• 07.09.2007 20:53

  • von Fabian Hust

Was bringt Spionage in der Formel 1?

Aus gegebenem Anlass diskutieren die Technischen Direktoren von Red Bull Racing, Renault, BMW Sauber F1 und Ferrari das Thema Spionage

(Motorsport-Total.com) - Auch der Große Preis von Italien bleibt von Diskussionen um Spionage in der Formel 1 nicht verschont. In einem Sport, in dem es teilweise um Tausendstelsekunden geht, versuchen die Teams oder der eine oder andere Angestellte eines Rennstalls, auch mit fragwürdigen Methoden das Auto zu verbessern, indem man versucht, an Betriebsgeheimnisse der Konkurrenz zu gelangen.

Titel-Bild zur News: Mario Almondo, Geoffrey Willis, Pat Symonds und Willy Rampf

Mario Almondo, Geoffrey Willis, Pat Symonds und Willy Rampf

"Wenn man ein Auto entwickelt, dann ist sicherlich eine der Sachen, die man wissen möchte, wenn man sich seine Gegner anschaut, wo der Vorteil des anderen liegt", so Geoffrey Willis, neuer Technischer Direktor bei Red Bull Racing. "Ist die Aerodynamik besser, ist das Auto leichter oder ist der Schwerpunkt niedriger oder der Motor leistungsfähiger?"#w1#

"In gewisser Weise hilft es einem also, wenn man diese Informationen kennt, oder es hilft dir dabei, dich auf ein bestimmtes Gebiet zu konzentrieren, auf dem man das Auto weiter entwickeln muss. Und da man diese Informationen nicht vorliegen hat, führen alle Teams eine Menge Vergleichsanalysen der Gegner durch, um zu versuchen, exakt herauszufinden, wo die Nachteile herkommen. Wir tun dies die ganze Zeit."

"Wenn man die extreme Situation betrachtet, dass man über detaillierte Informationen über das Auto eines anderen verfügt, dann wäre dies in bestimmten Fällen ein gewaltiger Vorteil, und in anderen Fällen würde dies einen lediglich dazu in die Lage versetzen, das zu produzieren, was das andere Team sowieso schon produziert hatte, und aus diesem Grund würde man immer eine Aufholjagd betreiben."

"Es würde immer vier bis sechs Wochen dauern, um die Komponenten an das Auto zu bringen, egal wie gut die Produktion oder das Design ist. Grundsätzlich möchte man ein Verständnis darüber haben, warum man mit diesen Lösungen arbeitet und nicht, was diese Lösungen sind."

"Wenn zu mir also ein Ingenieur eines anderen Teams kommt, dann interessiere ich mich nicht über das spezifische technische Wissen über dieses Auto, denn dies sollte schon nicht mehr aktuell sein."

"Ich interessiere mich dafür, wie er zu diesem Design gekommen ist, was das Auto schnell macht. Wenn man also alle Probleme der Moral und Legalität ignoriert, dann bin ich mir nicht sicher, wie nützlich einige Informationen in bestimmten Fällen sind. In anderen Fällen sind sie sehr nützlich."

Pat Symonds, technischer Direktor bei Renault, stimmt der Meinung seines Landsmanns zu: "Was ein Auto schnell macht, ist schon ganz gut bekannt und ganz leicht zu simulieren, aus diesem Grund wird die Art und Weise, wie wir unsere Entwicklung angehen, in Bezug auf die Verbesserung der Rundenzeit abgewogen, die man auf bestimmten Gebieten erzielen kann. Mit anderen Worten: Wir alle wissen, dass eine gute Aerodynamik ein Formel-1-Auto sehr schnell werden lässt, wir investieren in dieses Gebiet also viel Aufwand."

"Wir wissen im Moment, dass es nur sehr wenig gibt, was man in Bezug auf die Motoren tun kann, diese Anstrengung wird also reduziert. Selbst wenn dieses Gebiet frei wäre, so wissen wir, dass wir für jede Million Euro, die wir für den Motor ausgeben, weniger Leistung erzielen würde als für eine Million Euro, die man in die Aerodynamik-Abteilung investiert. Wir verstehen sehr gut, wofür und in welscher Proportion wir unser Geld ausgeben sollten, und wir versuchen dies mit den Budgets und dem Personal, das wir haben, so gut wie möglich zu machen."

"In dieser Beziehung helfen einem also Informationen eines anderen Teams nicht wirklich, dies gilt auch für das Detail. Und da stimme ich Geoff zu, wichtig im Team sind die Leute und die Art und Weise, wie die Leute an Dinge herangehen. Und wenn man sogar einen kompletten Zeichnungs-Satz eines Autos hat, dann ist dies nicht schrecklich interessant, wenn man nicht versteht, wie das Konzept dahinter funktioniert."

Auch in den Augen von Willy Rampf, dem Technischen Direktor des BMW Sauber F1 Teams, ist ein Formel-1-Auto viel zu komplex, als dass man mit Informationen von der Konkurrenz viel anfangen kann: "Wenn ein Ingenieur vom einen zum anderen Team kommt, und er ein paar Ideen hat, dann denke ich nicht, dass man langfristig einen großen Schritt nach vorn machen wird, wenn er nicht gut arbeitet oder gut in das Team integriert ist."

"Manchmal denke ich, dass überschätzt wird, welchen Input man in einem anderen Team geben kann. Wenn man ein Team vergrößert, dann muss das Team dennoch gut arbeiten, und mit einer Menge Vertrauen ineinander ein schnelles Auto herstellen. Es ist also nicht eine Sache, die ein Auto schneller macht, sondern eine gewaltige Menge an kleinen Details und die ganze Philosophie, die das Team über Jahre hinweg entwickelt hat."

Auch in den Augen von Mario Almondo, dem Technischen Direktor von Ferrari, geht es nicht darum, einzelne Details eines anderen Autos zu kennen und dies mit dem eigenen Auto zu imitieren, sondern es geht darum, eine Referenz zu haben: "Wenn ich die Gewichtsverteilung eines anderen Autos oder seine Effizienz kenne, weiß, wie leistungsstark der Motor ist, dann kenne ich meine Anhaltspunkte und weiß exakt, wie ich unsere Ressourcen aufteilen muss."

"Ich habe also eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass ich das gleiche Ergebnis erziele, wenn ich zurückliege oder ein sogar noch besseres Ergebnis, wenn ich schneller bin, und dies mit weniger investierter Energie, weniger Geld und in einer kürzeren Zeit erreiche. Dies ist also mit Sicherheit ein Vorteil, wenn man Dinge einfach weiß oder sich im Klaren ist, wie der andere arbeitet. So gesehen ist dies eine Art technisches Geschenk."