• 07.06.2007 22:27

  • von Inga Stracke

Wurz: "Alles ist auf Leistung orientiert"

Der Williams-Fahrer über das Leben in der Formel 1, den Aufschwung bei Williams, seinen Stellenwert im Team und die Zukunft der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Alex, für dich markiert dieses Rennen dein zehnjähriges Jubiläum in der Formel 1."
Wurz: "Ja, danke für diese Erinnerung."

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz

Alexander Wurz debütierte 1997 in Kanada in der Formel 1

Frage: "Fühlst du dich deswegen alt?"
Wurz: "Nein, überhaupt nicht. Es ist zwar zehn Jahre her, aber es fühlt sich an, als ob es erst gestern gewesen wäre. Seither hat sich aber viel geändert: Ich war einige Jahre Testfahrer und nun bin ich zurück. Wenn man diesen Sport mag, dann ist es egal, wie lange man schon dabei ist. Ich denke nicht über das Alter nach oder wie lange ich schon dabei bin. Solange das Feuer brennt und man motiviert ist, solange ist es gut, wenn man hier ist."#w1#

Frage: "War dein Comeback im Renncockpit schwierig oder hat alles sofort wieder gepasst?"
Wurz: "Nein, aber es war schwierig, keine Rennen zu fahren. Es fühlt sich nicht gut an, wenn man auch Rennen fahren möchte. Daher ist es schön, zurück zu sein. Aber es geht derzeit unglaublich eng zu. Für mich ist das eine zusätzliche Herausforderung. Aber man erwartet in der Formel 1 ja auch kein leichtes Leben."

Frage: "In Monaco hast du Punkte holen können, war das eine besondere Erleichterung für dich?"
Wurz: "Nun, ich war davor nicht sonderlich angespannt. Ich wusste, dass es eine Frage der Zeit sein würde, bis auch Punkte kommen. Ich hatte ja keine Probleme. Alles funktionierte gut. In den ersten Rennen hatte ich ein wenig Pech, Monaco spielte mir dann in die Hände. Ich hatte ein gutes Rennen mit einer Ein-Stopp-Strategie und wurde Siebter."

Frage: "Ist euer Auto besser, als du erwartet hattest?"
Wurz: "Nein, gar nicht. Wir waren im Vorjahr auf Rang acht bei den Herstellern, von da hinten kann man es nicht über Nacht drehen, wenn der Wettbewerb so eng und die Zuverlässigkeit der Gegner so gut sind. Aber die Pace ist gegenüber dem Vorjahr massiv besser geworden. Das Team besteht aus einer Gruppe von starken Leuten, die gut zusammenarbeiten. Es gibt keine übergroßen Egos, alle arbeiten nur für ein Ziel: nach vorn kommen. Es ist erfrischend und motivierend, ein Teil dieses Teams zu sein. Mit etwas mehr Zeit wird Williams auf jeden Fall nach vorn kommen."

"Ich sehe auch keinen Grund, warum das nicht der Fall sein sollte. Aber der Wettbewerb in der Formel 1 ist derzeit wirklich sehr eng, jede Hundertstel zählt, jedes Detail ist wichtig. Man muss also konzentriert bleiben und das Auto schneller machen."

Keine neuen Zielvorgaben für Montréal

Frage: "Wird es bei Williams hier in Kanada gut weitergehen?"
Wurz: "Ja, es geht gut weiter hier. Die Überseerennen sind sehr wichtig. Von der Strecke ist es hier ganz anders als Monaco, hier ist wenig Abtrieb gefragt. Es wird wieder verdammt knapp, noch mehr Punkte zu holen."

Frage: "Könnte die Punktevergabe auch davon abhängen, welches Team die besten Bremsen hat?"
Wurz: "Ja, die würden helfen. Im Zeittraining ist das kein Problem, da muss man nur schauen, dass die Temperaturen stimmen. Aber im Rennen sind Motor und Bremsen irrsinnig gefragt, weil hier ist nur Stop-and-Go. Du fährst immer über 300, bremst auf etwa 100 runter. Diese Energie, die vernichtet wird, geht auf das Bremsmaterial. Wir haben hier schon viele Rennen gesehen, ich erinnere mich an Heinz-Harald Frentzen, der zwei Runden vor Schluss rausgeschlittert ist, weil die Bremsen weg waren. Da muss man als Fahrer und als Team unheimlich aufpassen."

Frage: "Inwieweit war dein siebter Platz in Monaco eine Motivation für das ganze Team?"
Wurz: "Wenn man sieht, wie knapp es derzeit im Mittelfeld ist, dann ist es für uns absolut wichtig und auch motivierend, wenn wir Punkte machen können. Das hat der Nico (Rosberg) gezeigt und in Monaco jetzt auch ich. Wir sind halt immer knapp dran und es ist so schwierig, in diesem Mittelfeld alles perfekt zu machen, um Punkte zu holen. Aber umso schöner ist es dann, wenn man welche mit nach Hause nimmt."

Frage: "Was ist das Ziel hier in Montréal?"
Wurz: "Wie bei jedem Rennen. Es ist knapp. Wir müssen wieder alles richtig machen, um uns in die Position zu bringen, eventuell Punkte zu machen. Das erste Ziel wird es sein, das Top-10-Qualifying zu erreichen. Das wird wie immer irrsinnig schwierig. Das gilt auch für einen Platz in den Punkterängen."

Frage: "Wo steht das Williams-Team denn momentan im Mittelfeld?"
Wurz: "Das kann man schwer sagen. Es ist so hart umkämpft, dass du zwischen Platz 8 und 18, und teilweise bis Platz 20, nur ein bis zwei Zehntel hast. Da musst du alles perfekt machen, um überhaupt in der Position zu sein, um Punkte zu machen. Also ist es vom Fahren her teilweise sogar härter, sich hier im Mittelfeld behaupten zu müssen, als in einem Top-Auto vorn um die Podestplätze zu fahren."

Frage: "Vielen gefällt es hier in Kanada besonders gut, auch dir?"
Wurz: "Ja, Kanada ist super. Lässige Stadt, coole Leute. Für uns Fahrer ist es auch schön. Du kommst zwei, drei Tage früher wegen der Zeitverschiebung und kannst dir dann endlich auch ein bisschen die Stadt anschauen. Mir hat es schon immer hier gefallen, weil hier eine wirklich lockere Stimmung ist."

Wurz fürchtet keinen Cockpitverlust

Frage: "Der Druck in der Formel 1 scheint für die Fahrer im höher zu werden, da die Teams Ergebnis vorweisen müssen. Ist der Punkte schon erreicht, an dem sich ein Fahrer über die eigene Zukunft Gedanken macht, oder akzeptiert man, dass das Schicksal in den Händen des Autodesigners liegt?"
Wurz: "In gewisser Weise muss man sich immer Sorgen machen und schauen, wo man in der Formel 1 bleibt. Aber auf der anderen Seite ist es ein Teamsport. Es hängt alles vom Auto ab, das man als Fahrer hat. Aber auch das Feedback, das man dem Team gibt, spielt eine Rolle. Manchmal zeigt ein Ergebnis nicht wirklich an, wie der eigene Stellenwert ist."

"Aber die Formel 1 ist die Spitze des Motorsports. Das Leben hier ist nicht einfach, das betrifft alle Positionen in einem Team: Ingenieur, Fahrer, Designer - alles ist auf Leistung orientiert. Man ist hier, um Leistung zu bringen. Daher haben wir alle auch gute Verträge."

Frage: "Wie waren die Reaktionen nach dem Rennen in Monte Carlo?"
Wurz: "Die Reaktionen waren gut. Es war ein hartes Rennen. Man hat gesehen, wie eng es teilweise mit der Strategie sein kann. Das Team und ich sind einfach zufrieden, wenn wir uns mit jeder Entscheidung für das Rennen in die Position bringen, Punkte zu holen. Wenn man im Nachhinein sieht, wie knapp es ist. Wenn man ein, zwei Runden eher stoppt, macht man vielleicht keine Punkte, daher ist das eine Befriedigung."

Frage: "Frank Williams hat dich in einem Interview sehr gelobt, allerdings hat er auch gesagt, dass er erwartet, dass Nico den Großteil der Saison über der Schnellere sein wird."
Wurz: "Naja, dann muss ich daran arbeiten, dass er seine Erwartung nicht bestätigt bekommt."

Frage: "Besteht bei dir diese Angst?"
Wurz: "Nein. Wir waren immer sehr knapp beisammen. Nico hat im Augenblick eine super Form und hat das bisher sehr gut umgesetzt. Aber ich sehe nichts, was ich nicht auch machen könnte."

Frage: "Bei Nico wurde die Option wohl schon eingelöst, bei dir wartet man bezüglich 2008 noch etwas ab. Das soll aber nichts Ungewöhnliches sein."
Wurz: "Also ich habe keine Ahnung von der Vertragssituation von Nico Rosberg, ist mir in Anführungszeichen auch völlig Wurst. In meiner Situation weiß ich, dass es sicherlich dauern wird, vielleicht sogar bis August, bis ich über die nächste Saison bescheid weiß."

Frage: "Stehst du, nachdem der Saisonanfang nicht so gut war, noch etwas in der Testphase?"
Wurz: "Der Begriff ist dehnbar. Da muss man das Team fragen und genau durchleuchten, was sie an einem Fahrer haben und von ihm sehen wollen. Die Aufgabe, die von mir verlangt wird, ist es teilweise nicht nur, auf der Strecke Punkte zu holen, sondern auch ein Teil davon zu sein, das Team nach vorn zu bringen. Ich glaube, das sind wir auf einem guten gemeinsamen Nenner. Daher habe ich im Team auch einen gesunden Standpunkt. Was aber für das nächste Jahr noch nichts heißt. Man muss einfach abwarten."

Keine schlechten Erinnerungen an Montréal

Frage: "1998 hattest du hier wohl den fotogensten Unfall, den wir hier in Montréal je hatten, als du dich in der ersten Kurve überschlagen hast. Denkst du noch daran, wenn du durch die Kurve fährst, oder hast du das längst abhakt?"
Wurz: "Ich hoffe, dass ich das nicht nochmal mache. Aber ich war damals optimistisch gestimmt, ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine sehr gute Saison, war einige Male Vierter. Ich dachte, es wäre Zeit für einen Podestplatz. Ich versuchte es in der ersten Kurve, traf Jean Alesi und wurde in die Luft katapultiert. Wenn man sich in der Luft überschlägt, hat man keine Angst. Es ist sogar irgendwie ein cooles Gefühl. Ich hatte die Augen zunächst geschlossen, wollte aber sehen, wie das so aussieht. Ich öffnete die Augen und nur noch Blau. Ich dachte mir: 'Das muss der Himmel sein.' Eine Sekunde Später sah ich den Kies und dachte: 'Hm, das sieht nicht gut aus.'"

"Ich schloss die Augen wieder, dann überschlug ich mich noch fünf oder sechs Mal. Dann merkte ich, dass ich nicht verletzt war und sagte über Funk, dass sie das Ersatzauto fertig machen sollten. Ich sprang aus dem Auto und rannte zurück. Ich saß schon im Auto, als Sid Watkins, der Formel-1-Arzt in dieser Zeit, zu mir kam. Er sagte: 'Wenn er so schnell zum Auto zurückrennen kann, dann kann er auch das Rennen fahren.' Ich wurde Vierter, von ganz hinten, hatte also wieder ein gutes Rennen. Ich habe mit dem Unfall überhaupt keine Probleme, ich muss nur viel darüber reden - so wie jetzt."

Frage: "Ralf Schumacher bekommt momentan jede Menge schlechte Presse. Was ist dein Eindruck von dieser Geschichte?"
Wurz: "Zu drei Vierteln stehen die Medien dahinter. Es ist natürlich immer ein hartes Thema, wenn du als Fahrer in der Weltöffentlichkeit auftrittst und auch die Erwartungshaltung sehr hoch ist. Dann kommt die Kritik immer sehr schnell. Wichtig für ihn ist, dass er ruhig bleibt. Aber das weiß er sowieso, er war schon in dieser Situation und hat es überlebt. Er wird das auch wieder überleben."

Frage: "Deine persönliche Meinung: Fährt Ralf noch im nächsten Jahr?"
Wurz: "Das ist schwierig zu sagen. Da muss man schauen, was seine eigene Erwartungshaltung ist, geht es ihm nur um das Fahren, oder möchte er weiter viel Geld verdienen. Es kommt darauf an, wie er das selbst sieht."

Frage: "Was sagst du zu den neuen Grands Prix, die geplant sind, zum Beispiel Singapur, oder die geplanten Nachtrennen?"
Wurz: "Bis jetzt hat es bei der FIA noch keine offizielle Anfrage wegen eines Nachtrennens gegeben. Aber wir Fahrer vertrauen voll auf die Organisatoren der Formel 1, dass sie etwas Sicheres auf die Beine stellen. Darum geht es uns. Wenn das gewährleistet ist, bin ich der Letzte, der nicht antreten würde."

Frage: "Es könnte passieren, dass es künftig 20 Rennen im Jahr gibt. Wie siehst du diese Entwicklung?"
Wurz: "Aus finanzieller Sicht möchte man sicher 20 Grands Prix, denn so kann mehr Punkte und damit Preisgeld holen. Aber letztlich ist es ein logistisches Problem für die Teams und Fahrer. Wenn ich aber 20, 25 oder gar 30 Rennen im Jahr fahren soll, dann habe ich kein Problem damit."

Frage: "2011 soll ein System eingeführt werden, das PS speichert, die man dann zum Beispiel zum Überholen per Knopfdruck abrufen kann. Was hältst du davon?"
Wurz: "Wenn die Formel 1 meint, dass man diesen Weg gehen sollte, und es interessant für den Sport und den Marketingwert ist, dann sollten wir das machen. Wenn man damit Rennen fahren kann, warum nicht?"