• 25.05.2005 18:06

Wendlinger: "Schumacher wird noch Rennen gewinnen"

Karl Wendlinger, ehemaliger Formel-1-Pilot und Ex-Teamkollege von Michael Schumacher, im Interview über die Situation in der Königsklasse

(Motorsport-Total.com) - 41 Mal ging Karl Wendlinger zwischen 1991 und 1995 für March und Sauber in der Formel 1 an den Start, dreimal verpasste er als Vierter sogar ein Podium nur knapp. Vor seiner Zeit in der Königsklasse war er im Sportwagenteam von Mercedes eines von drei hoffnungsvollen Talenten. Seine Stallkollegen damals: Michael Schumacher und Heinz-Harald Frentzen.

Titel-Bild zur News: Karl Wendlinger

Karl Wendlinger warnt davor, seinen Ex-Kollegen Schumacher abzuschreiben

Der Österreicher, der 1994 in Monaco einen schweren Unfall erlitt und anschließend mehrere Wochen im Koma lag, war kurz nach dem Grand Prix im Fürstentum am vergangenen Wochenende zu Gast in der TV-Sendung 'Sport am Sonntag'. Dank der freundlichen Genehmigung unserer Kollegen vom 'ORF' kann das Interview nun auch bei 'F1Total.com' nachgelesen werden. Wendlinger analysiert darin vor allem die derzeitige Situation in der Formel 1.#w1#

Keine Erinnerungen mehr an den schweren Unfall von 1994

Frage: "Karl, vor elf Jahren hattest du in Monaco diesen schlimmen Unfall. Ist die Erinnerung daran immer noch präsent - oder nur dann, wenn du darauf angesprochen wirst?"
Karl Wendlinger: "Die ist wenig präsent, weil ich vom Unfalltag keine Erinnerungen habe. Das Letzte, das ich noch weiß, ist der Abend am Tag vor dem Unfall. Vom Fahren selber oder vom Unfall weiß ich nichts mehr. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich irgendwann in der Klinik in Innsbruck aufgewacht bin und keine Ahnung hatte, was ich dort tat. Mehr Erinnerung gibt es nicht."

Frage: "Heute ist Patrick Friesacher an derselben Stelle abgeflogen wie du damals..."
Wendlinger: "Ich kann auf den TV-Bildern die Unfallursache nicht genau erkennen, aber bei mir muss damals die Geschwindigkeit viel höher gewesen sein als bei Patrick. Damals waren auch die Auslaufzonen viel schlechter für einen Aufprall. Wenn die Barriere nach hinten versetzt gewesen wäre, wie sie es heute ist, dann wäre der Unfall vielleicht gar nicht so schlimm ausgegangen."

Frage: "Bis dahin war die Leistung von Patrick Friesacher aber sehr gut, oder?"
Wendlinger: "Ich finde, er war das ganze Rennwochenende sehr gut unterwegs. Er hatte seinen Kollegen Christijan Albers immer im Griff und war auch in beiden Qualifyings deutlich schneller. Das war eine gute Leistung. Schade, dass es so geendet hat..."

Wendlinger würde eher mit Klien als mit Friesacher tauschen

Frage: "Mit wem würdest du eher tauschen: Patrick Friesacher, der bei Minardi-Cosworth einen Fixplatz hat, oder Christian Klien, der zwar im stärkeren Auto sitzt, aber dafür nicht bei allen Rennen zum Einsatz kommt?"
Wendlinger: "Mit Christian Klien, denn er sitzt in einem Auto, mit dem er wirklich aufzeigen kann. Bei seinen drei Rennen hat er das dieses Jahr auch schon einige Male gemacht. In Bahrain war er auf dem siebenten Startplatz, was eine Superleistung war. Mir wäre lieber, mit einem guten Auto nicht ganz so oft zu fahren, dabei aber meine Visitenkarte abzugeben, um vielleicht nächstes Jahr die ganze Saison zu fahren."

Frage: "Für Christian Klien ist die Situation aber auch nicht einfach, oder?"
Wendlinger: "Nein, sicher nicht, denn er steht in den drei Rennen, die er fahren kann, immer unter Druck. Unter Druck steht man in der Formel 1 natürlich sowieso, aber wenn man weiß, man hat einen Block von drei Rennen vor sich, dann will man das natürlich besonders gut machen und lässt sich vielleicht leichter zu einem Fehler hinreißen. Aber wie gesagt: Die drei Rennen, die er gefahren ist, ist er sehr gut gefahren - und ich bin mir sicher, dass er dieses Jahr noch einmal zum Zug kommen wird."

Räikkönen könnte "eine harte Nuss" für Alonso werden

Frage: "Kimi Räikkönen hat in der Weltmeisterschaft nur noch 22 Punkte Rückstand auf Fernando Alonso. Ist jetzt wieder alles offen?"
Wendlinger: "Ja. Es sind noch 13 oder 14 Rennen zu fahren. Er (Räikkönen; Anm. d. Red.) hat jetzt Monaco gewonnen, Barcelona auch - und in Imola hat er bis zu seinem Ausfall geführt. Dort hätte er wahrscheinlich auch gewonnen. Ich glaube, dass Alonso mit Räikkönen eine harte Nuss bekommen wird, die schwer unter Kontrolle zu halten ist."

Frage: "Waren bei Renault nur die Reifen am schlechten Abschneiden in Monaco schuld?"
Wendlinger: "Wahrscheinlich, denn es hat ja nicht nur Alonso eine Gruppe aufgehalten, sondern etwas weiter hinten auch Fisichella. Ich glaube, es waren die Reifen. Sie haben allerdings die Strategie hinter dem Safety-Car umgestellt und hatten dadurch viel Benzin an Bord. Dadurch war das Auto schwerer. Möglicherweise wurden unter diesem Gewicht die Reifen stärker als geplant beansprucht. Es hatte keiner der beiden Renaults noch Grip."

Über Schumacher: "Er wird noch Rennen gewinnen"

Frage: "Michael Schumacher ist zu Beginn des Rennens David Coulthard ins Heck gefahren. Hätte er da noch rechtzeitig abbremsen können?"
Wendlinger: "Schwer zu sagen. Wir alle wissen, dass er siebenfacher Formel-1-Weltmeister ist - und sicher noch kein altes Eisen. Er wird auch dieses Jahr bestimmt noch das eine oder andere Rennen gewinnen. Er hat das große Problem, dass das Ferrari-Paket, das jahrelang so super funktioniert hat, im Moment einen Schwachpunkt hat: die Reifen. Wenn dieses Paket nicht passt, ist die Konkurrenz einfach zu stark, als dass sich das durch den Schumacher-Faktor ausgleichen lassen würde. Ich glaube aber, dass sie das Problem in den Griff bekommen werden. Er wird noch Rennen gewinnen."

Frage: "Du stimmst also Flavio Briatore, der gesagt hat, dass Michael Schumacher schon zu alt ist, nicht zu?"
Wendlinger: "Nein, sicher nicht. Man hat ja das Rennen in Imola gesehen, wo er durch das Feld gepflügt ist. Da hatte Alonso alle Hände voll zu tun, ihn hinter sich zu halten. Schumacher wird dieses Jahr noch Rennen gewinnen, da bin ich mir sicher."

Frage: "Welches Potenzial siehst du für die Zukunft bei Red Bull?"
Wendlinger: "Sehr viel! Coulthard war im Training wieder unter den ersten Zehn und hätte ohne den Auffahrunfall von Schumacher wahrscheinlich wieder Punkte geholt. Gegenüber vergangenen Jahren ist das, was man sieht, eine deutliche Steigerung im Vergleich zur Jaguar-Zeit. Sie sind von der Motorleistung ziemlich unterlegen, was man so hört, aber sie fahren trotzdem so gut mit. Das ist eine sensationelle Leistung."