison bekomme, denn dann kann ich beweisen, wozu ich in der Lage bin. Natürlich würde ich gerne bei Red Bull Racing bleiben, denn das Team ist wie meine Familie, aber ich bin sicher, dass auch Minardi bald schon stärker sein wird. Dennoch: Ich würde gerne bleiben, denn wir haben hier ein gutes Team beisammen. Sie wissen hier, was sie zu tun haben, und sie werden sicher ein starkes Auto bauen."
Von Feindschaften mit anderen Fahrern hält Liuzzi nichts

© xpb.cc
Abseits der Strecke sind Klien und Vitantonio Liuzzi (rechts) gute Freunde Zoom
Frage: "Auch in dieser Frage ist Christian Klien dein Konkurrent. Ihr versteht euch blendend, seid sogar Freunde - und doch auch Konkurrenten. Wie kann das funktionieren?"
Liuzzi: "Es geht nicht darum, ob ich Christians Freund bin oder nicht, sondern ich habe mit niemandem in der Formel 1 ein Problem. Natürlich sind wir Rennfahrer, und natürlich fahren wir um unsere Zukunft und unsere Karriere. Wenn wir das Visier herunterklappen, sind wir Konkurrenten, aber warum sollten wir uns deswegen nicht gut verstehen oder nicht Freunde sein? Das Fahrerlager ist eine kleine Welt, und man ist sowieso das ganze Jahr über mit der Formel 1 beschäftigt. Da will ich es mir nicht auch noch antun, ständig Feinde um mich herum zu haben! Ich möchte mit jedem gut auskommen. Das klappt bisher ganz gut."
Frage: "Du lebst ja zusammen mit Christian Klien in einem Haus in England. Habt ihr jemanden, der euch beispielsweise den Abwasch macht und sonst im Haushalt aushilft?"
Liuzzi: "Nein, wir haben niemanden. Ich muss die ganze Arbeit machen! Christian ist fast nie da, daher bin ich meistens alleine. Das ist auch ganz okay, denn so habe ich mehr Platz, um Freunde einzuladen."
Frage: "Und Frauen..."
Liuzzi: "Natürlich!"
Mit den Journalisten hat Liuzzi nicht immer nur Freude...
Frage: "Wenn wir schon davon reden: Angeblich hast du im Sommer einen Test abgesagt, weil du erst dein neues Bett ausprobieren wolltest. Stimmt das?"
Liuzzi: "Das ist doch Schwachsinn! Die Journalisten drehen sich diese Geschichten manchmal wirklich einfach so hin, wie sie sie brauchen. Ich würde so etwas nie machen! Es war so: Wir hatten einen dreitägigen Test. Ich war für den letzten Tag eingeteilt. Mein Bett kam am ersten Tag dieser Testwoche an, daher wäre ich sowieso nicht gefahren. Irgendein Journalist hat sich diese Geschichte ausgedacht, um einem Fahrer wie mir das Leben schwieriger zu machen..."
Frage: "Du bist bei Red Bull sehr stark verwurzelt, hast viele Freunde im Team, fühlst dich sehr wohl. Hast du trotzdem hinsichtlich deiner Zukunft Kontakt zu anderen Teams aufgenommen?"
Liuzzi: "Diese Welt ist so klein, dass ich über solche Dinge mit kaum jemandem sprechen kann. Journalisten können einem Fahrer das Leben wie gesagt ganz schön schwer machen, wenn sie sich irgendwelche Vorfälle aus den Fingern saugen, die in Wirklichkeit nie passiert sind. Das Problem ist, dass die Leute auch danach bewerten, was sie lesen und was sie hören. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich Gespräche bezüglich meiner Zukunft führe, aber mein Ziel ist schon, bei Red Bull zu bleiben."
Frage: "Dietrich Mateschitz hat sich kürzlich sehr lobend über dich als Rennfahrer und Persönlichkeit geäußert. Er scheint viel von dir zu halten. Wie oft triffst du ihn eigentlich?"
Liuzzi: "Leider treffen wir uns nicht allzu oft, denn er ist sehr beschäftigt. Er hat ja nicht nur in der Formel 1 zu tun, sondern er muss sich auch um seine anderen Geschäfte kümmern. Wir treffen uns nur manchmal, wenn er zu den Rennen kommt. Dann reden wir schon ab und zu miteinander, aber sonst sehen wir uns selten. In Österreich sind wir auch fast nie, weil wir in erster Linie damit beschäftigt sind, das Auto schneller zu machen und die Resultate nach Hause zu bringen. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für andere Dinge übrig."

