Whitmarsh: Formel 1 muss sich neuen Medien öffnen

Durch Ecclestones Pay-TV-Offensive verliert die Formel 1 Zuseher - Martin Whitmarsh fordert nun, den verlorenen Boden über die neuen Medien zurückzuerobern

(Motorsport-Total.com) - Es ist ein schwieriger Spagat: Werden Formel-1-Rennen im Free-TV übertragen, sind nur Hardcore-Fans bereit, viel Geld für ein Pay-TV-Paket auszugeben. Dieses bietet einem zwar ein paar zusätzliche Annehmlichkeiten, doch viele Formel-1-Fans geben sich auch damit zufrieden, unentgeltlich die Highlights des Wochenendes - also Qualifying und Rennen - anzusehen.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh

Martin Whitmarsh gilt als glühender Verfechter innovativer Marketing-Wege Zoom

Das weiß auch Formel-1-Boss Bernie Ecclestone. Der Brite kann von den Pay-TV-Sendern keine horrenden Summen für die Reche verlangen, wenn sich die Abo-Verkäufe in Grenzen halten. Aus diesem Grund versucht er derzeit, den Pay-TV-Sektor zu stärken: In Großbritannien, dem Mutterland der Formel 1, müssen die Fans inzwischen auf 'Sky' umsatteln, wollen sie alle Rennen live erleben - die öffentlich-rechtliche 'BBC' zeigt nur noch die Hälfte aller Grands Prix live, die andere Hälfte zeitversetzt in einer Zusammenfassung.

Auch in anderen Ländern wie Italien oder Frankreich setzt Ecclestone neuerdings auf dieses Modell. Doch die Nebenwirkungen sind nicht zu unterschätzen: Die Formel 1 verliert dadurch an TV-Zusehern, weil es sich viele Menschen schlicht nicht leisten können, für Pay-TV zusätzliches Geld auszugeben. Und: Weniger Zuseher bedeuten weniger Kontakte mit den in der Formel 1 werbenden Sponsoren, die freilich nicht mehr bereit sein werden, ähnliche Summen für weniger Werbewert auszugeben - einige Teams kämpfen derzeit ums Überleben.

Whitmarshs Appell

Dies könnte man ausgleichen, indem man die Menschen über andere Wege erreicht. Doch wenn es darum geht, die neuen Medien zu nutzen, um die Fans besser zu erreichen, hat die Formel 1 großen Nachholbedarf. Und erst vor wenigen Jahren schaffte man den Sprung ins HD-Zeitalter - als eines der letzten globalen Sportevents unserer Zeit.

McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh wird seit Jahren nicht müde, zu betonen, dass die Formel 1 bei der Nutzung neuer Medien innovativer werden muss, um nicht auf den alten, überholten Pfaden übrig zu leiben. "Ursprünglich funktionierte der Sport im terrestrischen Fernsehen", weiß er. "Wenn man sich aber nur darauf konzentriert, dann lässt man zahlreiche Gelegenheiten aus."

Medien-Nutzungsverhalten im Umbruch

Er spielt darauf an, dass sich das Medien-Nutzungsverhalten der Menschen im Umbruch befindet: "Heutzutage sehen die Menschen fern, schauen auf ihren Computer, auf ihr iPad, auf ihr Telefon, auf all die unterschiedlichen Geräte. Die Anzahl an Menschen, die am Sonntag früher Mittagessen, um sich dann hinzusetzen, um den Grand Prix anzusehen, ist immer noch sehr wichtig, aber wir müssen erkennen, dass Fortschritt nur über all die medialen Möglichkeiten führt. Es muss uns gelingen, durch all die Websites und so weiter für ein Formel-1-Fieber zu sorgen."

Den Zuschauerschwund im TV-Bereich führt er darauf zurück, "dass die Leute Angebote auswählen, aufnehmen und durch andere Medien rezipieren - das muss uns bewusst sein und wir müssen gewarnt sein." Ecclestones Pay-TV-Offensive sieht er nicht als Problem, solange man andere Wege beschreitet, um das Interesse der Sponsoren zu wahren. "Wir arbeiten sehr hart daran, um unseren Partnern einen Gegenwert zu liefern, aber wir müssen flexibel sein", beschreibt er die Situation seines Teams.

"Es muss uns gelingen, durch all die Websites und so weiter für ein Formel-1-Fieber zu sorgen." Martin Whitmarsh

NASCAR als Vorbild?

Als Vorbild könnte da durchaus die US-amerikanische NASCAR-Serie dienen. Dieser Tage präsentierte Geschäftsführer Brian France das NASCAR Fan & Media Engagement Center - eine Art Multimedia-Schaltzentrale, um die sozialen Netzwerke besser überwachen zu können. "Dadurch kann unsere Industrie mit unseren Fans auf eine Art und Weise interagieren, von der wir nicht einmal zu träumen gewagt hätten - in Echtzeit, in fast jedem Medium, im gesamten Land."

Durch die von fünf Mitarbeitern überwachte Zentrale sollen Teams, Streckenbesitzer, Sponsoren, TV-Stationen und die NASCAR-Serie selbst mehr Daten über die Reaktion der Fans in den sozialen Netzwerken erhalten - zum Beispiel, welche Fahrer besonders für Gesprächsstoff sorgen, wie effizient die 'Twitter'-Hashtags funktionieren. Zudem wird die mediale Berichterstattung überwacht. In der Formel 1 ist eine derartige Innovation noch weit entfernt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass man dadurch nun aufmerksam wird und die Möglichkeiten abseits der TV-Übertragungen erkennt.