Wurz: "Eine Ehre, für so einen Teamchef zu starten"
Alexander Wurz über seinen Teamchef Frank Williams, seine Besteigung des Fujisan, den WM-Kampf zwischen McLaren-Mercedes und Ferrari und mehr
(Motorsport-Total.com) - Alexander Wurz' Zukunft hängt immer noch in der Luft - und er selbst spricht auch nicht darüber. Im Interview mit unseren Kollegen von 'Ö3' schnitt er dafür eine Menge anderer interessanter Themen an, beispielsweise die Strecke in Fuji, die Schwankungen im WM-Kampf und sein Verhältnis zum charismatischen Teamchef Frank Williams.

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Alexander Wurz kann noch nicht bekannt geben, was er für 2008 plant
Frage: "Alexander, du bist schon zwei Tage hier. Hast du den Fujisan bestiegen?"
Alexander Wurz: "Ich bin seit Dienstag hier und hatte das Glück, dass gutes Wetter war, weil der Mount Fuji sonst ziemlich selten frei steht. Er stand da wie im Bilderbuch, wirklich ein schöner Berg. Dann haben wir uns mit meinem Physiotherapeuten kurzfristig dazu entschlossen, auf den Berg raufzulaufen."#w1#
Zu wenig Geld für den Gipfel...
Frage: "Wie weit bist du gekommen?"
Wurz: "Wir hatten ein bisschen zu wenig Geld, nur 20.000 Yen. Das haben wir dem Taxifahrer gegeben, der gesagt hat, er fährt um 14:00 Uhr nach Hause. Das hätte mir zwei Stunden gegeben, um 2.000 Höhenmeter zu bewältigen und wieder zurückzukommen, aber das ist mir nicht ganz geglückt. Ich bin auf 1.500 Meter raufgelaufen - halb Laufschritt, halb im Gehen. Dann musste ich wieder umkehren, denn mitten in Japan möchte ich nicht ohne Taxi stehen bleiben."
Frage: "Sieht man den Fujisan, wenn man auf der 1,5 Kilometer langen Gerade fährt und das Wetter schön ist?"
Wurz: "Nein, der Mount Fuji ist am Anfang der Geraden, das heißt man fährt mit dem Rücken zum Mount Fuji. Aber es ist natürlich beeindruckend, wenn dieser Riese direkt daneben steht, noch dazu weil es so ein formschöner Berg ist, der auf allen Seiten gleich abfällt und nach unten immer flacher wird - und wir am Fuße dieses weltberühmten Berges ein Rennen fahren."
Frage: "Zurück zur langen Geraden: Welche Aufgabenstellung bedeutet das für die Abstimmung?"
Wurz: "Wir haben hier einen Kompromiss zu finden wegen der langen Gerade. Die ist natürlich hart für den Motor. Dort möchte man mit wenig Abtrieb, wenig Flügel fahren. Der Rest der Strecke besteht jedoch aus langsamen Kurven mit einem sehr winkeligen und engen letzten Sektor. Dort bräuchte man wieder viel Downforce, wie in Monaco oder Budapest. Insofern wird es vom Chassis her ein großer Kompromiss, den man hier eingehen muss, und von der Aerodynamik her auch, wie wir gerade besprochen haben."
Frage: "So etwas wie in Spa-Francorchamps, wo du zu wenig Topspeed hattest, darf hier nicht passieren..."
Wurz: "Nein, das wäre bitter. Aber ich habe einen neuen Motor und bin guter Dinge, dass das hier nicht wieder vorkommt. Wir haben das Problem gefunden, es waren zweierlei Dinge - alles zurückzuführen auf den Benzindruck, der das ganze Wochenende ein bisschen gefehlt hat."
Tagesform wird im WM-Kampf entscheiden
Frage: "Hast du den Asphalt hier schon gesehen, denn in den vergangenen Rennen hat man gesehen, dass es zwischen McLaren-Mercedes und Ferrari sehr stark pendelt? Was erwartest du hier?"
Wurz: "Der hiesige Asphaltwert in Fuji hat einen Reibwert etwa wie am Nürburgring oder in Indianapolis - beides Strecken, wo die McLaren-Autos sehr schnell waren. Allerdings gibt es hier eine wichtige Kurve vor der langen Geraden, in der der Ferrari eine sehr gute Traktion hat und sehr viel Power von unten raus. Da könnte es dann wieder ex aequo sein. Wir müssen hier abwarten. Ich glaube, die Tagesform wird mehr entscheiden als der Charakter des Autos."
Frage: "Die einzigen Leute, die schon wissen, was hier los sein wird, sind wahrscheinlich die Ingenieure von Bridgestone, oder?"
Wurz: "Wir haben Einheitsreifen, haben alle die gleichen Pneus auf dem Auto. Wie bei den letzten paar Rennen kommen der mittlere und der härtere Reifen zum Einsatz. Ich glaube, dass im Zeittraining wieder alle auf dem Option fahren werden, und im Rennen wird der härtere dann der Startreifen sein."
Frage: "Aber warum ist es so, dass eine rauere Asphaltoberfläche offenbar eher McLaren-Mercedes liegt? Warum macht das so viel aus?"
Wurz: "Wenn wir das wüssten, bräuchten wir nicht 200 bis 400 Millionen Budget im Jahr, die wir für Tests und Entwicklung verwenden. Das sind so komplizierte Zusammenhänge zwischen Radgeometrie, Aerodynamik, Gewichtsverteilung, Reifendruck, Spursturz und 100.000 anderen Dingen, die zusammenspielen. Das ist zu kompliziert. Die Unterschiede versteht dann auch keiner auf den Punkt genau."
Frage: "Die Strecke ist also eher wie der Nürburgring oder Indianapolis vom Asphalt her, hast du gesagt. Was bedeutet das?"
Wurz: "Ich würde sagen: eher eine McLaren-Strecke. Aber bitte nicht wetten und mich nachher anklagen, denn es wird so knapp und die Tagesform wird entscheidend sein. Vielleicht stellt sich der eine oder andere Fahrer schneller drauf ein. Einfach abwarten."
Williams-Wettermann rechnet nicht mit Regen
Frage: "Die Wettervorhersage ist ganz schlecht, es wird wahrscheinlich regnen. Was bedeutet das?"
Wurz: "Unser Wetterbericht für dieses Wochenende wird tagtäglich besser. Der Williams-Wettermann rechnet damit, dass es eventuell erst nach dem Rennen ein bisschen zu regnen beginnen wird. Für mich ist es so: Wenn es während des Rennens zu regnen beginnt, dann hoffe ich, dass ich wieder meine Form im Regen und in den Chaos-Grands-Prix ausspielen kann. Aber in Wirklichkeit müssen wir abwarten und hoffen, in der Situation die richtige Entscheidung zu treffen, denn darum dreht es sich schlussendlich bei Grands Prix, die nicht vorhersehbar sind."

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Alexander Wurz im Gespräch mit seinem derzeitigen Teamchef Frank Williams Zoom
Frage: "Ein ganz anderes Thema: Was macht die Persönlichkeit und die Stärke deines charismatischen Teamchefs Frank Williams aus?"
Wurz: "Wenn du in seiner Nähe sitzt, spürst du seine Aura, die natürlich dadurch unterstrichen und multipliziert wird, dass er im Rollstuhl sitzt. Wer seine Geschichte kennt, der weiß, was er für ein Beißer, ein Kämpfer ist. Leute mit seiner Art von Verletzung haben nur zwischen zwei und vier Jahre überlebt, aber er lebt schon seit 20 Jahren mit dieser Verletzung und beißt sich jeden Tag durch das Leben."
"Die Herausforderung des Teams, des Motorsports, der Formel 1 verwendet er als Lebenselixier. Das steht ihm ins Gesicht geschrieben, das hört man in seiner etwas zittrigen und rauen Stimme. Er hat schon Schwierigkeiten beim Sprechen, aber grundsätzlich geht es ihm gut. Er ist irrsinnig scharf im Kopf, merkt sich alles, was du sagst, kann sehr schnell kombinieren - und was die Formel 1 betrifft, ist er ein ausgewaschener Fuchs. Für mich ist es eine absolute Ehre, für so einen Teamchef an den Start zu gehen."
Wurz' Einstellung kommt bei Williams gut an
Frage: "Das könnte auch der Hintergrund sein, warum er dich verpflichtet hat, denn die analytischen Typen, wie du einer bist, die liebt er ja, nicht wahr?"
Wurz: "Das hat er eh schon oft kundgetan, dass ihm das sehr gefällt, wie ich mit den Ingenieuren, mit dem Team, mit ihm arbeite. Ich motiviere die Leute und feuere sie an. Das war mit ein Grund, warum er mich genommen hat."
Frage: "Man hört, dass ihr auch eine gemeinsame Zukunft haben werdet. Die Frage ist nur: als Pilot oder als Mitarbeiter?"
Wurz: "Du stellst hier Dinge in den Raum, die im Augenblick nicht zur Diskussion stehen. Frank und ich haben vereinbart, nicht über meine Zukunft zu sprechen. Wir haben natürlich einen Dialog, der weit vorausgeht, was alles passieren kann in Zukunft, aber darüber möchte ich nicht sprechen."
Frage: "Wann wird etwas verraten, wovon hängt das ab?"
Wurz: "Das hängt von ein paar Faktoren ab, die aber nichts zu tun haben mit Alonso oder so. Es geht um teaminterne Dinge, die zwischen Frank und mir zu besprechen sind oder waren oder noch werden. Da möchte ich nicht zu sehr ins Detail gehen. Ich habe keinen Spaß daran, dich und eure Leser in die Warteschleife zu schicken. Das ist keine Taktik, sondern es ist einfach ein Abkommen, das wir getroffen haben, und das respektiere ich, weil Frank Williams mein Teamchef ist und das so will."
Frage: "Aber man kann damit rechnen, dass es in den nächsten zwei, drei Wochen bekannt gegeben wird, oder?"
Wurz: "Ich weiß es nicht."

