• 29.07.2006 20:34

Wurz: "Es stehen viele Optionen an"

Alex Wurz analysiert die Situation am Transfermarkt, den WM-Kampf zwischen Ferrari und Renault sowie die Spannungen zwischen Red Bull und Klien

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Alexander, die Aufholjagd von Ferrari geht immer weiter, auch in Hockenheim. Sieht man das auch in den Freien Trainings und bei den Tests?"
Alexander Wurz: "Die Aufholjagd von Ferrari ist schon beeindruckend, aber zum Teil dem neuen Reifentypen von Bridgestone zu verdanken - ein Weg, den Williams vor Ferrari eingeschlagen hat. Das hat alles gut zusammengepasst. Schumacher hat das in den letzten Rennen gut umgesetzt."

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz

Alexander Wurz ist in Transferfragen immer auf dem neuesten Stand...

Frage: "Glaubst du, dass Michael Schumacher Fernando Alonso noch einholen kann?"
Wurz: "Er hat 17 Punkte Rückstand, das kann er schon noch schaffen. In der Formel 1 sind schon verrücktere Geschichten passiert. Es ist auf jeden Fall spannend, denn eines ist klar: Ferrari ist momentan die stärkere Kraft."#w1#

Ferrari setzt ungemeine Kräfte frei

Frage: "Bei Renault gibt es angeblich ein bisschen Nervenflattern im Team..."
Wurz: "Ich glaube weniger an Nervenflattern als daran, dass ein bisschen der Dampf raus ist. Man darf nicht vergessen: Alonso geht weg, Ferrari holt ein bisschen auf - und auf einmal bist du nicht mehr der Platzhirsch, sondern du musst hart kämpfen. Ferrari musste schon immer hart kämpfen, daher ist das bei denen jetzt eine andere Schubkraft, eine andere Motivation, die da freigesetzt wird. Es ist typisch Formel 1: Man darf sich nie ausruhen, was Renault sicher auch nicht macht, aber es zeigt, wie rasant in der Formel 1 weiterentwickelt wird."

"Die nächsten Strecken müssten uns entgegenkommen." Alexander Wurz

Frage: "Wo steht ihr momentan bei Williams?"
Wurz: "Am Saisonbeginn waren wir schnell und unzuverlässig, aber in den letzten paar Rennen waren wir unzuverlässig und noch dazu grausam langsam. Das war nicht so schön. Hier funktioniert das Auto aber besser, auch die nächsten Strecken müssten uns entgegenkommen. Vielleicht können wir das eine oder andere Mal in die Punkte fahren und auch mal überraschen. Es wird aber auch Zeit, denn bei den vergangenen paar Rennen bekam man ja fast Magengeschwüre."

Frage: "Du warst am Freitagmorgen wieder einmal Trainingsschnellster. Fühlst du dich momentan in Topform?"
Wurz: "Ich bin stark drauf, ganz klar... (grinst; Anm. d. Red.)"

Frage: "Nicht so gut geht es Christian Klien, der sogar vom Red-Bull-Magazin schon aus der Formel 1 geschrieben wird. Ist das nicht eine eigenartige Vorgehensweise?"
Wurz: "Ja, das ist nicht nett, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich selbst kenne das aus dem zweiten und dritten Jahr meiner Karriere: Wenn es einmal Unstimmigkeiten gibt und dann auch noch solche Geschichten losgetreten werden - von nichts heraus entsteht so etwas ja nicht -, dann ist das für den Fahrer sehr schwierig. In jedem Sport sind die Athleten sehr sensible Kreaturen. Das ist keine Schwäche, sondern das ist so, denn uns wird viel abverlangt. Streicheleinheiten gibt es in der Formel 1 sowieso nicht, aber wenn man auch noch attackiert wird, dann fällt einem alles ziemlich schwer. Es ist ein hartes Business. Ich weiß, wie sich Christian fühlen muss. Das ist sicher nicht lustig für ihn."

Wurz sieht in Klien guten Grundspeed

Frage: "Du hast einmal gesagt, dass Christian Klien der schnellste der sechs Red-Bull-Piloten ist. Siehst du das noch immer so?"
Wurz: "Ich habe das nicht ganz so beobachtet, aber als ich das gesagt habe, war er meines Erachtens der schnellste Red-Bull-Pilot, ja. Er ist auf keinen Fall langsam, hat in den unteren Kategorien viel gewonnen und hatte in der Formel 1 bei Jaguar neben Webber einen schwierigen Einstand. Es ist eben ein undankbares Geschäft. Er hatte beim Reinkommen viel Glück, aber nun ist es eben hart, drin zu bleiben. Ich spreche aus eigener Erfahrung, bin ein gebranntes Kind. Die Formel 1 ist ein Business, in dem nicht nur die Rundenzeiten zählen, sondern auch die politischen Ellbögen."

"Ich glaube nicht, dass daran die Medien schuld sind." Alexander Wurz

Frage: "Oft sind es gerade die Österreicher, die nicht miteinander arbeiten können, oder?"
Wurz: "In dem Fall schon, aber ich glaube nicht, dass daran die Medien schuld sind, wie es oft dargestellt wird. Wenn es Unstimmigkeiten gibt, dann entspringen die immer von teaminternen Sachen. Das habe ich inzwischen gelernt. Es fallen harte Worte gegen das Red-Bull-Lager. Es mag sein, dass das aus Österreich kommt, aber die Unstimmigkeiten sind nun mal da - und damit müssen sie sich bei Red Bull auseinandersetzen."

Frage: "Es ist so leicht wie schon lange nicht mehr, in die Formel 1 zu kommen, denn es gibt viele vakante Cockpits..."
Wurz: "Du warst noch nie Rennfahrer! Die Formel 1 ist der absolute Gipfel, der Mount Everest des Motorsports. Man kann dafür zahlen, auf den Mount Everest zu kommen, was auch in der Formel 1 geht, aber nur die Besten kommen auch ohne Sauerstoffmaske auf den Mount Everest - und nur die Besten kommen in die Formel 1! Bei Frank Williams stehen die ganzen GP2-Piloten und viele andere Schlange, weil sie hinein wollen. Es ist verdammt hart, in die Formel 1 zu kommen - und genauso hart ist es auch, drin zu bleiben."

Generationswechsel in der Formel 1 bahnt sich an

"Es wird in den nächsten zwei Jahren zu einem großen Generationswechsel kommen." Alexander Wurz

Frage: "Aber einige der Etablierten nähern sich dem Ende der Fahnenstange..."
Wurz: "Da hast du Recht. Es wird in den nächsten zwei Jahren zu einem großen Generationswechsel kommen. Leute wie Barrichello werden aufhören, ein paar andere werden gezwungenermaßen wegfallen, Montoya ist auch schon weg - da gibt es schon Umstrukturierungen, aber das ist ganz normal."

Frage: "Inwieweit kannst du darin auch eine Rolle spielen?"
Wurz: "Das wird sich in den nächsten 14 Tagen weisen."

Frage: "Warum in den nächsten 14 Tagen?"
Wurz: "Es stehen viele Optionen an. Im Hintergrund dreht sich das Transferkarussell mit absoluter Höchstgeschwindigkeit. Ein paar Entscheidungen werden schon an diesem Wochenende fallen, ein paar werden auch noch Ferraris Option auf Räikkönen abwarten. Da muss man abwarten. Bis Sonntag wird sich schon einiges tun. Es gibt Optionsdaten, die auslaufen, und da kommt es drauf an, wie die Teams das einlösen. Es ist meistens so: Wenn die Teams eine Option einlösen oder nicht, wird das noch am gleichen Tag verlautbart, denn in der Formel 1 ist es nur eine Frage von Minuten, bis irgendwo ein Loch auftritt und jemand einem befreundeten Journalisten eine Nachricht steckt. Das geht sehr schnell. Insofern weiß ich, dass die letzte wichtige Option noch die ersten August-Tage läuft, nämlich die von Ferrari auf Räikkönen. Das wird eine der Hauptentscheidungen sein, aber vielleicht gibt es noch vor Ungarn einige Fahrer, die ihren Platz bekannt geben können."