Windkanal: Renault wieder auf Kurs?

Nach dem in jeder Hinsicht kostspieligen Umbau des Windkanals wähnt sich Renault wieder auf Kurs - Heck-Auspuffsystem wird "positiv" bewertet

(Motorsport-Total.com) - Nach einem fulminanten Saisonbeginn mit zwei Podestplätzen in den ersten zwei Rennen drohte das Renault-Team zu stagnieren. Den vorläufigen Tiefpunkt stellte der Zwischengas-Verbots-Grand-Prix vor zwei Wochen in Silverstone dar: 14. und 16. im Qualifying, Achter und Zwölfter im Rennen. Doch nun soll es wieder aufwärts gehen.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld war mit dem neuen Auspuff knapp schneller als Witali Petrow

Zuversichtlich stimmt die Verantwortlichen in Enstone, dass der schon seit einem Jahr geplante Umbau des Windkanals von 50- auf 60-Prozent-Modelle endlich abgeschlossen ist. "Der Windkanal musste für zwölf Tage geschlossen werden", erklärt Technikdirektor James Allison, aber Teamchef Eric Boullier betont: "Eigentlich hat es mehr als zwölf Tage gekostet, weil wir ja auch alles neu kalibrieren mussten."

Mit ein Grund dafür, dass der Windkanal während der laufenden Saison umgerüstet wurde, war das revolutionäre Front-Auspuffkonzept: "Es funktioniert im Windkanal sehr, sehr gut, aber wir schaffen es nicht ganz, das auf der Strecke umzusetzen - vor allem wegen der Temperaturen unter dem Auto", berichtet Boullier. "Es ist ein sehr gutes Konzept, aber einige Weiterentwicklungen hatten auf der Strecke nicht den gleichen Effekt wie im Windkanal."

Hoher Aufwand für die Aerodynamik

Also setzte man den Hebel an und ergriff mit der aerodynamischen Aufrüstung die einzig logische Gegenmaßnahme. "So etwas ist eine Menge Arbeit, das steht fest", stöhnt Allison. "Die Leute sagen zu Windkanalmodellen Modelle, aber eigentlich sind das überhaupt keine Modelle. Das sind Dinge, die beinahe genauso viel kosten wie der Bau eines echten Autos - und die auch beinahe genauso kompliziert sind."

"Ein Modell von 50 auf 60 Prozent zu ändern, ist schon eine schwierige Ingenieursaufgabe, aber in unserem Fall waren auch die Arbeitsbereiche im Windkanal nicht groß genug für 60-Prozent-Modelle, sodass wir ihn auf das Grundgerüst runterbauen und neu aufbauen mussten", fährt der Nachfolger von Bob Bell (heute Mercedes) als Technischer Direktor fort. "Es war ein Projekt, das vor fast einem Jahr begonnen hat und erst kürzlich abgeschlossen wurde."

¿pbvin|512|3893||0|1pb¿"Jetzt haben wir ein paar Verbesserungen für die nächsten Rennen, von denen wir hoffen, dass sie uns wieder näher dahin bringen, wo wir am Jahresanfang waren und nicht in den letzten zwei oder drei Rennen", kündigt Allison an. "Zu sagen, man hat dieses und jenes, das wäre einfach, aber es wird viel schöner, wenn wir diese Dinge tatsächlich an die Strecke bringen und sie jeder sehen kann. Ich hoffe, dass das etwas bringen wird."

Auch Boullier geht davon aus, dass die hinter den Kulissen bewerkstelligten Änderungen Renault wieder nach vorne bringen werden, auch wenn Nick Heidfeld über Red Bull, Ferrari und McLaren sagt: "Die sind schon zu weit weg." Aber: "Wir wissen, dass wir aus verschiedenen Gründen einige Monate lang Probleme in der Weiterentwicklung hatten, aber vor allem der Aeroplan ist nun wieder sehr aggressiv ausgerichtet. Wir müssen Anpressdruck finden", so Boullier.

Petrow noch zweimal mit alter Variante

Erstes Produkt des 60-Prozent-Windkanals ist das neue Auspuffsystem, das nicht mehr wie bisher auf Höhe der Seitenkästen in Richtung Unterboden aus dem Chassis mündet, sondern ganz konventionell nach hinten. Bisher ist nur eine solche Komponente fertig, die dem um 14 Kilogramm leichteren Heidfeld gegeben wurde, weil der Heck-Auspuff schwerer ist als der Front-Auspuff, den Petrow übrigens auch in einer Woche in Budapest noch am Auto haben wird.

Heidfeld war mit der neuen Variante im Nürburgring-Freitagstraining um fünf Hundertstelsekunden schneller als sein Teamkollege. "Das Feedback ist positiv", hält Boullier fest. "Der erste Tag mit einer solchen Neuerung bedeutet, dass sich die Balance komplett verschiebt und das Setup angepasst werden muss. Auch der Fahrer muss sich erst einmal darauf einstellen. Trotzdem ist Nick die gleichen Zeiten gefahren wie Witali."

Ob Heidfeld auch am Sonntag mit dem Heck-Auspuff fahren wird, weiß der Franzose noch nicht, es sehe aber "eher positiv" aus. Außerdem hört man aus Renault-Kreisen, dass das Potenzial des neuen Auspuffsystems noch nicht ausgeschöpft ist und in den nächsten Rennen locker noch einmal zwei Zehntelsekunden gefunden werden können. Dazu kommen weitere drei Zehntelsekunden, die andere neue Teile schon an diesem Wochenende bringen sollen.


Fotos: Renault, Großer Preis von Deutschland, Freitag


Angesichts dieser Perspektive wäre es wohl verfrüht, den Kampf gegen Mercedes um den vierten WM-Platz schon abzuschreiben. Im Moment fehlen Heidfeld/Petrow nur drei Punkte auf Nico Rosberg und Michael Schumacher in ihren Silberpfeilen. Klar ist aber auch, dass der Schalter irgendwann von 2011 auf 2012 umgelegt werden muss: "Wir werden das nächstjährige Auto nicht opfern", stellt Boullier klar und sagt: "Das ist etwas, was ich mit James diskutieren muss."