Wie ist es um Jordan wirklich bestellt?

Offene Rechnungen, angeblich mangelndes Engagement von Alexander Shnaider - 'F1Total.com' klärt exklusiv auf, was wirklich Sache ist

(Motorsport-Total.com) - Als Eddie Jordan sein Lebenswerk im Januar dieses Jahres an den Midland-Konzern verkauft hat, übergab der 57-Jährige an die neuen Eigentümer ein marodes Team, das wenige Tage vor dem Konkurs stand. Der russische Milliardär Alexander Shnaider, der 2006 eigentlich mit einem frischen Blatt Papier einsteigen wollte, sprang auf Vermittlung von Bernie Ecclestone hin ein - und übernahm damit ein Unternehmen, bei dem die Gläubiger quasi Schlange standen. Diese Altlasten sind bis heute nicht restlos beseitigt

Titel-Bild zur News: Offene Rechnungen von Jordan/Midland

Zum Vergrößern anklicken: So stand Jordan Mitte Juni 2005 in der Kreide

Obwohl Shnaider immer wieder deutlich gemacht hat, dass er mit Midland, wie der rund 200 Mann starke Rennstall aus Silverstone ab kommender Saison heißen wird, ehrgeizige Ziele verfolgen und sich vom hinteren Ende des Feldes verabschieden möchte, kamen in den Medien bald Zweifel am Engagement des in Kanada lebenden Russen, der alleine mit seinem Stahlwerk in der Ukraine jährlich 300 Millionen Euro scheffelt, auf. Grund dafür waren nicht bezahlte Rechnungen an diverse Zulieferer und Dienstleister, die auf Umwegen in die Hände von Journalisten gelangt sind.#w1#

Mitte Juni waren mindestens sieben offene Rechnungen überfällig

'F1Total.com' liegen nun Dokumente vor, die beweisen, dass die unter dem Namen 'Jordan Grand Prix Holdings Ltd.' eingetragene Firma, die in Großbritannien seit 29. August 1989 registriert ist, Mitte Juni mindestens sieben gerichtliche Zahlungsanforderungen auf dem Tisch liegen hatte. Insgesamt belief sich die Summe dieser offenen Rechnungen auf 156.469 Pfund, was umgerechnet knapp 230.000 Euro entspricht. Die erste dieser Zahlungsanforderungen wurde bereits am 1. April 2005 eingebracht, die bisher letzte am 14. Juni.

Teamchef Colin Kolles bestätigte gegenüber 'F1Total.com' zwar, dass es in den vergangenen Monaten tatsächlich gerichtliche Zahlungsanordnungen dieser Art gegeben hat, unterstrich aber gleichzeitig, dass diese Angelegenheiten inzwischen allesamt erledigt wurden: "Ich kann das hundertprozentig belegen", so der in Rumänien geborene Deutsche. "Wenn behauptet wird, dass wir unsere Rechnungen nicht bezahlen, dann ist das eine Frechheit. Es ist alles erledigt. Es gibt keine gerichtlichen Zahlungsanordnungen."

Vor allem stößt sich Kolles daran, dass mit Berichten über die angeblich fragwürdige Bonität der 'Jordan Grand Prix Holdings Ltd.' bestehende und potenzielle Sponsoren verunsichert werden. Auch Berichte eines deutschen TV-Senders, wonach Marketingchef Christian Geistdörfer, der Ende Juni seine Kündigung eingereicht hat, kein Geld gesehen haben soll, dementierte er klar: "Herr Geistdörfer hat sein Geld immer im Voraus bekommen", erklärte der 37-Jährige. Und: "Wir werden gegen jeden vorgehen, der das Gegenteil behauptet."

"Da wird irgendetwas aufgebauscht, was nicht stimmt"

Überhaupt versteht er den Wirbel nicht: "Da wird irgendetwas aufgebauscht, was nicht stimmt", so Kolles. Teameigentümer Shnaider könne die Summen, um die es geht, "aus der Portokasse" bezahlen, ziehe es aber vor, die von Eddie Jordan übernommenen Verträge mit Zulieferern und Dienstleistern einzeln zu prüfen, da sich einige Unternehmen im Zuge der Übernahme an den neuen Eigentümern bereichert haben sollen. Als Beispiel nannte Kolles eine Lackiererei, die um 40 Prozent überteuerte Rechnungen gestellt hatte. Dieser Prüfungsprozess sei in seiner Gesamtheit eben ein langwieriges Unterfangen.

Darüber hinaus räumte Kolles gegenüber 'F1Total.com' mit dem Gerücht auf, wonach sein Team hoffnungslos verschuldet sei. Bei der Übernahme seien etwas mehr als zehn Millionen Euro offen gewesen, jetzt sind es seinen Angaben nach nur noch knapp sieben. Ziel sei, bis Jahresende komplett schuldenfrei zu sein. Der Deutsche ging aber sogar noch einen Schritt weiter: "Jordan hat im Vergleich zu anderen Teams die geringsten finanziellen Probleme", sagte er. Eine große Entlastung sei schon am 15. Juli in Form der nächsten Überweisung von TV-Geldern an die Teams zu erwarten.

"Wenn einem das Geld zusteht, dann bekommt er das auch sofort"

Prinzipiell stellte Kolles klar, dass nur jene Rechnungen nicht sofort bezahlt worden sind, deren Prüfung zu einem negativen Ergebnis geführt habe, denn: "Wenn einem das Geld zusteht, dann bekommt er das auch sofort von uns." Als Beispiel nannte er in diesem Zusammenhang die ausständigen Punkteprämien aus der Saison 2004, die Shnaider vor einigen Wochen nachträglich an Nick Heidfeld überwiesen hat. Dabei handelte es sich um einen Betrag von rund 120.000 Euro.

Das Team befindet sich also dem Anschein nach auf einem guten Weg, was das Aussortieren diverser finanzieller Angelegenheiten betrifft, dennoch gibt es nach wie vor Firmen, die unverändert auf ihr Geld warten - eine davon hat sich heute Morgen bei 'F1Total.com' gemeldet. Ob Midland Wort hält und bis Jahresende alle derartigen Beschwerden aus dem Weg räumen kann, wird die Zeit zeigen. Wenn das Team 2006 unter dem Namen Midland an den Start geht, will es sich jedenfalls mit einer blütenweißen Weste präsentieren...