• 24.07.2009 19:13

Webber: "Sieg hat mein Leben nicht verändert"

Mark Webber philosophiert über die Zeit seit seinem ersten Sieg, seine lange Wartezeit, den Le-Mans-Unfall von 1999 und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Für Insider zählte Mark Webber schon lange zu den besten Grand-Prix-Piloten, seit dem Nürburgring darf er sich aber auch offiziell Grand-Prix-Sieger nennen. Spätestens dadurch haben auch die deutschen Fans realisiert, dass es da neben Sebastian Vettel noch einen Red-Bull-Fahrer gibt, der Weltmeister werden kann. In einem Interview mit dem Privatsender 'RTL', das am Sonntag ab 12:30 Uhr in der Vorberichterstattung zum Grand Prix von Ungarn ausgestrahlt wird, sprach Webber über sein neues Leben als Formel-1-Star.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Vom ewigen Underdog zum WM-Anwärter: Mark Webber ist in aller Munde

... das Gefühl, Grand-Prix-Sieger zu sein:

"Natürlich ist das ein großer Tag! Wenn man anfängt, in der Formel 1 zu fahren, will man natürlich so erfolgreich wie möglich sein. Zunächst möchte man Punkte sammeln, dann auf das Podium und schließlich ganz nach oben auf das Siegertreppchen kommen. Aufgrund diverser Umstände hat es zwar offensichtlich bei mir etwas länger gedauert, als ich es gewollt hätte, aber jetzt bin ich in einer guten Ausgangsposition, auf das Podium zu kommen. Ich habe in diesem Jahr ein tolles Auto und ein tolles Team. Wir pushen uns gegenseitig, um das Beste aus dem Auto zu holen."#w1#

"Beim Deutschland-Grand-Prix hat einfach das Timing gestimmt. Das Rennen auf dem Nürburgring war für mich ein ganz besonderer Tag. Der Sieg hat nicht mein ganzes Leben verändert, aber es ist natürlich schön, so was in seine Bilanz aufnehmen zu können. Und der Doppelsieg ist vor allem gut für das Team. Wenn wir unser Ziel, die Konstrukteursweltmeisterschaft zu gewinnen, betrachten, war das natürlich was ganz Besonderes."

... über seinen Jubelschrei nach Rennende auf dem Nürburgring:

"Ich habe gar nicht mitgekriegt, wie lange ich eigentlich geschrieen habe! Ich habe die Mechaniker gesehen und war darüber sehr glücklich, weil ich mit manchen von ihnen schon seit langer Zeit zusammenarbeite. Es war einfach toll, an dem Tag mit ihnen zusammen zu sein, als ich meinen ersten Grand Prix gewonnen habe. Ich bin zwar schon viele Rennen gefahren, aber hatte bisher nie wirklich eine Chance, einen Grand Prix zu gewinnen. Das ist jetzt anders."

... über seine Einstellung während des langen Wartens bis zum Sieg:

"Ich glaube an das Schicksal. Dinge passieren immer aus einem ganz besonderen Grund. Jemand hat mir einmal gesagt, dass es sich irgendwann auszahlen wird, wenn man hartnäckig bleibt und immer nach vorne schaut. Das habe ich getan und es hat sich schließlich ausgezahlt. Es gab natürlich ein paar harte Jahre, in denen ich bei einer eigentlich guten Position im Rennen nichts rausholen konnte. Wenn man kontinuierlich ein schlechtes Auto und eine schlechte Saison hat, ist das sehr demotivierend. Das ist in diesem Jahr nicht so und deshalb bin ich natürlich hoch motiviert."

... darüber, warum ihm alle seinen Sieg zu gönnen scheinen:

"Ich versuche immer, so fair wie möglich und so ehrlich und offen wie möglich mit allen zu sein. Und ich bin natürlich schon länger dabei und da knüpft man vielleicht nicht gerade Freundschaften, aber ganz sicher Bekanntschaften mit vielen Leuten, die sicher auch froh sind, wenn mal jemand anderes gewinnt. Es passiert ja nicht gerade oft in der Formel 1, dass man unterschiedliche Gewinner sieht. Manchmal gibt es nur drei oder vier Gewinner pro Saison."

¿pbvin|512|1789||1|1pb¿... über seinen Charakter und seine Bodenständigkeit:

"Viele Rennfahrer sind von ganz normaler Herkunft. Es gibt nicht viele Fahrer, die als Kind reicher Eltern groß geworden sind - vielleicht ein paar, aber die meisten kommen aus normalen Verhältnissen. Ich habe sehr viel Zeit mit so vielen guten Leuten verbracht seit meiner Jugendzeit. Meine Eltern und meine Schwester sind ganz tolle Menschen. Wir sind sehr unkompliziert. Das Leben ist zu kurz, um kompliziert zu sein. Und du willst das Beste aus allem machen."

"Mein Vater sagt immer, jedes Mal, wenn er aufwacht, ist es für ihn wie sein Geburtstag. Er will sein Leben genießen und Spaß haben. Ich versuche, nach dieser Philosophie zu leben, auch wenn der Druck bei mir größer ist als bei ihm. Tu dein Bestes! Was dir passieren soll, wird passieren. Und wenn du versuchst, ein guter Mensch zu sein, wird dir auch Gutes widerfahren. Wir Australier wollen ehrlich zu uns selbst sein und für das einstehen, was wir tun. Man muss die richtige moralische Einstellung haben."

... über seine Sportwagenkarriere und den schweren Le-Mans-Unfall:

"Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit bei AMG-Mercedes. Es kommt mir gar nicht so vor, dass der Unfall schon zehn Jahre her ist. Das war eine schwere Zeit. Mercedes und AMG waren toll zu mir während meiner Sportwagenkarriere. Wir hatten eine tolle Zeit zusammen. Ich habe enorm viel von Fahrern wie Bernd Schneider und Klaus Ludwig gelernt - wie man mit diesen Autos umzugehen hat und den großen Rädern und Pferdestärken und wie man auf schnellen Strecken richtig fährt. Ich war so jung und sie so erfahren. Ich hatte sehr viel Glück, als so junger Fahrer diese Erfahrungen machen zu dürfen."

"Aber nach dem Unfall wollte ich mein Glück einfach nicht mehr länger auf die Probe stellen. Wir hatten ein paar Probleme, es gab viele Unfälle und die Rennregularien waren sehr grenzwertig, sodass ich schließlich für mich die Entscheidung getroffen habe, in die Formel 3000 zu wechseln. Aber ich habe sehr viel während meiner Sportwagenkarriere gelernt. Es war großartig, was Mercedes alles für mich getan hat."

... über seinen Fahrradunfall in der Winterpause vor der Saison:

"Als ich während des Fahrradrennens mit dem Auto zusammenstieß und auf dem Boden lag, habe ich mir mehr über meinen zukünftigen Gesundheitszustand als über meine Rennkarriere Sorgen gemacht. Ich hatte Angst um meine Wirbelsäule und was mit mir passieren würde. Im Krankenhaus haben sie mich erstmal beruhigen müssen und mich geröntgt. Erst als feststand, dass ich mir nur das Bein gebrochen hatte, habe ich über meine Karriere nachgedacht. Ich hatte tolle Leute um mich herum, die mir dabei geholfen haben, das Training wieder aufzunehmen. In Melbourne fühlte ich, dass es besser wurde, und das hält bis heute an."


Fotos: Mark Webber, Großer Preis von Deutschland, Sonntag


... über seine Rolle als WM-Favorit und sein Verhältnis zu Sebastian Vettel:

"Wir kommen gut miteinander zurecht und lachen auch viel, wie zum Beispiel heute mit den Ingenieuren. Wir konzentrieren uns beide sehr darauf, das Beste aus den Autos zu holen. Wir versuchen uns gut abzustimmen, um die beste Leistung mit den Autos zu bringen. Und dann liegt es einfach an uns. Wenn Sebastian am Ende der Saison 20 Punkte vor mir liegt, verdient er es auch. Wenn es anders herum sein sollte, verdiene ich es. So sollte es auch in der Formel 1 sein."

"Momentan ist es zwischen uns sehr eng, was die Punktelage betrifft. Ich glaube aber nicht, dass das bis zum Ende der Saison so bleiben wird. Es kann immer mal etwas passieren und dann könnte ein Fahrer ausfallen. Für die Konstrukteure ist es eine tolle Situation. Für die Fahrer ist es schwer einzuschätzen, was sie tun sollen, weil beide die Möglichkeiten haben, es gut zu machen."

... über die Möglichkeit, den Titel gewinnen zu können:

"Bislang ist es für mich die größte Chance, an den Titel zu kommen, die ich jemals hatte. Ich habe enorme Möglichkeiten, etwas zu schaffen, was ich nie zuvor geschafft habe. Am Anfang des Jahres war mein großes Ziel, unter die Top 3 zu kommen, was an und für sich schon ein großes Vorhaben war. Man muss bedenken, mit Sebastian habe ich einen schnellen Gegner im selben Team und dann gibt es auch noch 19 weitere Rennfahrer. Aber mein Ziel orientiert sich jetzt etwas mehr an der Spitze."

"Ich konzentriere mich auf jedes Rennen und tue mein Bestes. Es gibt natürlich viele Menschen in Deutschland, die sich wünschen, dass Sebastian gewinnt. Das ist ganz natürlich. Aber glaubt mir: Zusammen geben wir das Beste, was wir können, und wir genießen den Zweikampf."