• 28.11.2003 13:43

Whitmarsh: Wir haben schon alle Crashtests bestanden

Martin Whitmarsh spricht über den MP4-19 und wie sich das neue Wochenendformat auf die Entwicklung des neuen Autos auswirkte

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wie stark basiert der MP4-19 auf dem MP4-18?"
Martin Whitmarsh: "Das Auto ist eine Weiterentwicklung die auf dem MP4-18 aufbaut. Der Bereich auf den es aber ankommt besitzt im Vergleich viele komplett neue Teile. Mehr als wir beim Start dieses Projekts angenommen hatten. Die Frontpartie erinnert von der Form her sehr stark an die des MP4-18. Wie dem auch sei, die Aufhängungskonstruktion und die Bereiche im hinteren Fahrzeugteil sind unterschiedlich und sind nach der Beendigung der Arbeit am MP4-18 weiterentwickelt worden."

Titel-Bild zur News: Heckpartie des MP4-19

Im Heckbereich hat es vom MP4-18 zum MP4-19 viele Änderungen gegeben

Frage: "Kann man den MP4-19 also als neues Auto bezeichnen?"
Whitmarsh: "Zwangsläufig, denn die Menschen konzentrieren sich auf die Bezeichnung die wir dem Auto geben und gehen davon aus, dass wir ein Auto entwickeln und es dann präsentieren. Allerdings funktioniert die Arbeit in der Formel 1 nicht so. Es gibt nur sehr wenige Teams, welche von einem Rennen zum nächsten mit einem identischen Auto antreten. Alle vierzehn Tage ist das Auto auf Grund der Entwicklungsarbeit mit dem Ziel eine bessere Leistungsfähigkeit zu finden, und es für die nächste Strecke zu optimieren, etwas verändert. In der Formel 1 haben wir ein sehr kurzes Entwicklungsprogramm und die Performance wird die ganze Zeit über vorangetrieben. Wir versuchen einfach ein extremes Autos zu konstruieren. Während der Testfahrten und Rennen finden wir dann heraus, wo die Schwächen liegen und wo Änderungen vorgenommen werden müssen. Ein Auto wird also kontinuierlich entwickelt. Der MP4-17D, mit dem wir die Saison 2003 begannen, besaß eine Vielzahl an Entwicklungsideen und -konzepten die dann in die Entwicklung des MP4-18 mündeten. Während des Jahres wurde der MP4-17D aber weiterentwickelt. Jetzt profitiert der neue MP4-19 von dieser Arbeit."

Frage: "Dass ihr das neue Auto so früh testen könnt, muss euch in eine gute Position für die nächste Saison bringen oder?"
Whitmarsh: "Wir gehen davon aus, dass das der Fall sein wird. Es sollte einer der Vorteile dieses Programms sein, bei dem wir bis vor der Weihnachtspause drei umfangreiche Tests durchführen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass wir bereits alle Crashtests bestanden haben. Dadurch haben wir die Möglichkeit vom 25. November an jede Menge Kilometer zu fahren, viel Vertrauen aufzubauen und ich glaube auch, dass wir in einer guten Form nach Melbourne reisen können."

Frage: "PS sind immer wichtig. Kommt 2004 ein brandneuer Motor von Mercedes-Benz zum Einsatz?"
Whitmarsh: "Ja, wir haben einen komplett neuen Motor. Der Mercedes-Benz F0 110Q ist das Produkt der Technikabteilungen in Stuttgart und Brixworth. Das ist das erste Mal, dass wir beide Teams zusammengebracht haben und uns auf ein Programm konzentrierten. Durch die den beiden Zentren zur Verfügung stehenden Ressourcen, die für dieses eine Programm verwendet werden, können wir noch bessere Arbeit verrichten."

Frage: "Der MP4-19 ist das erste Auto welches nach In-Kraft-Treten der neuen Regeln wie dem Einzelzeitfahren entwickelt wurde. 2004 wird außerdem nur der Einsatz eines Motors pro Rennwochenende erlaubt sein. Lagen der Designphilosophie des neuen Autos auch Ideen zu Grunde mit diesen neuen Herausforderungen klarzukommen?"
Whitmarsh: "Nun, man könnte jetzt annehmen, dass das Wechseln eines Motors von nun an weniger ein Thema sein wird, denn ohne eine schwere Strafe darf man den Motor nicht einfach so wechseln. Interessant ist aber, dass viel unternommen wurde um die Zeit des Motorenwechsels beim MP4-19 zu beschleunigen. Nun mag man sich die Frage stellen warum dem so ist? Folgendes: Die einzige Sache die vor der Qualifikation am Samstag nicht geändert werden darf ist der Motor. Wenn man also ein Problem mit einem anderen Bereich des Autos hat, und der Fahrer in das Ersatzauto wechseln muss, macht das einen Motorenwechsel erforderlich. Es sei denn er wechselt in ein Ersatzauto bei dem kein Motor eingebaut war. Mit anderen Worten: Man muss den Motor aus dem Einsatzauto ausbauen und in das Ersatzauto einbauen bevor es am Samstag in den Parc Fermé kommt. Wenn man das schnell hinbekommt, vermeidet man eine Strafe."

Frage: "Die für dieses Jahr umgesetzten Regeländerungen brachten es mit sich, dass die abschließende Qualifikation mit genügend Benzin für den Rennbeginn durchgeführt werden musste. Hat sich dies auch auf die Entwicklung des MP4-19 ausgewirkt?"
Whitmarsh: "Wir haben uns natürlich die Größe der Treibstoffzelle angeschaut. Eine Analyse der Rennen der Saison 2003 zeigt, dass es keine Einstopp-Strategien, sondern mehr Zwei- und Dreistopp-Strategien als 2002 gab. In der Vergangenheit musste der Benzintank immer die Kapazität besitzen, um damit mindestens die halbe Renndistanz ohne Unterbrechung fahren zu können. Das ist jetzt nicht mehr länger erforderlich. Ich bin überzeugt, dass alle Teams für die Saison 2004 ihre Hausaufgaben diesbezüglich gemacht haben. Sobald man sich aber für eine Verringerung der Tankkapazität um 20 Liter entscheidet, schaut man auch darauf ein Auto mit kürzerem Radstand zu bauen, die Kühlung durch einen schmaleren Tank zu optimieren oder das Auto niedriger zu konstruieren, um so den Schwerpunkt zu senken. Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass das eine Möglichkeit eines Leistungszuwachses darstellt."

Frage: "Dieses Jahr lagen die Top-Teams sehr dicht beisammen und die Reifen stellten sich als einer der Faktoren heraus der über den Erfolg entscheidet. Welche Rolle hat Michelin in der Entwicklung des MP4-19 gespielt?"
Whitmarsh: "Wir haben ein technisches Team welches mit Michelin zusammenarbeitet. Der Entwicklungsprozess erfolgt aber immer in zwei Richtungen, denn das Chassis stellt gewisse Anforderungen an den Reifen und umgekehrt verhält es sich identisch. Ganz einfach gesagt: Wir wollen mehr Grip und sie wollen mehr Abtrieb, um mehr Grip liefern zu können. Bei unserer Entwicklung der Aufhängungssysteme werden wir nach bestimmten Eigenschaften was das Federverhalten und die Dämpfung betrifft fragen. Auf der anderen Seite wir Michelin unsere für die Aufhängung zuständigen Ingenieure darum bitten, dass diese die Reifenlauffläche auf bestimmte Art nutzen, um dadurch zum Beispiel den Radssturzwinkel zu minimieren. Es handelt sich um einen fortlaufenden Prozess, bei dem sich die Reifen und das Chassis zusammen entwickeln."