• 15.04.2011 18:22

Webber-Interview: "Es könnte viel schlimmer sein"

Mark Webber spricht im Interview über seinen Saisonstart, Teamkollege Sebastian Vettel und Ideen für die Zukunft: "Ein bisschen im Management"

(Motorsport-Total.com/SID) - 22 Punkte aus den ersten beiden Rennen sind für Mark Webber wenig, wenn Red-Bull-Kollege Sebastian Vettel 50 holt. 22 Punkte sind aber auch 20 Zähler mehr als im vorigen Jahr, in dem der Australier dennoch bis zum letzten Rennen ein Titelkandidat war, bevor dann doch Vettel triumphierte. "Es könnte viel schlimmer sein, mit Sicherheit aber auch besser", sagt der 34-Jährige im Interview, in dem er auch über die neue Art der Rennen, Pläne für die Zeit nach seiner Karriere und Heimsiege spricht.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Mark Webber hat derzeit gegen Sebastian Vettel einen schweren Stand

Frage: "Mark, du bist mit einem fünften und einem vierten Platz in die Saison gestartet, hast 22 Punkte auf dem Konto. Das sind 20 mehr als im letzten Jahr. Bist du zufrieden oder eher enttäuscht?"
Mark Webber: "Es könnte viel schlimmer sein, mit Sicherheit aber auch besser. Ich denke, Sebastian in den ersten beiden Rennen zu schlagen, war nicht einfach, denn er hat eindeutig sehr schnell das Beste aus dem Auto herausgeholt. Wir wissen aber, dass wir einige Podiumsplätze verpasst haben."

"An beiden Sonntagen hatte ich nicht die saubersten Nachmittage, aus verschiedenen Gründen. Niemand will aber Entschuldigungen geben, warum dies und das passiert ist. Das ist Schnee von gestern. Wir haben daraus gelernt und gehen jetzt ins nächste Rennen. Ich hoffe, mich zu steigern und mehr aus dem Auto herauszuholen. Wir wissen, dass es nur um kleine Abstände geht, es ist sehr, sehr eng."

"Ich war sehr zufrieden mit meiner Leistung in Malaysia. Ich bin so gut gefahren, wie ich konnte, und habe das Beste herausgeholt. Seb und ich waren sehr eng beieinander. Das ist gut. Ich vergleiche mich nicht nur mit Seb, aber der Grund, warum ich ihn nenne, ist der, dass er das gleiche Auto hat. Wegen des Autos kann ich mich nicht mit Jenson und Lewis im McLaren vergleichen, oder mit Fernando und Felipe im Ferrari. Aber wenn ich Seb sehe, bekomme ich einen guten Eindruck, wie ich fahre."

McLaren und Ferrari auf der Rechnung

Frage: "Die Vorstellungen von Sebastian Vettel in den ersten beiden Rennen zeigen, dass euer Auto wieder die Spitze der Formel 1 darstellt. Hattest du erwartet, diese Position halten zu können?"
Webber: "Ja. Ich wusste zu Jahresbeginn, dass wir wieder stark sein würden. Testfahrten sind aber immer eine sehr ängstliche Zeit. Man dreht im Winter Runde um Runde, in Jerez, Barcelona und so weiter. Dann gehen wir zum ersten Rennen und denken darüber nach, wo wir wohl stehen würden. Aber unsere Jungs haben einen guten Job mit dem Auto gemacht."

Frage: "Wen siehst du als härteste Konkurrenten in diesem Jahr? Wird es in der ganzen Saison nur McLaren sein?"
Webber: "McLaren und Ferrari."

Frage: "Du meintest, dass Sebastian Vettel in kürzester Zeit das beste aus dem Auto herausgeholt hat. Einige Leute haben den Eindruck, dass er nach dem Titelgewinn noch ein bisschen cooler, noch ein bisschen entschlossener, noch ein bisschen entspannter geworden ist. Du kannst ihn vielleicht mit am besten beurteilen. Ist es ein anderer Vettel als noch im letzten Jahr?"
Webber: "Absolut. All das stimmt, denn er gewinnt. Wenn er das nicht tut, sagen alle, er ist nicht cool, er ist nicht entspannt. Lassen Sie uns abwarten, wenn das passiert. Denn es wird passieren. Sebastian wird nicht alle Rennen gewinnen. Dann werden wir sehen, wie die andere Seite aussieht."

¿pbvin|512|3609||0|1pb¿Frage: "Vielleicht gewinnt Vettel nicht alle Rennen, weil du wieder anfängst, zu siegen..."
Webber: "Natürlich."

Frage: "2010 bist du mit zwei Punkten aus den ersten beiden Rennen gestartet, dann aber doch bis zum letzten Rennen noch ein Titelkandidat. Denkst du, dass es in diesem Jahr wieder so auf und ab gehen wird wie in der letzten Saison?"
Webber: "Ich denke, dass wir bis Singapur oder Suzuka wieder viele Jungs im Titelrennen haben werden. Bestimmt wieder vier oder fünf."

Frage: "Die Art der Rennen hat sich in diesem Jahr vor allem wegen der Reifen verändert. Man kann nicht mehr so attackieren wie früher. Magst du das oder liegt dir das Angreifen mehr?"
Webber: "Es ist ganz anders und kann wirklich frustrierend sein. Alle Fahrer würden zustimmen, dass wir am liebsten die Autos immer ans absolute Limit bringen. Denn darum geht es in der Formel 1, egal ob man ein Bremsenhersteller ist, die Kühler oder die Motoren baut. Alles geht ans Limit."

"Im Moment gibt es aber große Abschnitte der Rennen, in denen man nicht ans Limit gehen kann, weil man auf die Reifen achten muss. Das ist ein neues Phänomen, eine neue Art. Aber die Leute vergessen schnell. In drei oder vier Rennen denkt niemand mehr daran, wie es im letzten Jahr war, wie wir da die Rennen gefahren sind."

"Die Leute passen sich schnell an, das ist die menschliche Natur. Man vergisst schnell und arrangiert sich mit dem, was man im Moment hat. Es ist eine andere Kategorie, wir haben KERS, den verstellbaren Heckflügel, mehr Boxenstopps, eine andere Art von Rennen am Sonntag. So ist es halt. Ob ich das mag, ist nicht wichtig, denn es spielt keine Rolle, was ich denke. Ich muss damit umgehen. Es geht nicht um die Fahrer, sondern um die Teams und das Geschäft."

Die neuen Bedingungen in der Formel 1

Frage: "Wenn es gut ist für die Show, dann ist es gut für die Formel 1 - und dann letztlich auch für die Fahrer?"
Webber: "Ja, das kann man so sehen. Nehmen Sie die NASCAR, da gewinnt jeder. Es ist so, jeder isst von der gleichen Suppe, also sollte niemand in die Schüssel spucken. Ist das immer amüsant für die Fahrer? Da wird es unterschiedliche Meinungen geben. Im Moment noch. Das ändert sich. Nehmt zum Beispiel Adrian Sutil, der in Malaysia ein Zwei-Stopp-Rennen gefahren ist. Sein Job hat sich gegenüber dem letzten Jahr sehr verändert, als er in jeder Kurve am absoluten Limit gefahren ist."

"Da lernt man als Fahrer viel mehr über sich selbst. In diesem Jahr ist es ein bisschen anders für ihn. Ich will aber nicht negativ sein, sondern das balanciert sehen. Wir müssen noch lernen, das richtige Verhältnis zwischen dem reinen Speed und dem richtigen Weg im Rennen zu finden. Da spielen die Reifen die größte Rolle."

Frage: "Ist es für dich mit deiner großen Erfahrung einfacher, sich auf diese neuen Anforderungen einzustellen?"
Webber: "Nein. Manchmal kann Naivität helfen. Denn man hat lange Zeit Dinge in einer bestimmten Art gemacht und muss sie jetzt auf eine andere Art machen. Aber das war in der Formel 1 immer der Fall. Seit ich dabei bin hatten wir V8-Motoren, V10-Motoren, einen Reifenkrieg zwischen Michelin und Bridgestone, nur Bridgestone-Reifen, jetzt Pirelli, wir hatten Flügel drauf und Flügel runter, Reifenwechsel, keine Reifenwechsel."


Fotos: Mark Webber, Großer Preis von China


"Du musst dich als Fahrer immer anpassen, das ist Teil deines Jobs. Wir hatten zwei Rennen, eins war nicht so gut für mich, eins sehr gut für mich, nicht unbedingt vom Ergebnis, aber mit meiner Leistung war ich zufrieden. Ich lerne immer noch dazu, das ist unabhängig vom Alter. Auch Michael lernt noch."

Frage: "Du sprichst Michael Schumacher an. Er ist jetzt 42 Jahre alt. Kannst du dir vorstellen, mit 42 auch noch Rennen zu fahren?"
Webber: "Natürlich, das ist absolut möglich. Das hat alles zu tun mit den obersten paar Zentimetern (Webber zeigt auf seinen Kopf oberhalb der Augen). Wenn du dort fit bist, kannst du es machen. Aber wenn man andere Prioritäten im Leben hat, macht man auch andere Dinge. Das ist ganz normal. Michael ist sehr hungrig und liebt es immer noch, Autos zu fahren. Also, warum nicht?"

"Er hat außerhalb der Rennen noch nichts anderes gefunden, dass ihn mehr ausfüllt, als Formel-1-Autos zu fahren. Das ist der Kampf, den alle Sportler und Sportlerinnen führen müssen. Wenn man aufhört, ist das erste Jahr sicher einfach. Man kann sich zurücklehnen, muss nicht mehr reisen vor allem nach 17 Jahren in Flugzeugen und Hotels. Aber die nächsten zwei oder drei Jahre sind nicht leicht."

Was kommt nach der Karriere?

Frage: "Hast du schon Ideen, was du nach der Karriere tun willst?"
Webber: "Ich bin schon ein bisschen in ein GP3-Team eingebunden, auch ein bisschen im Management. Ich kümmere mich um Mitch Evans, einen neuseeländischen Rennfahrer. Ich genieße das, aber es ist noch ein bisschen aus der Distanz und ich bin da noch nicht vollständig dabei. Aber wenn man mehr Zeit hat, kann man sich da auch mehr einbringen."

"Im Moment versuchen sie, mich zu erreichen, aber ich habe seit einer Woche nicht zurückgerufen, weil ich mit meinen eigenen Sachen hier beschäftigt bin. Sie wissen das. Ob ich etwas mit Medien machen würde, weiß ich nicht. Aber ich würde gerne speziell etwas mit jungen Leuten und Kindern im Sport machen. Aber ich bin noch nicht bereit dafür. Mental bin ich noch nicht so weit, mit dem Rennfahren aufzuhören."

"Mental bin ich noch nicht so weit, mit dem Rennfahren aufzuhören." Mark Webber

Frage: "Weil du gerne noch dein Heimrennen gewinnen würdest?"
Webber: "Es ist ein wundervolles Rennen, um es zu gewinnen. In den letzten paar Jahren haben wir Fahrer uns immer gegenseitig den Sieg bei unseren Heimrennen weggeschnappt. Ich habe Sebastians gewonnen, er meins. Ich habe Rubens' gewonnen, Rubens Fernandos in Valencia, ich habe mir den britischen Grand Prix geholt. Ich muss jetzt also versuchen, in diesem Jahr den deutschen Grand Prix zu gewinnen. Da kann ich doch Seb nicht gewinnen lassen, oder? Nein im Ernst, ich muss natuerlich alle Rennen gewinnen."

Frage: "Es wäre wieder auf dem Nürburgring, wo du vor zwei Jahren deinen ersten Sieg geholt hast..."
Webber: "Ja, wundervoll. Warum nicht, lasst es uns nochmal versuchen!"

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