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"Wir wollen Weltmeister werden - kannst du helfen?"
Physiotherapeut Erwin Göllner blickt auf 17 aufregende Jahre in der Formel 1 mit tragischen Schicksalen, aber auch schönen Momenten zurück
(Motorsport-Total.com) - Bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen frühstückt Erwin Göllner samt Familie auf seiner Terrasse im Salzburger Fürstenbrunn und blickt auf seine Erlebnisse als Physiotherapeut zurück: "Nach meinem schweren Motorradunfall im Jahre 1981 begann ich mich für die Physiotherapie zu interessieren, seit 1989 übe ich den Beruf aus." Über Willi Dungl gelangte der passionierte Wanderer und Sammler von Carrera-Rennbahnen in die Formel 1.

© Harald Saller
Der Mann, dem die Superstars der Formel 1 vertrauen: Erwin Göllner
Einer der ersten Patienten Göllners war Alessandro Nannini, Bruder der italienischen Rockröhre Gianna Nannini. Dieser hatte bei einem Helikopterabsturz Ende der 1990er-Jahre einen Unterarm verloren, der ihm in einer komplizierten Operation wieder angenäht wurde. "Ich musste bei Alessandro in kurzen Abständen Lymphdrainagen vornehmen, weil seine Finger andauernd verkrampften und sich zusammenzogen. Für ihn war es wichtig, dass er wieder eine Zigarette halten konnte, er war nämlich ein leidenschaftlicher Raucher. Später fuhr er sogar wieder Tourenwagenrennen, das hat mich schwer beeindruckt", erinnert sich der heute 46-Jährige.#w1#
Tragödien stimmten Göllner nachdenklich
In den folgenden Jahren arbeitete der Salzburger unter anderem mit Martin Donnelly, Michael Bartels, Luca Badoer und Pedro Lamy zusammen. 1994 dachte Göllner bereits daran, die Formel 1 zu verlassen: "Die vielen schweren Unfälle und der Tod von Roland Ratzenberger und Ayrton Senna machten mich sehr nachdenklich. Nach der 1995er-Saison wollte ich eigentlich aufhören. Doch es kam anders." Nach dem Saisonfinale kam Göllner mit Williams-Chefingenieur Patrick Head ins Gespräch: "'Wir wollen nächstes Jahr Weltmeister werden, kannst du uns dabei helfen?', fragte er mich. Dieses Angebot konnte ich einfach nicht ablehnen."
In seiner Anfangszeit beim englischen Traditionsstall konzentrierte sich Göllner auf Damon Hill, mit seinem Teamkollegen Jacques Villeneuve hatte er anfangs große Probleme: "Jacques hielt nicht viel von Fitness. Daher arbeitete ich vor allem mit Damon zusammen. Er war oft bei mir in Fürstenbrunn, wir marschierten sogar im Winter auf den Salzburger Untersberg. Er war überall dabei und übernachtete ohne zu murren im Kinderzimmer. Damon war ein sehr geselliger und offener Mensch." Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1996 wollte Göllner zusammen mit Hill zu Arrows wechseln, doch Frank Williams wollte nicht auf seine Dienste verzichten.
Mittlerweile hatte auch Villeneuve begriffen, dass die Verbesserung der Fitness unerlässlich ist. Nach kurzer Zeit wollte er auf das Können von Göllner nicht mehr verzichten. Dabei gab es einige kuriose Situationen, wie Göllner zu berichten weiß: "Einmal bekam ich einen falschen Testplan und reiste daher verspätet an. Jacques weigerte sich, ohne meine Vorbereitung in den Wagen zu steigen. Ich sagte ihm, dass er das nicht bringen kann und er endlich fahren soll. Wenig später war ich an der Strecke und es war alles wieder in Ordnung."
Gemeinsam mit Villeneuve zu BAR

© Harald Saller
Erwin Göllner mit seiner Frau Ulrike und seinem Hund zu Hause in Fürstenbrunn Zoom
Nach der erfolgreichen Zeit bei Williams wechselte Göllner zusammen mit Villeneuve zum neu gegründeten BAR-Team. Dass es in den folgenden Jahren nicht funktionierte, hatte laut Göllner mehrere Gründe: "Es war zwar dort wie im Schlaraffenland, das Team bot alles, was man sich wünschte. Doch es funktionierte nicht, da alle nur stritten und der Neidfaktor sehr hoch war. Jacques hatte in dieser Zeit einige Angebote von anderen Topteams, doch er blieb aus Loyalität zu seinem Manager und Freund Craig Pollock bei BAR." In der Saison 2003 fuhr Villeneuve die letzten Rennen für Renault, dort gab Göllner Schulungen, wie sich die Teamcrew und die Fahrer perfekt auf das Rennen vorbereiten sollen.
In dieser Zeit baute Göllner in seinem Domizil in Fürstenbrunn ein großzügiges Trainingsstudio auf. Das heutige Herzstück ist ein selbst konstruierter Trainingssimulator, der stetig weiter entwickelt wird: "Diesen habe ich zusammen mit einem bekannten Schlosser entworfen und gebaut." Eines ist allerdings strengstens verboten: Fotos von den Geräten zu machen. "Es kam schon mal vor, dass jemand, der hier trainiert hat, Bilder von der Einrichtung gemacht und eine Firma diese teilweise nachgebaut hat", ärgert sich Göllner über diesen Vorfall noch heute.
Nach dem Karriereende von Villeneuve konzentriert sich Göllner auf Österreichs Formel-1-Hoffnung Andreas Zuber, die aktuell in der GP2 fährt: "Andi hatte dieses Jahr sehr viel Pech gehabt. Er war bei den Tests mit Abstand der Schnellste, doch in den Rennen wollte es bis auf Silverstone einfach nicht klappen." Göllner begleitet den für Dubai startenden Steirer zu den Tests und Rennen: "Zu Hause coacht ihn meine Frau Ulrike, wir sind ein perfekt eingespieltes Team", freut sich Göllner.

