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Formel-1-Fitness: Quälen für den Spaß
Selbst ein austrainierter Langstreckenläufer würde laut Fitness-Trainer Daniel Dobringer kein Formel-1-Rennen durchstehen
(Motorsport-Total.com) - Die Formel-1-Fahrer der ersten Stunde waren verwegene Burschen, die das Leben am Limit in vollen Zügen genossen. Kurz vor dem Start griffen viele noch lässig zur Zigarette, im Ziel wartete nicht selten ein kühles Bier. Fitnesstraining war für sie ein Fremdwort. Heute ist es ein Schlüssel zum Erfolg.

© xpb.cc
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Ein Grand Prix dauert im Schnitt 60 Runden. Fast zwei Stunden lang sind die Fahrer extremen Belastungen ausgesetzt, vergleichbar nur denen in einem Kampfjet oder im Space Shuttle. Das geht vor allem bei einem Hitzerennen wie dem Großen Preis von Bahrain an die Substanz. "Ohne die entsprechende Fitness", sagt Daniel Dobringer, der Fitnesstrainer von Ralf Schumacher, "hast du in diesem Sport keine Chance."#w1#
Fit for run - das wird man nur mit einem ausgewogenen Training, mit dem Kraft und Ausdauer ebenso gesteigert werden wie Koordination und Schnelligkeit. Die Kräfte, die bei einem Grand Prix auf den Körper des Fahrers einwirken, sind gewaltig. Bei Rennen auf anspruchsvollen Kursen, das haben Sportwissenschaftler errechnet, müssen die Muskeln von Nacken, Schulter, Armen und Beinen eine Last von insgesamt 40.000 Kilogramm bewältigen. Da müssen auch Bänder, Sehnen und Gelenke Schwerstarbeit leisten.
Keine andere Sportart setzt den Körper eines Athleten derart unter Stress wie die Formel 1. Beim Abbremsen aus hohen Geschwindigkeiten und in super-schnellen Kurven wurden schon bis zu 5 g - entspricht dem Fünffachen des eigenen Körpergewichts - gemessen. Das bedeutet, dass ein sechs Kilogramm schwerer Kopf und ein 1,5 Kilogramm schwerer Helm für einen kurzen Moment das Fünffache wiegen - die Nackenmuskeln müssen also 37,5 Kilogramm halten.
Doch das ist nicht die einzige Qual. Auch die Beine werden strapaziert. Beim Rennen in Monza zum Beispiel sind 212 Vollbremsungen nötig - jede davon mit einem Kraftaufwand von 80 Kilogramm. Auch das Lenken ist kein Kinderspiel: 40 Kilogramm braucht es, um auf Hochgeschwindigkeitskursen wie Spa und Suzuka, wo die Front- und Heckflügel maximalen Anpressdruck produzieren, die Reifen ohne Servolenkung zum Einschlagen zu bewegen. Dazu kommt das Schalten: Im Schnitt wird pro Grand Prix 2.600 Mal geschaltet, im kurven-reichen Monaco sogar 3.100 Mal.
Die Fahrer erbringen diese Höchstleistungen unter extremen Bedingungen. Von den Sechs-Punkt-Gurten im Sitz festgezurrt, fällt das Atmen schwer, wenn die Herzfrequenz Spitzenwerte von 190 Schlägen pro Minute erreicht. Zumal bei Hitzerennen unter dem Overall schon Höchsttemperaturen von 60 Grad gemessen wurden. Das macht jeden Grand Prix zum Knochenjob und unterscheidet die Formel 1 von jeder anderen Extremsportart.
"Kein noch so austrainierter Langstreckenläufer", so Erwin Göllner, zuletzt Fitnesstrainer von Jacques Villeneuve, "würde 60 Rennrunden in Monza durchstehen." Die Fitness für solche Höchstleistungen holen sich die Fahrer sowohl im Kraftraum als auch in der freien Natur. Drinnen absolvieren sie zum Beispiel Laufübungen auf dem Band oder trainieren an bestimmten Geräten, mit denen sie die Belastungen im Cockpit simulieren, draußen gehören oft Joggen und Radfahren zu den bevorzugten Aktivitäten. Die Fahrer wissen nur zu gut: Neben Faktoren wie Reifen, Motor und Aerodynamik ist auch ihre Fitness entscheidend für die Performance auf der Rennstrecke.
Zum Nulltarif gibt es diese Fitness nicht - das Training ist ein Ganzjahresprozess. Die meisten Fahrer beginnen mit ihrer Saisonvorbereitung immer schon Anfang November, nur zwei bis drei Wochen nach dem letzten Rennen des alten Jahres. Ralf Schumacher zum Beispiel trainiert im Winter vier bis fünf Mal in der Woche jeweils vier bis fünf Stunden, während der Saison stehen drei bis vier Trainingseinheiten von jeweils zwei bis drei Stunden auf dem Programm. Durch dieses regelmäßige Training bleibt der Fitness-Akku auch zwischen den Jahren im grünen Bereich und muss in der Saisonvorbereitung nicht völlig neu geladen werden.
Mit der Fitness holen sich die Fahrer auch Selbstvertrauen. Wer wirklich fit ist, zeigt sich in der Regel im letzten Drittel eines Rennens, wenn die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit nachlässt. Angesichts der physischen Belastungen und der immer komplizierteren Elektronik in einem Formel-1-Cockpit gehören körperliche und geistige Fitness zusammen. Und werden auch zusammen trainiert: Ein Fitnesstrainer ließ seinen Schützling auf dem Ergometer schon Rechenaufgaben lösen - als eine Art Qualifying für die grauen Zellen.
Bei einem Hitzerennen wie dem Großen Preis von Bahrain können die Fahrer drei bis vier Liter Flüssigkeit verlieren - und rund vier Prozent ihres Körpergewichts. Entsprechend viel müssen sie trinken. Gemixt werden die ganz speziellen Energy Drinks aus Wasser sowie verschiedenen Mineralstoffen, Salzen und Vitaminen von den Fitnesstrainern der Piloten.
Dabei schwört jeder auf seine eigene, natürlich streng geheime Rezeptur. In einem sind sie sich allerdings einig: Die Trinkflasche im Auto ist nur die eiserne Reserve - viel wichtiger ist das Trinken vor dem Start. 2Wenn du da zu wenig trinkst und mit nur 80 Prozent losfährst2, sagt Daniel Dobringer, 2kannst du das während des Rennens nie mehr aufholen. Und dann lässt irgendwann die Leistungs-fähigkeit nach.

