• 21.10.2010 17:49

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Webber der "Wunsch-Weltmeister" im Fahrerlager

Der WM-Kampf und was die Kollegen denken: Rubens Barrichello sympathisiert mit Mark Webber, genau wie dessen Ex-Stallgefährte Nick Heidfeld

(Motorsport-Total.com) - Michael Schumacher drückt naturgemäß für seinen Kumpel Sebastian Vettel beide Daumen, Felipe Massa wünscht sich wohl insgeheim, dass es nicht gerade sein Teamkollege Fernando Alonso schafft, und Adrian Sutil fiebert mit seinem Freund Lewis Hamilton mit, aber im Fahrerlager in Yeongam sind insgesamt die Mark-Webber-Fans in der Überzahl.

Titel-Bild zur News: Mark Webber und Katie Tweedle

Ein Weltmeister, den sich viele wünschen würden: Mark Webber

"Es war doch das Gleiche, als Michael und ich in einem Team waren", erinnert sich Rubens Barrichello an seine Ferrari-Jahre, in denen er viele Journalisten auf seiner Seite hatte, weil er ihnen als Underdog einfach sympathischer war als die egoistisch anmutende "Kampfmaschine" Schumacher. "Damals haben die Leute auch gewollt, dass ich gewinne", sagt er. "Beide sind nette Typen, aber nach dem, was so passiert ist, ist Mark zu einer Art Wunsch-Weltmeister geworden."

Immer für den Underdog

Der Williams-Pilot spricht damit die Kollision in Istanbul an, als die beiden Red Bulls aneinandergerieten, was im Allgemeinen eher Vettel zugeschrieben wurde. Doch Konsulent Helmut Marko und Teamchef Christian Horner stellten sich spontan auf Vettels Seite, was Spekulationen nährte, wonach Webber benachteiligt werden könnte - und es liegt in der Natur der Sache, dass der Underdog bei vielen beliebter ist als der Sunnyboy, dem alle Steine aus dem Weg geräumt werden.

Ein Schlüsselmoment könnte dann Webbers Sieg in Silverstone ("Nicht schlecht für eine Nummer zwei, oder?") gewesen sein: "Mark macht das gut", spricht Altstar Barrichello (38) seinem um vier Jahre jüngeren Kollegen aus Australien ein Kompliment aus. "Ich glaube, es gab eine Veränderung nach dem, was Mark in Silverstone gesagt hat. Es hat sich etwas getan, danach wurde für ihn alles besser. Er geht extrem gut damit um."

¿pbvin|512|3195||0|1pb¿Allerdings vermutet er für den WM-Endspurt auch: "Wenn du der Jäger bist, ist es definitiv einfacher." Daher kann sich Barrichello vorstellen, dass sich Vettels Jugend gegen Webbers Routine durchsetzen wird: "Wenn du jung bist, dann weißt du nicht, was du zu erwarten hast, also gibst du einfach alles. Aber ich glaube, er war schon in anderen Serien Meister, von daher sollte es passen", sieht er in der fehlenden Erfahrung des 23-Jährigen kein unkompensierbares Manko.

"Vor dem letzten Rennen habe ich noch auf Webber getippt", macht sich auch Nick Heidfeld Gedanken, "aber jetzt ist es wirklich eng, wenn ich mir Vettels Pace anschaue. Zum Glück kann man es nicht vorhersagen, denn so bleibt es spannend. Wenn Vettel alle Rennen gewinnt, wird er Weltmeister. Darum sagt Webber ja, dass er immer noch Rennen gewinnen muss - und Mateschitz sagt, dass die beiden frei kämpfen dürfen. Alonso ist auch nicht weit weg. Richtig spannend!"

Heidfelds Erinnerungen an 2005

Dass der scheidende Sauber-Pilot ausgerechnet Webber hoch im Kurs hat, ist keine Überraschung, schließlich fuhr er 2005 eine Saison an der Seite des heutigen WM-Leaders. Das Williams-Stallduell ging damals 36:28 Punkte für Webber aus, allerdings musste Heidfeld verletzungsbedingt auf die letzten vier Saisonrennen verzichten. Zum Zeitpunkt seines Abschieds stand es noch 28:24 für (Rennen) beziehungsweise 5:9 gegen (Qualifying) den Deutschen.

"Im Qualifying war er damals schon stark, aber im Rennen habe ich ihn meistens geschlagen und ihm sind manchmal Fehler unterlaufen. Dieses Jahr gehört er zu den Jungs, die am wenigsten Fehler gemacht haben. Mit dem Druck kann er anscheinend auch gut umgehen", analysiert der 33-Jährige, der findet, dass sich sein Ex-Teamkollege "verbessert" hat: "In den Rennen war er früher einfach nicht so stark wie heute."


Fotos: Großer Preis von Südkorea, Pre-Events


Robert Kubica wiederum findet, dass sich die WM-Entscheidung nur noch "zwischen Webber und Alonso" abspielt: "Es sind noch drei Rennen zu fahren und ich würde sagen, dass die beiden die besten Chancen haben, aber ich kann mich täuschen - denn normalerweise ist es immer so, dass es einen lachenden Dritten gibt, wenn sich alles auf zwei Fahrer konzentriert", weiß der Renault-Pilot um die Unvorhersehbarkeit der Formel 1.

Nico Hülkenberg kann mit Kubicas Meinung leben: "Ich drücke niemandem die Daumen, aber ich tippe auf Fernando. Er ist Doppelweltmeister, kennt diese Situationen und ist unter Druck sehr stark", gibt der Deutsche zu Protokoll. "Wenn nur noch ein paar Rennen zu fahren sind, wird es immer schwieriger, aber Fernando kann das am besten. Massa hat ihm in letzter Zeit nicht viel geholfen, aber er ist auch alleine gut genug."

Barrichellos Ratschläge an die Titelaspiranten

Sein Teamkollege Barrichello würde dem WM-Finale gelassen entgegenblicken, "wenn ich Red Bull wäre, denn sie haben ihre Zuverlässigkeitsprobleme gelöst und sie haben ein sehr schnelles Auto. Die anderen Teams, Ferrari und McLaren, hinken ein bisschen hinterher. Die Strecke hier könnte ihnen entgegenkommen oder auch nicht. Was Red Bull angeht, wissen wir, dass sie gut sein werden", ist der elffache Grand-Prix-Sieger überzeugt.

Rubens Barrichello und Mark Webber

Auch Rubens Barrichello drückt für Mark Webber die Daumen Zoom

Er schreibt aber auch McLaren noch nicht ab: "Auf einer Strecke wie dieser könnten sie gut unterwegs sein - lange Geraden, viel Downforce", so Barrichello, der mit den WM-Kandidaten mitfühlen kann: "Bei denen ist die Anspannung zweifellos groß. Das Beste, was ein Fahrer machen kann, ist, genau das zu tun, was man immer macht. Das ist sehr schwierig, aber man muss sich auf das konzentrieren, was man normalerweise auch macht."

"Das sind eigentlich lächerliche Kleinigkeiten", erläutert er seinen Ratschlag. "Wenn du immer am Donnerstag um 10:00 Uhr an die Rennstrecke kommst, dann musst du das weiter so handhaben - derselbe Zeitplan, dieselben Meetings. Denn wenn man nur eine kleine Änderung vornimmt, dann läuft man Gefahr, dass man sich anders fühlt, nicht mehr so gut. Dann beginnt man, sich Fragen zu stellen, und dann könnte es Probleme geben."

"Man muss alles ganz normal machen. Wenn man beschließt, einen Tag früher anzureisen, weil man sich sagt, man kämpft jetzt um den Titel und muss gerüstet sein, ist das schon etwas, was die Routine stören kann. Das Problem im Titelkampf ist, dass man unruhig wird - und das ist nicht gut. Aber ich denke, dass das alle fünf ganz gut im Griff haben. Sie wirken recht entspannt auf mich", teilt Barrichello abschließend mit.