• 20.12.2005 14:06

Wie Renault in China die Gegner in die Irre führte

An den beiden Trainingstagen zum Grand Prix von China deckte Renault das Potenzial des R25 nicht auf - zumindest bis zum Qualifying...

(Motorsport-Total.com) - Mit zwei Punkten Vorsprung in der Konstrukteurswertung gegenüber McLaren-Mercedes reiste das Renault-Team nach Shanghai. Wie von der "Equipe Jaune" vorhergesagt, blieb der Kampf um die WM-Krone also bis zum packenden Finale offen. Beim Grand Prix von China standen für Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella nicht nur zwei neue, sondern auch ganz besondere Triebwerke parat: Speziell für das Schlussrennen hatte Renault eine E-Spezifikation des RS25-Motors entwickelt, der statt zwei Rennwochenenden nur eine Distanz von gut 700 Kilometern schadlos überstehen musste.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella

Das Qualifying in Shanghai verlief für Alonso und Fisichella genau nach Wunsch

"Die neue Ausbaustufe bot in allen Belangen eine bessere Leistung", erklärte Denis Chevrier, Leiter der Motorenabteilung in Viry-Châtillon. "Der große Vorteil lag nicht in der größeren Kraft, das Triebwerk ermöglichte uns vor allem mehrere Optionen für eine Rennstrategie." Bei McLaren-Mercedes konnte nur Juan-Pablo Montoya auf einen neuen V10 setzen, Kimi Räikkönen hingegen musste weiterhin mit dem Motor auskommen, der bereits in Japan stark beansprucht wurde.#w1#

Leistungsfähigkeit des Motors wurde geheim gehalten

In China setzte das Renault-Team alles daran, nicht das wahre Gesicht des RS25-E zu zeigen: Durch ein paar kleine Tricks im Training konnte die "Equipe Jaune" das enorme Potenzial verbergen. Darüber hinaus griffen die Gelb-Blauen noch tiefer in die Trickkiste: Eine veränderte Strategie sollte die Gegner überraschen, und sogar die Pressemitteilungen fielen sehr zurückhaltend aus. Und das alles hatte nur ein Ziel: McLaren-Mercedes sollte die Konkurrenzfähigkeit des Gegners unterschätzen.

"Im Sommer sind wir zumeist vor den McLaren an die Box gefahren, weil unser Auto einfach etwas langsamer war", erzählt Pat Symonds, Chefingenieur des Renault-Teams. "Damit haben unsere Rivalen auch diesmal gerechnet - zu unseren Gunsten. Wir wussten, dass sie uns auch in China mit ihrer gewohnten Taktik schlagen wollten."

Fernando Alonso

Fernando Alonso legte mit seiner Pole Position den Grundstein zum Sieg Zoom

Am ersten Trainingstag fuhren die Renault-Boliden mit mehr Sprit als üblich. Am Vormittag belegten Alonso und Fisichella lediglich die Ränge sieben und 16. In der zweiten Session steigerten sie sich wenigstens auf Platz vier und sieben. "In Shanghai wirkt sich das größere Gewicht durch einen volleren Tank in der Rundenzeit deutlich stärker aus als auf anderen Kursen", betont Symonds. Außerdem fuhren die beiden Renault-Piloten nicht mit 100-prozentiger Leistung - ein weiterer taktischer Schachzug, um das Selbstvertrauen der McLaren-Mercedes-Mannschaft zu stärken.

Am Freitag hatte McLaren-Mercedes die Nase vorne

Der britische Rennstall dominierte den Freitag wie üblich: Die "Silberpfeil"-Piloten kamen im ersten Training auf die Positionen eins, vier und sechs, am Nachmittag wurden sie Erster, Dritter und Fünfter. Die McLaren-Mercedes-Mitarbeiter fuhren am Freitag mit guter Laune ins Hotel, weil sie dachten, Renault wäre in Schwierigkeiten. Die "Equipe Jaune" unterstützte sie dabei tatkräftig: Das französische Werksteam sprach offen von Verwirrung bei der Leistungsfähigkeit des Autos, obwohl die Realität ganz anders aussah.

Am Freitag testete das Renault-Team noch mit sehr geringem Abtrieb, stellte dann aber fest, dass die Autos auch mit steilerem Flügel genügend Geschwindigkeit auf der Geraden besitzen. Deshalb entschied man sich zu mehr Downforce für den Samstag. "So konnten wir auf einer einzelnen Runde eine bessere Zeit erreichen", erklärt Symonds. "Außerdem hatten die Fahrer mit mehr Flügel auch mehr Vertrauen ins Auto."

Längerer erster Rennstint als die "Silberpfeile"

"Wir wollten nicht überheblich werden und später die Box ansteuern, dafür aber gleichzeitig mit ihnen stoppen." Pat Symonds

Im Freien Training am Samstag landeten Alonso und Fisichella noch hinter den "Silberpfeilen" auf den Positionen drei und vier. Wie bereits vor dem Wochenende angedacht, wählte die "Equipe Jaune" für das Rennen eine andere Strategie als zuvor - die Renault R25 sollten einen ähnlich langen ersten Turn fahren wie die McLaren-Mercedes'. "Als wir vor dem Qualifying die Spirtmengen berechneten, analysierten wir unsere Performance und entschieden uns, von Beginn an gegen die McLaren zu kämpfen", so Symonds. "Wir wollten nicht überheblich werden und später die Box ansteuern, dafür aber gleichzeitig mit ihnen stoppen."

Im Qualifying spielte Renault erstmalig mit offenen Karten. Mit 100 Prozent Motorleistung zauberte man gleiche zwei Asse aus dem Ärmel: Alonso und Fisichella sicherten der den Gelb-Blauen mit fantastischen Runden die erste Startreihe, während die McLaren-Mercedes-Piloten Räikkönen und Montoya aufgrund kleiner Fehler nur die Ränge drei und fünf belegten. Doch neben deren besseren Startpositionen befand sich Renault auch in puncto Rennstrategie im Vorteil: Das McLaren-Mercedes-Team dachte, dass sie mit schwereren Autos unterwegs waren und später tanken konnten als die Renault R25...