Wie Renault seine Siegermentalität zurückgewann
Zwei Jahren nach "Crashgate" hat Renault wieder zu alter Stärke zurückgefunden: Die Erfolgsarchitekten Gerard López und Eric Boullier über ihr Erfolgsrezept
(Motorsport-Total.com) - Es ist eine Begegnung mit einem dunklen Kapitel in der Teamgeschichte: In zwei Wochen gastiert die Formel 1 in Singapur, wo Renault-Pilot Nelson Piquet vor zwei Jahren auf Befehl des Teams in die Mauer fuhr und damit eine Safety-Car-Phase auslöste, die schließlich seinem Teamkollegen Fernando Alonso zum Sieg verhalf. Der damalige Teamchef Flavio Briatore wurde von der FIA für diese fragwürdige Aktion lebenslang gesperrt. Der Image-Schaden war gewaltig, auch wenn der Italiener später vor Gericht eine Aufhebung der Sperre erwirkte. Inzwischen hat sich das Renault-Team von diesem dunklen Schatten befreit - der Rennstall, der inzwischen mehrheitlich von Genii Capital und dessen Boss Gerard López übernommen wurde, wirkt dieses Jahr wieder erfolgshungrig und deutlich verjüngt.

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Das Renault-Team ist die große Überraschung der Saison 2010
Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss hatte auch die veränderte Fahrerpaarung: Alonso merkte man Ende 2009 bereits an, dass seine Motivation unter der chronischen Erfolglosigkeit leidet, der Spanier war mit dem Kopf längst bei Ferrari. Mit Robert Kubica hat man nun einen Piloten, der das Team mitzieht und mit großartigen Leistungen begeistert. #w1#
Frischzellenkur als Rezept
Teameigner López bestätigt dies gegenüber 'Reuters': "Wir haben jetzt wieder diese Siegermentalität zurückgewonnen." Dennoch fehlt noch ein Stück zum ersten Sieg mit der neuen Teamstruktur, bislang konnte Kubica in dieser Saison drei Podestplätze einfahren: "Natürlich würden wir nächstes Jahr gerne um die Weltmeisterschaft fahren, doch es benötigt mehr als Worte, um das zu tun. Es benötigt eine gewisse Kultur. Ich denke, dass wir jetzt wieder diese Kultur haben, denn ein Wochenende wie das in Monza ist jetzt wieder eine Enttäuschung. Nicht nur für mich, sondern für das gesamte Team." Zur Erinnerung: Kubica kam beim Grand Prix von Italien nicht über Platz acht hinaus.
Doch wie gelang es, das Team so erfolgreich einer Frischzellenkur zu unterziehen? Zumal Ende 2009 nicht einmal der Fortbestand des in Enstone sitzenden Rennstalls gesichert war. López erklärt: "Wir haben bloß ein paar führende Managementpositionen geändert. Durch diesen Zund haben wir den Siegeswillen zurückgebracht und vor allem auch dem restlichen Team gezeigt, dass sie es schaffen können, so wie sie es vor ein paar Jahren hinbekommen haben." Diese Restrukturierung sei nun beinahe abgeschlossen: "Wir sind mit unserem Programm fast fertig, neue Führungskräfte für die Rennen und für die Fabrik zu holen. Dadurch liegt nun der Focus erstmals nicht mehr darauf, das Team umzubauen, sondern Resultate einzufahren. Wir haben eine felsenfeste Basis - so fest war sie vielleicht noch nie."
Indirekte Kritik an Briatore und Alonso
Eine Schlüsselperson in der Umstrukturierung ist Eric Boullier, der mit seinen 36 Jahren gemeinsam mit Christian Horner von Red Bull der jüngste Teamchef der Formel 1 ist. Die Aussagen des Franzosen lassen an der einstigen Traumkombination Briatore-Alonso Zweifel aufkommen: "Die vergangenen zwei Jahren waren sehr destruktiv für die Moral des Teams. Das Team benötigte Sicherheit, was die Zukunft angeht, und Gesellschafter, die Vertrauen bieten."
Boullier geht ins Detail, wie man dem Rennstall neues Leben einhauchte: "Grundsätzlich haben wir das Team zu einem Rennteam gemacht. Wir haben viel Verantwortung aufgeteilt und setzten weiterhin auf die gleichen Leute mit den selben Berufsbezeichnungen. Dadurch sorgten wir für Stabilität und für das Vertrauen, als Team und für eine erfolgreiche Zukunft zusammen zu arbeiten. Im Tagesgeschäft steckten wir überall unsere Nase hinein, um sicher zu gehen, dass alle an einem Strang ziehen. Und es funktioniert."
Die Gerüchte, wonach das Team finanziell auf wackeligen Beinen stehen würde, weist Boullier entscheiden zurück: "Ich wüsste nicht, warum wir das Team verkaufen sollten. Finanziell geht es uns gut. Vielleicht würde das Gegenteil manchen Leuten Freude bereiten, doch sie haben leider Pech." Und so darf man vielleicht sogar von der großen Sensation träumen: Ex-Weltmeister Kimi Räikkönen hat für 2011 Interesse gezeigt, für Renault an den Start zu gehen. Gelingt der große Coup wirklich, dann hätte man mit Kubica und dem Finnen eine der besten Fahrerpaarungen der Formel 1. Auch ein WM-Titel für die Franzosen wäre dann nicht mehr ganz auszuschließen.

