Wendlinger glaubt nicht an Teamorder-Verzicht bei Red Bull

Karl Wendlinger verrät, wie er es im Titelfinale anlegen würde, wo Alonsos Achillesferse liegt und wie Red Bull den Spanier noch stoppen kann

(Motorsport-Total.com) - Karl Wendlinger weiß, wovon er spricht, wenn er das Titelfinale der Formel 1 analysiert. Das Langstrecken-Ass aus Tirol war schon einige Male in Titelkämpfe verstrickt - 1989 besiegte er Michael Schumacher und Heinz-Harald Frentzen und wurde deutscher Formel-3-Meister, 1991 gewann er die Sportwagen-Meisterschaft und 1999 holte er den FIA-GT-Weltmeistertitel.

Titel-Bild zur News: Karl Wendlinger

Ex-Formel-1-Pilot Karl Wendlinger rechnet bei Red Bull mit Stallorder

Doch wie bereitet man sich auf ein Titelfinale vor? Geht man früher schlafen, ist man konzentrierter? Wendlinger winkt gegenüber 'ServusTV' ab: "Natürlich ist man nervös, man ist unter Druck. Man sollte aber glaube ich nichts ändern und nicht versuchen, etwas besonders zu machen, denn dann geht es meistens schief. Schließlich kommt es sowieso, wie es kommen muss."

Dass bereits in Brasilien eine Entscheidung fallen wird, glaubt der ehemalige Sauber-Formel-1-Pilot nicht: "Ich traue mich nicht, einen Tipp abzugeben und denke, dass wir erst beim Saisonfinale mehr wissen." Wendlinger rechnet damit, dass die drei Topteams in Interlagos auf Augenhöhe sein werden: "Es wird ein sehr harter Kampf: Durch den hohen Vollgasanteil werden McLaren und Hamilton sehr stark sein. Auch Alonso schätze ich stark ein, denn bei diesem Stop-and-Go mit hohen Geschwindigkeiten und harten Bremszonen war er dieses Jahr schon oft schnell. Red Bull war überall schnell, doch die langen Geraden liegen dem Auto nicht so gut."

Wie Red Bull Alonso schlagen kann

Viele Experten sind der Meinung, dass Alonso durch seine Abgebrühtheit im Titelfinale kaum zu schlagen ist. Wendlinger, der seit Jahren ein bekennender Bewunderer des Spanier ist, sieht die Situation etwas anders: "Wenn Red Bull gut arbeitet, dann können sie Alonso noch stoppen. Über die Saison hinweg hat sich gezeigt, dass sie ganz klar das beste Auto haben - das beweisen auch die meisten Pole-Positions. Ohne Pech und Defekte hätten sie auch mehr Siege. Jetzt müssen sie aber ins Ziel kommen."

Der 41-Jährige hat beim Spanier bereits die Achillesferse ausgemacht, schließlich hat dieser keinen Motor mehr zur Verfügung, der nicht bereits mehr als zwei Rennen auf dem Buckel hat: "Das könnte sich auswirken, denn Brasilien und Abu Dhabi sind Strecken mit hohem Vollgasanteil. Und wenn du im Rennen unter Druck bist und immer am Limit fahren musst, dann leidet auch der Motor."

"Alonsos Motorenknappheit könnte sich auswirken." Karl Wendlinger

Ferrari wird aber alles tun, um die Auswirkungen der Motorenknappheit in Grenzen zu halten, ist Wendlinger überzeugt: "Sie werden ihm im Freien Training sicher alte Motoren einbauen. Aber am Ende kann alles passieren - auch bei einem Motor, der vermeintlich in Ordnung ist, wie man bei Vettel in Südkorea gesehen hat."

Vorzeitig einen neuen Motor einzubauen und damit eine Rückversetzung in der Startaufstellung zu akzeptieren, sei aber keine gute Entscheidung, glaubt Wendlinger: "Alonso muss bei beiden Rennen unter den ersten Drei sein. Wenn du da um zehn Plätze nach hinten gestellt wirst, dann ist die Chance sehr gering, das zu schaffen. Das wäre also eine schlechte Variante."

Psychologischer Vorteil für Webber

Während bei Ferrari die Fronten zwischen Massa und Alonso klar sind und nur noch der Spanier Titelchancen hat, sieht dies bei Red Bull anders aus: Mark Webber fehlen elf Punkte auf Leader Alonso, auch Sebastian Vettel darf sich mit einem Rückstand von 25 Zählern noch realistische Titelchancen ausrechnen, auch wenn der Deutsche aus eigener Kraft nicht mehr Champion werden kann.

"Webber weiß, dass das Team sicher einen Weltmeister stellen will." Karl Wendlinger

Aus diesem Grund hat Teamchef Christian Horner bereits bestätigt, dass der Australier ein Vorrecht auf neue Teile hat, sollten nicht genügend verfügbar sein. "Mit Sicherheit ein psychologischer Vorteil", glaubt Wendlinger. "Er weiß, dass er punktemäßig besser platziert ist und dass das Team sicher einen Weltmeister stellen will."

Er kann sich daher "nur schwer vorstellen, dass man bei Red Bull gänzlich auf Teamorder verzichtet." Dennoch sei keinesfalls gesagt, dass Vettel nun für Webber fahren muss. Wendlinger spricht seine Gedanken aus: "Wann verwendet man Teamorder? Doch nur, wenn die Autos eng beisammen sind. Wenn das der Fall ist, dann bedarf es einer schnellen Entscheidung von der Boxenmauer."