• 31.03.2014 09:54

  • von Dominik Sharaf

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Das Sepang-Wochenende war für Williams sportlich Durchschnittskost, am meisten zu grübeln gehabt haben dürfte unserer Meinung nach trotzdem Teamchefin Claire

Titel-Bild zur News: Claire Williams

Claire Williams dürfte während des Fluges nach Bahrain ordentlich grübeln Zoom

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

es ist wieder Montag nach dem Grand Prix - für uns die Zeit, zu beleuchten, wer in der Nacht nach dem Rennen wohl am schlechtesten geschlafen hat, weil er ein Wochenende zum Vergessen hinter sich hat. In Melbourne hieß unser "Man of the Race" im negativen Sinne Kimi Räikkönen. Der Finne rangierte auch in Sepang wieder unter den Kandidaten, entschieden haben wir uns aber nicht für den Ferrari-Rückkehrer.

Zwar überflügelte Räikkönen seinen Teamkollegen Fernando Alonso auch an diesem Wochenende nicht, jedoch verzeichnete er deutliche Fortschritte und blieb nur deshalb ohne WM-Punkte, weil ihn der Plattfuß infolge der Attacke Kevin Magnussens unverschuldet zurückwarf. Eine weiterer Name stand ebenfalls schon in Australien zur Debatte: Daniel Ricciardo. Allerdings war der Red-Bull-Neuling erstens nicht schlecht unterwegs, zweitens bezüglich seiner Misere machtlos und drittens: Glauben Sie wirklich, dass ein Mann, der beharrlich lächelt, schlecht schläft?

Massa: Vom Soldaten zum Rebell

Auch Nicole Scherzinger dürfte auf dem Kopfkissen reichlich gegrübelt haben, schließlich ist sie nicht mehr das einzige Popsternchen im Fahrerlager und muss um ihre (wohl nicht ganz verhasste) Rolle als Lieblingskind der Boulevardmedien fürchten. Ex-Spice-Girl Geri Halliwell trällert nun an der Seite Christian Horners mit. Außerdem durchgefallen: Paul Hembery. Der Pirelli-Sportchef dürfte zufrieden sein, dass die Reifenprobleme der vergangenen Jahre kein Thema mehr sind, allerdings sind Italiener nicht mehr im Gespräch und es herrscht Langeweile. Abwarten, wann die Pirelli angekreidet wird.

Wer sich auf dem Nachttisch wirklich ein Gläschen Schnaps - Verzeihung, Martini - geparkt haben dürfte, ist Claire Williams. Es gibt in der Boxengasse niemanden, der so mit den Piloten mitfühlt und mitleidet wie die junge Teamchefin. Nachdem sie in Melbourne den Husarenritt des Valtteri Bottas zu verkraften hatte, musste sie in Sepang das Duell des Finnen gegen Felipe Massa ansehen. Obwohl er den Funkspruch "Felipe, Valtteri is faster than you" hörte, machte der Brasilianer kurz vor Ende keinen Platz und bescherte Williams ihre erste Bewährungsprobe.


Fotostrecke: GP Malaysia, Highlights 2014

Massa dürfte sich bei der Szene nicht nur wegen des Wortlautes der Anweisung an Hockenheim 2010 erinnert haben. Damals forderte Ferrari ihn auf, Fernando Alonso mit Blick auf die WM-Gesamtwertung den Grand-Prix-Sieg zu schenken. Massa spurte artig, hat im Rückblick aber davon gesprochen, "vielleicht etwas zu loyal" gewesen zu sein. Wahrscheinlich hat er sich unter dem Helm an diese Aussage erinnert und wollte nicht klein beigeben, sich nicht auch an neuer Wirkungsstätte das Image des Wasserträgers aufdrücken lassen. Ich hege große Sympathie für diese Haltung.

"Vielleicht bin ich zu loyal gewesen." Felipe Massa über seine Ferrari-Zeit

Nebenkriegsschauplatz eröffnet

Formel-1-Fahrer der Gegenwart lassen viel zu viel mit sich machen. Wenn die Ingenieure ihnen sagen, sie sollen hungern, dann backen sie zuckerfreie Kekse. Wenn die Teamchefs ihnen sagen, sie sollen bei albernen PR-Veranstaltungen mitmachen, dann spuren sie. Massa, mittlerweile 32 Jahre alt, ist erwachsen genug, um sich nicht herumkommandieren zu lassen. Ob das seinem Standing in Grove genützt hat, steht auf einem anderen Blatt. Seiner Außenwirkung als ewige Nummer zwei dürfte die Sache auch wegen der Aussagen nach dem Rennen sicher entgegengewirkt haben.

Massa demonstrierte die breite Brust, die man sich schon früher von ihm gewünscht hätte. Er argumentierte, dass es dem Team nichts genützt hätte, hätte er Bottas durchgewunken. Es ist eine selbstbewusste und erwachsene Aussage, aber die Sache hat einen Haken: Der frühere Vize-Weltmeister stellt die Autorität von Claire Williams infrage. Die 37-Jährige befindet sich 2014 erstmals an vorderster Front. Nachdem der FW36 die Leistungen der Testfahrten im Rennbetrieb nicht bestätigte, tut sich für Williams nun ein unnötiger Nebenkriegsschauplatz auf.

Williams in der Zwickmühle

Nun stellt sich die Frage, wie die Britin intern in der Angelegenheit verfährt. Rügt sie Massa, riskiert sie, dass ihr Pilot wieder in die Lethargie vergangener Tage verfällt und langfristig die Motivation verliert. Was dann passiert, hat seine lange Durstrecke gezeigt. Lässt sie die Sache auf sich beruhen, ist das kein Zeichen ihrer Führungsstärke und schwächt Eigengewächs Bottas, den Williams seit Jahren sukzessive aufbaut. Hinzu kommt, dass die Gründertochter mit einem schweren Erbe zu kämpfen hat. In Grove stößt Teamorder traditionell auf Ablehnung.

Kevin Magnussen, Felipe Massa, Valtteri Bottas

Zwei Williams, ein McLaren, drei Gegner: Bei den Weißen gab es keine Hilfe Zoom

Diese Meinung teilen die Leser von 'Motorsport-Total.com'. In einer Umfrage mit 1.415 abgegeben Stimmen stellten sich 85,58 Prozent der Teilnehmer hinter Massa. 45,44 Prozent begründeten ihre Position mit der Ferrari-Vergangenheit des Paulista. 40,14 Prozent glauben, dass Stallregie in der Formel 1 "nichts verloren hat". Nur 14,42 Prozent hingegen kritisieren Massa dafür, eine Anweisung missachtet zu haben. Es ist ein deutliches Votum. Ich schließe mich den Sympathisanten des renitenten Piloten an: Auf dem Schulhof sind die Rebellen eben immer beliebter als die Streber.

Und was ist mit Valtteri Bottas? Der junge Finne wirkte nach dem Malaysia-Grand-Prix äußert abgeklärt. Fragen zu der Sache beantwortete er nicht, Wutausbrüche waren Fehlanzeige. Mit dieser Stoa erinnerte er beinahe an seinen Landsmann Räikkönen, womit sich auch der Kreis dieser Kolumne schließen soll. Der Formel 1 tun meiner Meinung nach starke Fahrer gut. Noch mehr als jedes Motorenreglement, noch mehr als jedes Dezibel Sound. Erfreulich, wenn die ältere Generation mit gutem Beispiel vorangeht und mal das Enfant terrible heraushängen lässt.

Dominik Sharaf

'Motorsport-Total.com'-Redakteur Sharaf mag die letzten Rebellen im Cockpit Zoom

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Dominik Sharaf