• 11.02.2008 16:32

Webber: "Müssen dosiert aggressiv sein"

Red-Bull-Pilot Mark Webber blickt im Interview auf Traktionskontrolle, Fahrzeugbeherrschung und Budgetdeckelung in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Mark Webber ist ein Mann der klaren Worte. Entsprechend nimmt der Australier in Diensten von Red Bull auch im aktuellen Interview kein Blatt vor den Mund. Webber sieht eine gute Entwicklung für sein Team, eine schwere Zeit für BMW Sauber F1 Team und eine harmonische Zukunft bei McLaren-Mercedes voraus.

Titel-Bild zur News: Red Bull

Mark Webber sieht in 2008 viel Arbeit für sich und Red Bull

Frage: "Mark, es gab einiges zu lesen über deinen Fahrstil und wie er zu den neuen Regeln, also ohne Traktionskontrolle und Motorbremse, passt. Wie stehst du zum Wegfall der Fahrhilfen?"
Mark Webber: "Ja, es ist sicher eine große Herausforderung für uns Fahrer und wir haben wirklich mehr zu tun. Ich glaube aber, dass die meisten dieser Jungs auf dem hohen Level schon damit klarkommen. Es wäre dumm, zu behaupten, irgendein Fahrer hätte wegen der neuen Regeln einen Vorteil. Einige Leute meinen, dass vielleicht irgendeiner besser damit zurechtkommt und ein anderer eben nicht ganz so gut. Aber wir werden es erst sehen, wenn wir auf der Rennstrecke sind."#w1#

"Wir müssen mal sehen, wie sich die Leute auf neue Strecken einstellen können, denn wir haben ja nicht viel Zeit, wenn wir zu einem neuen Kurs kommen. Wenn es dann ins Qualifying geht, dann müssen wir schon was zeigen. Dann werden wir sehen, wer damit am besten klarkommt."

"Testerei ist nur stupides Geradeausfahren." Mark Webber

"Weißt du, diese ganze Testerei ist ja eigentlich nur stupides Geradeausfahren. Du fährst ständig nur ähnliche Strecken. Aber wenn wir dann mal zu anderen, schwierigeren Kursen kommen mit unterschiedlichen Bedingungen, dann wird es interessant sein, zu sehen, wie sich die neuen Regeln auswirken. Es wird ein paar Fahrfehler mehr geben, aber es wird interessant. Auch bei den Piloten ist das ein Thema. Wir können das aber noch nicht abschätzen, solange wir es nicht probiert haben."

Mehr Fahrfehler und kleine Drifts

Frage: "Wird das denn Auswirkungen auf das Rennen haben? Sicher wird es nicht mehr die wilden Drifts geben wie vor vielen Jahren, aber wird es zumindest mehr Überholmanöver geben? Oder ändert sich für einen Zuschauer gar nichts?"
Webberk: "Ich glaube, es wird hier und dort mehr Möglichkeiten geben, jemanden unter Druck zu setzen. Es wird manchmal kleine Drifts geben, klitzekleine Fehler, die ein ungeschultes Auge nicht sieht. Aber die Fachkundigen sehen es und vor allem die Fahrer dahinter sehen es und können dann Druck machen oder vielleicht sogar überholen. Manche hoffen, dass dadurch die Hackordnung der Formel 1 verändert wird, aber ich glaube, das kann höchstens minimal etwas ausmachen."

Frage: "Red Bull hat in der vergangenen Woche eine radikal neue Motorabdeckung präsentiert, aber das war nicht der Tag, an dem du Bestzeit gefahren bist. Glaubt ihr, dass ihr mit irgendetwas komplett Neuem aus der Box kommen und den Rückstand wettmachen könnt, oder müsst ihr konservativ bleiben und euch langsam aus dem Mittelfeld nach vorne arbeiten?"
Webber: "Adrian (Newey; Anm. d. Red.) war noch nie in seinem Leben konservativ, wenn es um das Design eines Autos ging, also versuchen wir es. Die neue Motorabdeckung sieht schon sehr anders aus, aber der Effekt auf das gesamte Auto ist marginal. Wir testen das Teil, um zu wissen, wie es sich auf die gesamte Aerodynamik auswirkt und wie sich das Auto unter gewissen Umständen auf der Strecke verhält. Es ist - wie immer in diesem Geschäft - ein Kompromiss beim Setup für gewisse Strecken."

"Das herausragende Teil, über das du sprichst, ist die Motorabdeckung, dafür waren wir an anderer Stelle längst nicht so abenteuerlich. Zum Beispiel beim Gewicht, denn da haben wir ohne großes Risiko gearbeitet, weil wir jetzt beweisen müssen, dass wir ein zuverlässiges Auto bauen können. Wenn du in Sachen Aerodynamik und Konzept irgendetwas ganz Radikales probierst, kannst du ganz schnell ganz hinten stehen."

"Das Problem ist, dass du dann kaum Zeit hast, Sachen zu korrigieren, du sitzt also in der Scheiße. Wir müssen jetzt in kleinen Schritten die Dinge vom vergangenen Jahr aussortieren. Das ist der große Vorteil bei Ferrari oder McLaren, die in unglaublicher Regelmäßigkeit Autos mit einer sehr guten Basis bauen. Es ist also für uns eine knifflige Situation, wir müssen das passende Maß finden. Das bedeutet ganz konkret: Adrian war nie konservativ und er muss jetzt genau so passend aggressiv sein, ohne dabei ins Lächerliche zu driften."

Die Rückkehr des Alonso

"Alle Sportsleute haben mal ein Tief." Mark Webber

Frage: "Du kennst Fernando Alonso ganz gut. Die Situation in der vergangenen Saison hat gezeigt, dass er verletzbar ist. Glaubst du, dass er jetzt nach seiner Rückkehr zu Renault wieder vorne dabei sein wird?"
Webber: "Ohne Zweifel wird er in einem glücklicheren Umfeld sein und deswegen wird er auch stärker sein. Ich glaube, dass alle Sportler mal Tiefpunkte haben, und wir haben gesehen, dass Fernando wirklich unglücklich war - ich nehme an, mit der Zusammenarbeit im Team. Egal ob er jetzt nervös wurde oder er ob er sogar betrogen wurde - niemand weiß, was wirklich im Hintergrund gelaufen ist, aber sein Teamkollege war eben gut und Fernando wollte genauso gut sein."

"Fernando ist ein Fahrer, der wie die meisten anderen auch gerne die Kontrolle behält. Es ist hart genug, gegen all die anderen Fahrer anzukämpfen, aber er musste ja auch noch gegen den eigenen Teamkollegen kämpfen. Normalerweise hatte er seinen Teamkollegen immer im Griff, aber diesen Luxus hatte er im vergangenen Jahr nicht, und das hat ihn wahrscheinlich frustriert. Er wird nächstes Jahr wieder stark sein. Vergesst nicht, dass er bei seinen zwei Weltmeistertiteln einen gewissen Kerl geschlagen hat."

Frage: "Was wird mit Lewis Hamilton in diesem Jahr sein? Er hat die großen Erwartungen einer ganzen Nation auf seinen Schultern. Wird er damit klarkommen?"
Webber: "Ja, wird er. Ich meine aber, ob McLaren es wieder geschafft hat ein ähnlich schnelles Auto zu bauen wie Ferrari, bleibt abzuwarten. Aber sie sind ein großartiges Team, denn Heikki (Kovalainen; Anm. d. Red.) machte beim Testen einen guten Eindruck. Das Team wird harmonischer sein und das hilft Lewis, weil er dann keine Angst vor internem Stress haben muss. Aber es ist sein zweites Jahr und da hat er eben mehr Druck."

Frage: "Bernie Ecclestone hat zwar einige Gemüter besänftigt, aber meinst du, dass die Regierung Maßnahmen ergreifen muss, um dein Heimrennen im Albert Park zu retten?"
Webber: "Das ist ein nationales Event. Ich meine, es wird zwar in Victoria und Südaustralien abgehalten, aber es ist etwas, worauf ganz Australien stolz sein kann. Man muss sich nur überlegen, wie viele Menschen das erste Saisonrennen verfolgen. Das ist ein großes Privileg, den Saisonauftakt zu haben, und das ist so ein Glück, während andere Nationen darum kämpfen, überhaupt mal ein Formel-1-Rennen zu bekommen."

"Es wäre schön, wenn wir einen Weg finden könnten, das Rennen zu behalten. Wie ich schon sagte, das ist ein großartiger Event in Südaustralien und Victoria und es wäre klasse, wenn auch weitere Generationen das erleben könnten. Nicht nur die Formel 1, sondern auch viele weitere tolle Aktionen, die an einem solchen Formel-1-Wochenende dort zu erleben sind. Ich weiß, dass das teuer ist, aber vielleicht sieht man ja ein, dass es ein erhaltenswerter nationaler Event ist, ein Sportevent und eben ein Event, auf den wir auch in Zukunft stolz sein könnten."

Frage: "Ich weiß, dass es beim Testen viele Unbekannte gibt. Wie viel Aufmerksamkeit schenkst du den anderen Teams und wie schätzt du deine Leistungsfähigkeit ein?"
Webber: "Ja, also wir schauen eigentlich nur auf die Zeiten bei den Longruns, also wenn mindestens 15 Runden am Stück gefahren werden. Dann bekommst du einen Eindruck davon, wie viel Benzin die anderen im Tank haben und wie schwer deren Auto ist. Unsere Jungs analysieren und sezieren jeden Millimeter der Strecke und dann kriegen wir raus, wer wo steht. Die Zeiten, die am Abend auf dem Zeitentableau stehen, zeigen nicht wirklich, wer konstant welches Tempo fahren kann."

"Ich glaube, BMW ist nicht in Reichweite von Ferrari und McLaren." Mark Webber

Frage: "Offensichtlich sind Ferrari und McLaren-Mercedes vorne. Kann der Abstand zu den beiden in diesem Jahr verkürzt werden?"
Webber: Das wird ein hartes Stück Arbeit für die Teams. Ich meine, BMW ist eifrig dabei. Die haben ihre Entwicklung am letztjährigen Auto sehr früh eingestellt, um sich auf das neue Auto zu konzentrieren, weil sie in der Konstrukteurswertung ganz komfortabel auf Platz drei lagen und sie in der passenden Situation waren. Jetzt haben die aber einen Wagen rausgebracht, der eben leider nicht auf dem Level ist, den sie sich gewünscht hatten. Sie haben ihn sicherlich in den vergangenen Wochen schneller gemacht, aber ich glaube nicht, dass sie in Reichweite von Ferrari und McLaren sind. BMW ist aber das Team, von dem die meisten Leute geglaubt haben, dass sie es schaffen können, aber es hat nicht geklappt. Wenn du erstmal in der Saison bist, ist es schwierig, an andere Teams heranzukommen."

Neuer Red Bull läuft stabil

Frage: "Zuverlässigkeit war in der vergangenen Saison euer Problem. Wie läuft es diesbezüglich bei den Tests. Habt ihr Rennsimulationen hinter euch gebracht und wie sind die gelaufen?
Webber: "Die Zuverlässigkeit war sehr ermunternd für uns. Wir hatten einige Sachen von Seiten Renault, die uns auf der Strecke gestoppt haben, aber zum Beispiel beim Getriebe und anderen Achillesfersen am Auto aus der vergangenen Saison haben wir erhebliche Fortschritte gemacht. Es war schon gut zu sehen, dass die Dinge schon zu diesem frühen Zeitpunkt so zuverlässig laufen. Also sollten wir mit dem zuverlässigsten Auto seit langem zum Saisonauftakt kommen."

Frage: "Die FIA hat eine Budgetobergrenze vorgeschlagen. Gibt es irgendeine Aussicht darauf, dass so etwas mal umgesetzt wird? Und falls so etwas kommt, welchen Effekt wird das haben?"
Webber: "Ich glaube, das ist noch weit weg. Ich glaube, Max (Mosley; Anm. d. Red.) wollte nur zeigen, dass man der Entwicklung in einigen Bereichen den Riegel vorschieben könnte. Mich würde interessieren, wie man das kontrollieren will. Ob es den Rennen hilft oder sich auf den Sport auswirkt? Das weiß nur der liebe Gott. Ich weiß wirklich nicht, wie das unseren Sport verändern würde. Die schlauen Leute wären trotzdem noch die Schnellsten und die nicht ganz so schlauen eben nicht. Ich weiß aber trotzdem, dass sich Geld in Konkurrenzfähigkeit auswirkt. Ferrari ist ja nun gerade gekommen und hat gesagt, dass sie dieses Jahr noch mal 100 Millionen Euro extra haben, und sie sind in guter Form. Es wäre schon nett, in einer solchen Situation zu sein."

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