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Red Bull verleiht (immer mehr) Flügel!
'F1Total.com'-Experte Marc Surer analysiert den Minardi-Deal und beleuchtet, warum es für junge Fahrer nun schwieriger werden könnte
(Motorsport-Total.com) - Mitte November vergangenen Jahres übernahm Red Bull für angeblich rund eine Million Euro das Jaguar-Team vom Ford-Konzern und stieg damit nach einem intensiven Engagement als Sponsor erstmals auch mit einem eigenen Projekt in die Formel 1 ein. 2006 wird der österreichische Energydrink-Hersteller sogar vier Autos beflügeln, nachdem auch Minardi aufgekauft wurde.

© xpb.cc
Vitantonio Liuzzi ist einer der Fahrer, die von Red Bulls Engagement profitieren
Der in der Gegend um 30 Millionen Euro schwere Kauf des kleinsten Rennstalls der Königsklasse ist für Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz die logische Fortsetzung seiner Nachwuchsförderung, zumal bei Minardi - der Name des Teams wird wahrscheinlich noch geändert - jene Junioren geparkt werden sollen, für die bei Red Bull Racing einfach kein Platz mehr ist. Sprich: Einer aus dem Duo Klien/Liuzzi wird vermutlich Teamkollege des Amerikaners Scott Speed.#w1#
Schlägt die Stunde für Neel Jani und Sebastian Vettel?
Letzterer hat zwar schon einen Vertrag als dritter Pilot des A-Rennstalls unterschrieben, könnte nun aber einen Full-Time-Job aufgehalst bekommen, gegen den er sicher nichts einzuwenden hätte. Neben Coulthard, Klien, Liuzzi und Speed kann Red Bull aber auch zwei Freitagsplätze vergeben, für die sich Kandidaten wie der Schweizer GP2-Mann Neel Jani (21) oder Sebastian Vettel (18), der nach einer Traumsaison in der Formel BMW in der Formel-3-Euroserie noch Anlaufschwierigkeiten hat, aufdrängen.
Aus Sicht von 'F1Total.com'-Experte Marc Surer ist es "eine sehr teure Angelegenheit, einfach ein zweites Formel-1-Team aufzukaufen", so der Schweizer, "aber langfristig macht es durchaus Sinn, denn ab 2008 darf man ja die Chassis' tauschen. Das heißt, sie brauchen dann nur noch einen Chassishersteller, während das zweite Team das Chassis kostenlos geliefert bekommt. Das B-Team kann so von denselben Entwicklungen profitieren."
Surer spielt damit auf die von der FIA angestrebten Regeländerungen zur Kostensenkung an, die es den Teams erlauben sollen, Kundenchassis' an die Konkurrenz zu verkaufen. Red Bull hat daher vor, langfristig die Minardi-Fabrik in Faenza aufzulösen und das Team nach Großbritannien zu verlagern, wo man erst kürzlich einen der modernsten Windkanäle des Motorsports überhaupt in Betrieb genommen hat. Vorerst ist ein solcher Austausch von Synergien aber noch nicht möglich.
Red Bull Racing und Minardi werden nicht zusammengeführt
Mateschitz ist diesbezüglich auch Paul Stoddart im Wort, dem er versprochen hat, die Belegschaft und die Fabrik in den nächsten zwei Jahren voll zu nutzen beziehungsweise zu beschäftigen. Vorerst ist damit klar, dass die beiden Teams voneinander "unabhängig und eigenständig geführt werden müssen", so der Energydrink-König gegenüber 'Motorsport aktuell'. "Sie stehen im Wettbewerb zueinander. Sie sind auch räumlich zu weit auseinander. Es muss so sein, dass wir Minardi verstärken, ohne Leute von Red Bull Racing abzuziehen."
"Es wäre der größte Fehler, Know-how von Red Bull Racing abzuziehen und nach Italien zu transferieren", erklärte Mateschitz weiter, "denn unsere vordringlichste Aufgabe muss es nach wie vor sein, Red Bull Racing einen Schritt vorwärts zu bringen - mit dem neuen Motor von Ferrari und der neuen Konstruktion. Deshalb dürfen wir das Team nicht schwächen."
Fest steht aber, dass auch in Minardi investiert werden muss, wenn man die Truppe konkurrenzfähiger machen will - und genau das hat Red Bull vor: "Ich glaube, dass wir für 2006 ein besseres Auto zustande bringen. Wir müssen nach Faenza fahren und analysieren. Dort sind nicht allzu viele Leute. Der Stamm muss sicher ergänzt und verstärkt werden. Es muss investiert werden. Anders geht das nicht", gab Mateschitz zu Protokoll.
Stoddart muss die Formel-1-Bühne wohl verlassen
Mit "ergänzen und verstärken" meint er aller Voraussicht nach auch, dass die Herren Stoddart und Minardi aus der Formel 1 verschwinden müssen. Vor allem im Fall von Stoddart wird dies sicher nicht nur Tränen nach sich ziehen, denn der Australier hat sich immer wieder mit den Obrigkeiten angelegt - am lautesten mit FIA-Präsident Max Mosley und Ferrari-Teamchef Jean Todt.
Surer wird Stoddart aber vermissen: "Er war das Sprachrohr der kleinen Teams", so der 'F1Total.com'-Experte. "Er war zwar extrem, aber er hatte immer den Mut, auch mal unpopuläre Sachen zu sagen. So gesehen wird er mir fehlen. Es braucht jemanden, der auf den Tisch klopft. Er hat das vielleicht nicht diplomatisch gemacht, aber irgendwie hat er doch gekämpft für sich und seinesgleichen. Zu hören, was er sagt, war immer interessant."
Surer sieht Einsatzmöglichkeiten für seine Landsleute
Prinzipiell findet der Schweizer den Deal sowieso "sensationell, zumal auch zwei meiner Landsleute in diesem Förderprogramm sind, nämlich Neel Jani und Sebastian Buemi", meint Surer, der erst kürzlich bei Janis Sieg im GP2-Rennen in Monza im Fahrerlager Beifall klatschte. Aber: "Neel ist schnell, immer ein bisschen auf der Kippe. Zwar hat ihm Scott Speed ein bisschen den Rang abgelaufen, aber so eindeutig ist es nicht", analysiert der 82-fache Grand-Prix-Teilnehmer.
Und weiter: "Ich finde es toll, dass Red Bull ohne Rücksicht auf die Nationalität Fahrer fördert. Bei ihnen bekommt jeder seine Chance. In einem B-Team Formel-1-Erfahrung zu sammeln, kann jedem Nachwuchspiloten nur gut tun. Minardi war ja schon immer dafür bekannt, Talente hervorzubringen, denn die Alonsos und Webbers dieser Welt haben auch dort ihre Sporen verdient", weiß er. "So gesehen ist es eine tolle Geschichte, dass sie sich dieses B-Team sichern und jungen Fahrern eine Chance geben. Eine tolle Nachwuchsförderung - besser kann man es nicht machen!"
Red Bull nimmt das hauseigene Juniorenprogramm so ernst, dass man sich nicht mehr darauf verlassen will, die Talente für viel Geld bei einem anderen Team zu parken, denn dort hat man "keinen Einfluss auf die Qualität, auf die Sicherheit, auf die Atmosphäre", argumentierte Mateschitz, für den somit klar ist: "Wenn es uns ein dringliches Anliegen ist, mehr Red-Bull-Junioren in die Formel 1 zu bringen, müssen wir die Anzahl der eigenen Cockpits erhöhen."
Wo sollen die restlichen Talente jetzt unterkommen?
Dies bedeutet allerdings auch, dass Fahrerplätze für unerfahrene Hoffnungsträger aus anderen Rennserien, die nicht dem Red-Bull-Kader angehören, kaum noch einen direkten Weg in die Formel 1 finden können. Lediglich Midland bleibt ab 2006 als klassisches Einsteigerteam übrig, doch selbst dort wird man kommende Saison vermutlich auf nicht mehr ganz unbeschriebene Blätter wie Anthony Davidson oder die derzeitigen Piloten Monteiro und Karthikeyan setzen.
"Das mit dem Einkaufen", nickt Surer mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck, "beschränkt sich jetzt natürlich mehr auf Jordan - und dort ist man inzwischen auch auf einem Level, wo man nicht unbedingt beide Plätze an Bezahlfahrer vergibt. Die möchten ja auch Erfolg haben. Somit ist nur noch ein Platz vorhanden bei denen." Allerdings geht für den 54-Jährigen deswegen nicht die Welt unter: "Die Formel 1 war doch eigentlich schon immer so, oder?"

