Willis: "Weiß nicht, woher das alles kommt"
Honda-Technikchef Geoff Willis über seinen Protest gegen die flexiblen Ferrari-Flügel, die seiner Meinung nach kein neues Thema sind
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Geoff, das letzte Rennen war ein Desaster. Habt ihr seither etwas verändert? Was habt ihr in Imola gelernt?"
Geoff Willis: "Ich weiß nicht, ob man Desaster dazu sagen sollte, aber wir sind nicht so ins Ziel gekommen, wo wir uns das erhofft hatten. Die Patzer beim Boxenstopp sind eher ungewöhnlich für uns, meine ich. Das ist im Gegenteil sogar ein Gebiet, auf das wir sehr stolz sind, weil wir es so gut im Griff haben."

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Geoff Willis ist wenig begeistert über die angeblich flexiblen Ferrari-Flügel
"Inzwischen haben wir schon analysiert, was da genau los war. Ein paar Kleinigkeiten werden wir künftig anders machen, so dass es nicht mehr vorkommen sollte. Zum Glück sind in diesem Business alle sehr professionell. Gut, dass wir ohne ernsthafteren Zwischenfall davongekommen sind, gut, dass niemand verletzt wurde. Zumindest war es ein Weckruf, dass alle bei den Boxenstopps besser aufpassen sollten. Insgesamt waren wir aber happy mit unserer Pace. Unterm Strich war das Resultat nicht das erwartete, aber wir hätten auf das Podium kommen können."#w1#
Honda arbeitet auf vollen Touren an der Rennpace
Frage: "Die Rennpace war bisher eure größte Schwachstelle. Habt ihr diesbezüglich beim Test in Silverstone Fortschritte gemacht?"
Willis: "Unser Programm während der letzten drei oder vier Tests war in der Tat sehr intensive. Dabei haben wir auch viel darüber gelernt, was uns in unsere Schwierigkeiten reitet. Wir haben viel am Setup gearbeitet und mit Michelin, denn nur so können wir verstehen, was wir zu tun haben. Wir werden schrittweise besser. Dieses Wochenende wird man sehen, ob wir das in die Tat umsetzen können, aber in der Fabrik tut sich einiges. Ich denke, dass wir schon bald noch besser wissen werden, woran wir arbeiten müssen."
Frage: "Du bist angeblich noch immer nicht zufrieden mit den Ferrari-Flügeln. Kannst du die Situation um deinen Brief an die FIA klarstellen?"
Willis: "Ich weiß nicht, woher das alles kommt. In den vergangenen zwei oder drei Jahren kam das Thema der flexiblen Flügel immer wieder auf. Das ist ein Bereich, über den sich die Teams oft mit Charlie Whiting (Technischer Delegierter der FIA; Anm. d. Red.) unterhalten und Klarstellungen verlangen. Wir fragen, was erlaubt ist, und wir besprechen es auch ab und zu in der Technischen Arbeitsgruppe. Warum diese Woche auf einmal so ein Wirbel deswegen veranstaltet wird, ist mir ein Rätsel. Es ist nun einmal so, dass die Leute ziemlich viel mit den Flügeln ausprobieren."
"Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder versuchen die Leute, den gesamten Flügel durchzubiegen, wodurch sich bei hohen Geschwindigkeiten der Luftwiderstand reduziert, oder man entwickelt einen Mechanismus zum Öffnen und Schließen des Abstands zwischen den Flaps. Worauf wir da in nur einem Jahr an Innovationen gestoßen sind, ist schon beeindruckend. Wir haben Flügel gesehen, die sich in eine Richtung biegen, Flaps, die sich in eine andere Richtung biegen, Flügel, die nicht miteinander verbunden sind. Ich glaube, wir haben sogar einen Flügel gesehen, der sich selbst aufblähen kann, was mich besonders beeindruckt hat."
"Wenn wir da etwas zu hören bekommen, dann ist es ganz normal, Charlie Whiting um eine Klarstellung zu bitten, ob es nun erlaubt ist oder nicht. Das ist eben dieses Spielchen in der Formel 1: Wenn man selbst eine clevere Idee hat oder ein anderes Team, dann lässt man diese entweder absegnen oder man bittet Charlie um eine Klarstellung. Solche Ideen werden dann entweder verboten - oder aber für alle zugelassen."
Frage: "Seit Imola gab es von deiner Seite also kein spezifischeres Vorgehen gegen die Ferrari-Flügel?"
Willis: "Durch Charlie Whiting stehen wir regelmäßig in Kontakt mit der FIA. Ich denke, dass es schon dieses Jahr elf oder zwölf Dialoge gegeben hat - und da rechne ich die Diskussionen über die Regeln gar nicht dazu. Die Sache ist kompliziert, denn es gibt eindeutige Methoden zum Messen der Flexibilität des Flügelwerks, aber es gibt aus dem vergangenen Jahr auch eine Anweisung, die besagt, dass man aus so einem Flügel keinen aerodynamischen Vorteil schöpfen darf. Die Frage ist nur, wie man die Einhaltung dieser Regel erzwingen kann. Das ist natürlich ganz und gar Sache der FIA, aber die Teams werden immer Ratschläge und Meinungen an Charlie Whiting und Jo Bauer (FIA-Kommissar; Anm. d. Red.) weiterleiten, wenn etwas nicht erlaubt sein sollte. Die beiden nehmen so etwas dann unter die Lupe."
Willis weicht der Frage nach Schummeleien aus
Frage: "Verwendet irgendein Team flexible Flügel oder Unterböden?"
Willis: "Eine schwierige Frage. Es gibt viele Daten, über die man schätzen kann, ob jemand die Regeln zu seinem eigenen Vorteil ausschöpft - oder sogar etwas Verbotenes macht. Schwer zu sagen, aber wenigstens sollten wir sicherstellen, dass sich alle hundertprozentig dessen bewusst sind, was nun Sache ist. Wenn wir eine Idee hätten, wie wir schneller werden könnten, dann würden wir sie erst Charlie Whiting zeigen. Das ist wohl bei allen Teams so."
"Um die Frage zu beantworten: Wenn man herausfinden will, ob jemand betrügt, muss man die Geschwindigkeitsmessungen in verschiedenen Streckenabschnitten miteinander vergleichen. Die Autos leiten bei 300 km/h nicht so viel Luft um wie mit 250 km/h, auch nicht im Verhältnis. Früher konnte man die Eigenschaft eines Autos sehen, ab wann die Verwindung eintrat. Das war ein nicht lineares Luftwiderstandsverhalten. Jetzt kann man das nicht mehr so leicht erkennen."
Frage: "Die Kurvengeschwindigkeiten sind höher als vor einem Jahr. Was trägt dazu - abgesehen von den Reifen - bei? Glaubst du, dass die Auslaufzonen noch zeitgemäß sind?"
Willis: "Wir sind auf den Geraden viel langsamer als 2004 und 2005, aber die Rundenzeiten sind fast unverändert. Also müssen wir wohl in den Kurven schneller sein. Speziell für die Hochgeschwindigkeitskurven stimmt das mit Sicherheit. Viel ist den Reifen zuzuschreiben. Unser Reifenpartner hat fantastische Arbeit geleistet. Ich finde es beeindruckend, dass die Reifen schneller sind als 2004 und 2005, aber auch haltbarer! Viele der Reifen, die wir bei den Rennen haben, würden die komplette Distanz überstehen."
"Was die Sicherheit angeht, so ist das nicht Sache der Teams, sondern damit muss sich die Technische Arbeitsgruppe beschäftigen. Die FIA hat das sicher im Auge. Es liegt in der Natur der Formel 1, dass die Geschwindigkeiten immer höher werden, also müssen wir von Zeit zu Zeit einfach die Regeln anpassen, um hinsichtlich der Rennstrecken nicht aus den Fugen zu geraten."

