• 22.11.2001 19:45

  • von Fabian Hust

Wie Prost Grand Prix gerettet werden soll

Die führenden Köpfe bei Prost und in der Formel 1 bemühen sich derzeit um das Überleben des Prost-Rennstalls

(Motorsport-Total.com) - Erst seit wenigen Stunden wissen es die Angestellten des Teams und die Formel-1-Welt mit letzter Gewissheit: Prost Grand Prix steht kurz vor dem Aus. Um dem finanziell angeschlagenen Team noch eine letzte Chance zu geben, hat das Versailler Handelsgericht ein Sanierungsverfahren ("Procédure Judiciaire") eingeleitet. Sechs Monate kann Alain Prost somit trotz der hohen Schulden in Höhe von rund 65 Millionen Mark seinen Rennstall weiterleiten.

Titel-Bild zur News: Der Bolide AP04 des Prost-Teams aus der Heckansicht

Prost Grand Prix: Neuanfang oder endgültiges Aus?

Das bedeutet, dass auch die Zulieferbetriebe, die an den Rennstall beispielsweise Bremsanlagen, Motoren, etc. beliefern, dazu aufgefordert werden, das Team weiterhin zu unterstützen, obwohl Prost bei einem Großteil der Firmen in den roten Zahlen steht. Sollte Prost nicht vorweisen können, dass er in naher Zukunft wieder zahlungsfähig ist, werden die Zulieferer Prost wohl kaum mit den sündhaft teuren Teilen beliefern ? zwingen kann man sie zur Unterstützung jedenfalls nicht

Als Alain Prost 1997 sein Team ins Leben rief, das sah alles noch sehr viel versprechend aus, bis sich mit Peugeot und Sponsor Gauloises zwei sehr wichtige Partner verabschiedeten. Nach der enttäuschenden Saison 2000, in der man keinen einzigen WM-Zähler holen konnte, verlor das Team eine Reihe weiterer Geldgeber, darunter das Internetunternehmen Yahoo!, das am Team aber immer noch mit 2,9 Prozent beteiligt ist.

Das Potenzial ist vorhanden

Das notwendige Personal und auch die Infrastruktur sind vorhanden, um aus Prost ein Team zu machen, das regelmäßig in die Punkte fahren kann. Das hat auch Heinz-Harald Frentzen erkannt, der damit Alain Prost hilft, an neue Geldgeber zu kommen, denn das Urteil des Mönchengladbachers verbunden mit seinem Vertrauensschwur, am liebsten auch 2002 für die Blauen zu fahren, sorgt für Vertrauen bei potenziellen Investoren.

In dieser Saison konnte Prost immerhin vier WM-Punkte einfahren und von elf Teams auf den neunten Platz der Konstrukteure kommen ? angesichts der Tatsache, dass es an Geld fehlte und man mit fünf verschiedenen Fahrern an den Start ging eine beachtliche Leistung, die das Potenzial, das in diesem Team steckt, nur unterstreicht. Mit ausreichend Geld würde das Team innerhalb weniger Jahre die Chance auf einen Mittelfeldplatz haben.

Mannschaft steht hinter Prost

Die Mannschaft steht trotz der schwierigen Situation hinter Alain Prost. Mit Jean Alesi und dem Finanzdirektor des Teams hat Prost zwar wichtige Personen verloren, die 250 Mann starke Mannschaft steht aber hinter dem vierfachen Formel-1-Weltmeister. Eine Tatsache, die etwaige Investoren sehr genau in ihren Überlegungen mit einbeziehen werden. Auch wenn das Team eigentlich kein Geld hat, der AP05 befindet sich im Bau und soll rechtzeitig zum Saisonauftakt in Melbourne fertig werden.

"Break Even" fast erreicht

1997 und 1998, den Gründungsjahren des Teams, das aus dem Ligier-Rennstall hervorgegangen war, beendete Alain Prost jeweils in den roten Zahlen. 1999 stand Alain Prost knapp vor dem finanziellen Durchbruch. Dass man in der Saison 2000 den Break Even nicht schaffte, lag vor allem an den mangelhaften Ergebnissen. Dank der Unterstützung bestehender Partner, darunter auch Ferrari, vermeldet Prost aber zumindest, dass ein "beträchtlicher" Teil des Budgets für die Saison 2002 bereits zusammengetragen ist.


Sanierungsverfahren als Investitionsmotivator

Das Sanierungsverfahren soll potenziellen Investoren und Sponsoren nun die rechtliche und finanzielle Sicherheit geben ? die Zukunft des Unternehmens soll abgesichert werden. Noch hält Alain Prost mit 51,3 Prozent Anteilen die Mehrheit am Team. Die anderen Anteile verteilen sich auf die Diniz-Familie (40 Prozent), LV Capital (5,8 Prozent) und Yahoo! (2,9 Prozent). Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Alain Prost die Mehrheit im Zuge der Sanierung des Teams verlieren.

Flavio Briatore und Bernie Ecclestone als Retter?

Als wahrscheinlichste Retter des Rennstalls gelten Flavio Briatore und Bernie Ecclestone. Flavio Briatore könnte das Team aufkaufen. Der clevere Manager würde diesen Schachzug nicht zum ersten Mal tätigen. 1994 kaufte er das Ligier-Team, das er später an Prost verkaufte, 1996 kaufte sich der Italiener bei Minardi ein. Für diesen Schachzug würde es zwei Gründe geben: Zum einen erhofft sich Briatore durch den verhältnismäßig billigen Verkauf einen späteren gewinnbringenden Verkauf. Des Weiteren hätte Briatore bei Abstimmungen innerhalb der Formel 1 dann eine Stimme mehr.

Ecclestone garantierte 12 Teams am Start

Formel-1-Boss Bernie Ecclestone würde zur Not auch sein reichlich gefülltes Portemonnaie öffnen. Der Brite hat als Promoter der Formel 1 seinen Partnern versprochen, dass 2002 12 Teams an den Start gehen werden ? das spielt dem cleveren Briten mehr Geld in die Kassen. Nun jedoch droht sich die Situation zu ergeben, dass er dieses Versprechen nicht einlösen kann. Die probateste Notlösung wäre ein Engagement im Team von Alain Prost. Für Ecclestone ebenfalls kein unbekanntes Pflaster: 1957 erwarb er das Connaught-Team, 1972 Brabham.

Diniz wollte einen Dollar zahlen

Gespräche mit Anteilseigner Pedro Diniz hat es schon gegeben, die aber nicht fruchteten. Der Brasilianer wollte das Team für einen symbolischen Dollar kaufen und hätte dann die Schulden in Höhe von rund 65 Millionen Mark getilgt. Alain Prost wäre dann aber nicht mehr Teamchef, sondern Pedro Diniz, weswegen Alain Prost den von der Diniz-Familie zugeworfenen Rettungsring wieder über Bord warf.

Des Weiteren gab es in den letzten Wochen bestätigte Gespräche mit dem arabischen Scheich Al Walid, der angeblich 35 Millionen Dollar investieren möchte. Der 22-jährige Student und Motorsportfanatiker ist der Sohn des fünftreichsten Erdbürgers und ist bereits Investor in anderen Unternehmen wie Daewoo, Planet Hollywood und Disneyland Paris. Doch wie Diniz dürfte auch Al Walid Alain Prost die Mehrheit am Team abkaufen wollen. Bisher sind die Gespräche nicht konkret genug geworden.

Potenter Sponsor als "Idealretter"

Die idealste Rettungsvariante wäre für Alain Prost ein potenter Sponsor, der für sein Geld im Gegenzug keine Teamanteile verlangt. Doch zusätzlich zu den 65 Millionen Mark Schulden, die es zu tilgen gibt, benötigt Prost noch einen nicht unerheblichen Teil des Budgets für die Saison 2002. Hier werden rund 200 bis 300 Millionen Mark angesetzt, von denen allerdings rund 100 Millionen Mark bereits gesichert sein sollen.

Alain Prost droht der Rücktritt

Doch ob Alain Prost einen solchen Sponsor finden wird, ist mehr als fraglich. Der 46-Jährige betonte am Donnerstag noch einmal, dass er gerne Teamchef bleiben möchte, schloss allerdings nun nicht mehr aus, dass er vielleicht doch seine Mehrheit am Team abgeben wird und als Teamchef zurücktreten muss: "Die ideale Situation für mich wäre, an der Spitze meines Teams zu bleiben - aber das Wichtigste ist das Fortbestehen von Prost Grand Prix."

Ein möglicher großer Sponsor soll der belgische Bierbrauergigant Interbrew sein. Die Marketingstrategen bei Interbrew sollen ein Engagement mit der international stärksten Marke des Konzerns, Stella Artois, beim Prost-Team in Betracht ziehen. Bedingung soll dafür jedoch sein, dass der Formel-3000-Pilot Bas Leinders verpflichtet wird. Der Belgier gewann 1995 die britische Formel-Ford-Meisterschaft und 1998 die Deutsche Formel-3-Meisterschaft. In der Formel 3000 konnte der 26-Jährige jedoch nicht so recht überzeugen. Des Weiteren führe man laut Alain Prost Gespräche mit "mehreren potenziellen Sponsoren".

Ein "Bezahlfahrer" obligatorisch

Angesichts der aktuellen Situation im Team wird Alain Prost mindestens einen Fahrer verpflichten müssen, der viel Geld mit in das Team bringt, wie zum Beispiel Bas Leinders. Wenn es hart auf hart kommt, muss ein zweiter "Bezahlfahrer" verpflichtet werden, was aber das Team nicht nach vorne bringen würde. Prost benötigt dringend einen Fahrer, der beim Wiederaufbau tatkräftig mit seiner Erfahrung und dank seinem Können die Kohlen aus dem Feuer holt.

Punkte bedeuten nicht nur Preisgeld, sondern indirekt auch mehr Geld von den Sponsoren auf Grund der Erfolge. Aus diesem Grund wird Alain Prost alles daran setzen, Heinz-Harald Frentzen auch in der Saison 2002 zu halten. Denkbar wäre ein Vertrag mit geringem Gehalt verbunden mit einer aufgestockten Punkteprämie. Schon in den letzten Rennen der Saison 2001 fuhr Frentzen für das Team ohne festes Gehalt. Geben die Gerichte Heinz-Harald Frentzen im Rechtsstreit mit Eddie Jordan Recht, so wird er auch 2002 ein Gehalt von Jordan erhalten, das jenes bei Prost zumindest teilweise ersetzen könnte.

Sechs Monate als allerletzte Chance

Sollte Prost innerhalb von sechs Monaten nicht sein Team auf eine finanziell stabile Basis gestellt haben, was bedeutet, dass die Schulden bei den verschiedenen Firmen beglichen sind, so kann das Team im Auftrag des beobachtenden Gerichts verkauft werden, damit die Schulden abgebaut werden können. Dass Prost am 3. März 2002 in Melbourne an den Start rollen wird, gilt als sicher, die Frage ist nur, ob das Team die Saison beenden wird.