• 30.09.2008 13:12

Whitmarsh: "Schnüren für Brasilien ein weiteres Paket"

McLaren-Mercedes-Geschäftsführer Martin Whitmarsh im Interview über das Nachtrennen in Singapur und die weiteren Entwicklungsschritte

(Motorsport-Total.com) - Zwar kreuzte in Singapur kein McLaren-Mercedes als Erster die Ziellinie, dennoch war das Rennergebnis für die Silberpfeile um Geschäftsführer Martin Whitmarsh ein gefühlter Sieg: Die Konkurrenz von Ferrari hatte sich selbst matt gesetzt, Lewis Hamilton fuhr als Dritter ins Ziel und machte reichlich Punkte. Einzig Heikki Kovalainen trübte das Bild wieder einmal etwas und kam nicht über Rang zehn hinaus. Im Interview nimmt Whitmarsh dazu Stellung und schildert seine Eindrücke aus Singapur.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh und Stefano Domenicali

Martin Whitmarsh und Stefano Domenicali: Am Ende lachte nur einer..

Frage: "Martin, ihr habt in Singapur zwar nicht das Rennen gewonnen, aber ihr führt jetzt in beiden Weltmeisterschaften. Wie lautet dein Fazit des Wochenendes?"
Martin Whitmarsh: "Wenn mir vor Singapur jemand gesagt hätte, dass wir in der Fahrer-WM mit sieben Punkten Vorsprung und als Führende der Konstrukteurs-WM nach Hause fliegen würden, dann hätte ich einen Luftsprung gemacht, aber im Nachhinein bin ich doch etwas weniger euphorisch. In Wahrheit hat die Safety-Car-Regel verhindert, dass wir gewinnen. Aber so ist das Leben."#w1#

Ungewöhnlicher Zeitplan führt zum Erfolg

Frage: "Es gab eine lange Vorbereitungszeit auf das Rennen in Singapur. Gab es für das Team dennoch Überraschungen?"
Whitmarsh: "Die Bodenwellen haben alle überrascht. Bevor wir zum Rennwochenende nach Singapur aufgebrochen sind, haben wir einige Leute dorthin geschickt, die eine genaue Analyse der Streckenoberfläche durchführen sollten, was wir dann in unsere Ingenieursarbeit einfließen lassen wollten. Bei einer neuen Strecke ist es aber normal, dass der Belag arbeitet und sich etwas setzt - Vorkommnisse, die wir entweder nicht in Betracht gezogen haben oder die sich nach unserer Erkundung vollzogen haben."

"Das war eigentlich das am wenigsten erwartete Element dieses Wochenendes. Außerdem müssen wir uns die Einfahrt und den Ausgang der Boxengasse noch einmal genau anschauen. Die Verantwortlichen müssen an diesen Stellen für das kommende Jahr sicherlich nochmals Hand anlegen und die Boxengasse weiter von den Kurvenscheiteln entfernen. Ich bin mir sicher, dass das geändert werden wird."

Frage: "Warst du mit dem Zeitplan für die Fahrer zufrieden?"
Whitmarsh: "Ja, denn das hat ausgezeichnet funktioniert. Beide Piloten gingen sehr engagiert zu Werke und das Team hinter den Stundenplänen - unter Anleitung von Aki Hintsa - hat viele Energien in diese Aufgabe gesteckt. Aber das war schon eine bizarre Erfahrung: Nach den Sessions bin ich ins Hotel zurück, habe etwas gegessen und saß dann mit unseren Fahrern bis vier Uhr früh zusammen. Dann bin ich ins Bett und sie haben sich noch einen Film reingezogen - das war schon sehr seltsam, hat aber gut geklappt."

Whtimarsh ein Fan von Singapur

Frage: "Was waren deine Eindrücke vom ersten Nachtrennen der Formel 1?"
Whitmarsh: "Was das Ambiente, die Anlagen und die Kulisse anbelangt, war das einfach fantastisch. Natürlich war das ein Lernjahr und die Veranstalter haben jede einzelne Hürde genommen, die sich einem stellt, wenn man eine Rennstrecke in einer Großstadt aufbauen will. Wir haben aber gesehen, wie sich Monaco über die Jahre entwickelt hat und ich könnte mir denken, dass Singapur unser 'Monaco des Ostens' wird. Die Hingabe der Regierung von Singapur und den Organisatoren zeigte sehr viel Wohlwollen, was von den Teams nur zurückgegeben werden kann, wenn man diese Veranstaltung zu einem Erfolg machen will."

Frage: "Hätte das Team realistisch mehr erreichen können als P3 und P10?"
Whitmarsh: "Die Safety-Car-Phase unmittelbar vor den ersten Pitstops hat den normalen Zweistoppern natürlich mehr weh getan als anderen. Ich denke aber, dass wir die Situation gut gemeistert haben. Wir haben Lewis und Heikki darauf hingewiesen, Sprit zu sparen, um nicht während der Safety-Car-Phase zum Tankstopp kommen zu müssen. Danach haben wir beide Wagen auf einmal hereingeholt, als die Boxengasse geöffnet wurde."

"Dabei musste Heikki leider hinten anstehen, was zur Folge hatte, dass er im restlichen Rennen im Verkehr festhing. Außerdem traten gegen Rennende bei ihm einige Bremsprobleme auf und er musste sein Tempo reduzieren. Wenn man wie Lewis um die Weltmeisterschaft kämpft, dann ist man natürlich eher auf die Risiken bedacht, als die Teams, die einfach um ein starkes Ergebnis kämpfen."

"Wir wollen den Erfolg von Renault und Williams nicht schmälern, doch unsere Arbeit wurde dadurch beeinflusst, dass kein Ferrari-Fahrer richtig punkten konnte. Wir wären wohl wie die Deppen dagestanden, hätten wir Lewis' Platz weggeworfen, nur um mehr zu pushen. Wir haben das Zahlenspiel am Sonntagabend perfekt gespielt und wurden aus unterschiedlichen Gründen von zwei Wagen geschlagen."

Updates für Brasilien

Frage: "Würdest du sagen, dass Lewis durch die erste Safety-Car-Phase einen Nachteil erhalten hat?"
Whitmarsh: "Die gegenwärtigen Regeln beim Einsatz des Safety-Cars verursachen bei einigen Fahrern Nachteile gegenüber anderen Piloten, das stimmt. Daher ist das eine Art Lotterie - doch diese Dinge nivellieren sich normalerweise im Laufe einer Saison. Manchmal profitierst du eben von solch einer Situation, manchmal eben nicht. Was es für Lewis in Singapur etwas schwieriger gemacht hat, war, dass die Strafen etwas lange auf sich warten ließen. Nico (Nico Rosberg; Anm. d. Red.) konnte eine schnelle Runde nach der anderen drehen, bis die Stewards erst einmal eine Entscheidung gefällt hatten. Das hat seine Zehn-Sekunden-Strafe dann wieder wettgemacht."

"Rückblickend würde ich sagen, dass wir Lewis zur gleichen Zeit hereinholen hätten können, wie Williams das mit Nico gemacht hat. Hätten wir das getan, dann hätte Lewis möglicherweise das Rennen gewinnen können. Aber solche Sachen kannst du ja nicht erahnen und wir haben Lewis erst hereingeholt, als es die Regeln erlaubten. Außerdem muss man fair mit den Stewards umgehen, denn sie hatten zu diesem Moment wirklich sehr viel um die Ohren."

Frage: "Das Team hatte für Singapur einige Updates im Gepäck. Was habt ihr für die drei ausstehenden Überseerennen geplant?"
Whitmarsh: "Normalerweise hätten wir zum Singapur-Rennen unser letztes größeres Update gebracht. Für Brasilien schnüren wir allerdings noch einmal ein weiteres Paket und hoffen, dass uns unsere Verbesserungen weiter nach vorne bringen. Für die beiden asiatischen Rennen haben wir einige Kleinigkeiten am Auto. Die Änderungen am Gesamtpaket werden aber kleiner sein als das Paket für Singapur."