• 17.10.2008 15:57

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Willis erwartet 2009 schnellere Rundenzeiten

Trotz oder gerade wegen der einscheidenden Regeländerungen für 2009 geht Geoff Willis davon aus, dass die Formel 1 eher schneller als langsamer wird

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 befindet sich gerade im Umbruch - und zwar nicht nur vage am Verhandlungstisch mit Maßnahmen wie dem Einheitsmotor, die noch nicht einmal abgesegnet sind, sondern auch ganz konkret. Schon 2009 greift ein neues Reglement mit dem Hybridantrieb KERS, dem Comeback der rillenlosen Slickreifen und einer drastisch veränderten Aerodynamik.

Titel-Bild zur News: Geoff Willis

Geoff Willis erwartet trotz des veränderten Reglements schnellere Rundenzeiten

Letztere wurde auf Basis der Erkenntnisse der Overtaking-Working-Group beschlossen. Deren Aufgabe war es, ein aerodynamisches Reglement zu entwickeln, mit dem in Zukunft wieder leichter überholt werden kann. Zumindest auf dem Papier ist das gelungen: Musste ein Fahrer bisher um zwei Sekunden schneller sein, um den Vordermann zu überholen, so soll nun schon eine Differenz von einer Sekunde für eine realistische Chance auf einen Überholvorgang ausreichen.#w1#

Aufbruchstimmung nach 20 Jahren

"Nach 20 Jahren wurde das Ziel, mehr Überholmanöver zu forcieren, erstmals so wissenschaftlich und logisch und strukturiert angegangen wie jetzt", erklärte Red-Bull-Designer Geoff Willis gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Früher haben alle im Windkanal daran gearbeitet, ein schnelles Auto zu bauen, aber niemand machte sich Gedanken darüber, ob man damit auch gut überholen kann. Das wäre ein merkwürdiges Vorgehen, schließlich muss man dafür erst einmal ein schnelles Auto haben."

Zentraler Punkt des neuen Reglements, das auf Basis der Vorschläge von Rory Byrne (Ferrari), Paddy Lowe (McLaren) und Pat Symonds (Renault) ausformuliert wurde, ist der Frontflügel. Dieser wurde nicht nur in der Form geändert, sondern ist vor allem beweglich - der Fahrer selbst kann den Winkel vom Cockpit aus um bis zu sechs Grad verstellen. Das war aufgrund schlechter Erfahrungen in den 1960er- und 1970er-Jahren eigentlich immer ein Tabuthema.

Zudem wird der Heckflügel künftig viel schmäler sein und die ganzen Zusatzflügel wurden kurzerhand verboten. Herausgekommen ist ein Konzept, das zwar das Phänomen der Luftverwirbelungen nicht einfach abstellen, aber sehr wohl Rahmenbedingungen schaffen kann, die Überholmanöver vereinfachen sollten. Verlor man beispielsweise bisher in einer Kurve Anpressdruck, wenn man zu nah am Vordermann dran war, so kann man nun einfach den Frontflügel steiler stellen.

"Die Simulationen sagen, dass wir mit den neuen Regeln bei gleichem Luftwiderstand weniger Anpressdruck generieren werden. Die aerodynamische Effizienz wird also schlechter", analysierte Willis. "Ich denke, die Effizienz werden wir nicht zurückgewinnen können. Aber die absoluten Werte für Anpressdruck und Luftwiderstand werden auch weniger entscheidend sein als die Eigenschaften des Verhältnisses zwischen diesen beiden Kräften. Da muss man den richtigen Kompromiss finden."

Was ist nach dem Winter?

CFD-Simulation

Der neue Heckflügel soll die störenden Luftverwirbelungen vermindern Zoom

Die Frage ist, ob die theoretisch nett klingenden Erkenntnisse auch in Melbourne 2009 noch gültig sein werden - nach einem langen und intensiven Entwicklungswinter. Denn pro Jahr finden die Aerodynamiker der Formel 1 bei gleich bleibendem Reglement etwa sechs bis zehn Prozent Anpressdruck. Über kurz oder lang dürfte also der alte Standard wiederhergestellt werden - und dann wird der nächste Schritt fällig.

"Jetzt entwickeln alle die neuen Autos im Windkanal", so Willis. "Die Frage ist: Haben wir die Restriktionen streng genug definiert, sodass nach einem Entwicklungswinter der angestrebte Effekt noch vorhanden ist?" Der Red-Bull-Mann glaubt, dass KERS und die Slicks die Auswirkungen der aerodynamischen Beschneidung auf die Performance übertreffen werden: "Insgesamt erwarte ich etwas schnellere Rundenzeiten", kündigte er an.

Außerdem hält es der Brite für möglich, dass das Kräfteverhältnis der Fahrer durch das neue Reglement über den Haufen geworfen wird: "Ich kann mir vorstellen, dass mit den Slicks mehr Fahrer zurechtkommen werden als mit den Rillenreifen. Aber das ist unmöglich vorherzusagen", meinte Willis vorsichtig. Hinsichtlich einer Änderung des Fahrverhaltens ist er sich aber schon recht sicher: "Die Stabilität am Kurveneingang müsste künftig besser sein."